Verfahrensgang
LG Meiningen (Urteil vom 12.04.2018) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 12. April 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- im Strafausspruch,
- soweit die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie und wegen Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 7 Abs. 1 JGG in Verbindung mit § 64 StGB nicht geprüft, obwohl es nach den Feststellungen dazu gedrängt gewesen ist.
Rz. 3
Zwar besteht keine Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten. Dies ist aber für die Annahme eines Hangs zum Konsum von Betäubungsmitteln im Übermaß auch nicht erforderlich. Dafür ist vielmehr eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2017 – 1 StR 367/17, NStZ-RR 2017, 370 f. mwN).
Rz. 4
Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumiert der Angeklagte bereits seit dem dreizehnten Lebensjahr Cannabis. Bei der Tat vom 11. Oktober 2017 besaß er Marihuana zum Eigenkonsum. Die Kurierfahrt am 12. November 2017, bei der er 4.888 Gramm Marihuana transportierte, beging er, um „drei Rationen Drogen für sich” zu erhalten. Eine soziale Gefährdung des Angeklagten infolge des Betäubungsmittelkonsums kommt auch in der den früheren Verurteilungen zu entnehmenden Begehung von Straftaten sowie darin zum Ausdruck, dass der Angeklagte seine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer wegen Fehlzeiten nicht abgeschlossen sowie gegen die Weisung in der Führungsaufsicht verstoßen hat, keine Betäubungsmittel zu konsumieren. Die nunmehr abgeurteilten Betäubungsmitteldelikte erscheinen zudem symptomatisch für seinen Hang zum Konsum von Betäubungsmitteln im Übermaß. Nach den Tatumständen und mit Blick auf die Persönlichkeit des Angeklagten liegt auch die Annahme nahe, dass ohne die Maßregel künftig weitere Straftaten durch ihn zu erwarten sind. Daher wird der neue Tatrichter die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, auch im Hinblick auf die Frage einer konkreten Aussicht auf einen Therapieerfolg, zu prüfen haben.
Rz. 5
Die fehlerhafte Nichterörterung der Maßregelanordnung zieht wegen Wechselwirkung von Maßregel und Jugendstrafe gemäß § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 JGG auch die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2014 – 5 StR 509/14). Der Senat lässt offen, ob er hierzu – dem Generalbundesanwalt folgend – schon deshalb gelangt wäre, weil das Landgericht erörtert hat, ob bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht ein minder schwerer Fall der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgelegen hätte. Dies könnte in einem Fall entbehrlich sein, in dem – wie hier – Jugendstrafe nur wegen schädlicher Neigungen des Angeklagten, nicht aber wegen der Schwere der Schuld verhängt wird. Bei der Vergleichsbetrachtung mit dem Erwachsenenstrafrecht handelt es sich jedenfalls im Wesentlichen um ein Mittel zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld des jugendlichen oder heranwachsenden Täters. Diese hat bei der Bemessung der Höhe der Jugendstrafe mit Blick auf den Erziehungsgedanken eine allenfalls untergeordnete Bedeutung.
Unterschriften
Schäfer, Appl, Eschelbach, Zeng, Bartel
Fundstellen
Dokument-Index HI12512751 |