Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere räuberische Erpressung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 7. April 2000 im Strafausspruch dahin geändert, daß das Wort „Freiheitsstrafe” durch das Wort „Gesamtfreiheitsstrafe” ersetzt wird und im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Die Nachprüfung des Schuld- und Strafausspruchs auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat – abgesehen von der vorgenommenen Berichtigung des Strafausspruchs – keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 31. Juli 2000. Durch die fehlerhaften Ausführungen zur Gesamtstrafenbildung ist der Angeklagte letztlich nicht beschwert. Die Strafkammer hatte zwar erkannt, daß die Einzelstrafe für den Fall 1 der Urteilsgründe mit den unter Nr. 22 und 23 genannten Vorverurteilungen und der aus ihnen gebildeten Gesamtgeldstrafe gesamtstrafenfähig gewesen wäre, hat jedoch nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von der Bildung einer Gesamtstrafe aus diesen abgesehen, weil andernfalls zwei Gesamtfreiheitsstrafen gebildet werden müßten. Dabei hat sie übersehen, daß die Zäsurwirkung einer auf Geldstrafe lautenden Verurteilung nicht deswegen entfällt, weil auf Geldstrafe nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gesondert erkannt wird (vgl. BGHR StGB § 55 I 1 Zäsurwirkung 9 m.w.Nachw.). Sie hätte daher unabhängig von der Frage der Einbeziehung der Geldstrafen in eine Gesamtstrafe mit der Freiheitsstrafe für den Fall 1 eine weitere Gesamtstrafe für die Fälle 2 und 3 bilden müssen. Daß sie diese zwingende Folgerung aus § 55 StGB nicht gezogen hat, beschwert indes den Angeklagten nicht.
Dagegen hat der Maßregelausspruch keinen Bestand. Die Strafkammer hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet, weil die Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 StGB vorlägen und die Behandlung „nicht von vornherein aussichtslos im Sinne des § 64 Abs. 2 StGB erscheine” (UA S. 56). Dies und die nachfolgend gegebene widersprüchliche Begründung lassen besorgen, daß ihr hierbei nicht bewußt war, daß Absatz 2 des § 64 StGB insoweit für teilnichtig erklärt worden und Voraussetzung vielmehr ist, daß die Behandlung im Maßregelvollzug eine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg haben muß (BVerfG NStZ 1994, 578). Auch der vom Landgericht angehörte Sachverständige hat lediglich nicht ausschließen können, daß eine konsequente Therapie an dem Hang des Angeklagten etwas ändern könnte. Dies reicht zur Annahme einer konkreten Erfolgsaussicht nicht. Wenn sich die Strafkammer dem ohne nähere Auseinandersetzung in vollem Umfang anschließt und eine „begründete Aussicht auf Heilung” (UA S. 56) annimmt, steht dies in Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen und ist durch nichts belegt.
Auch die Begründung des Vorwegvollzugs von sechs Jahren Freiheitsstrafe nach § 67 Abs. 2 StGB begegnet rechtlichen Bedenken, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat. Hierauf nimmt der Senat Bezug.
Die Anordnung der – an sich naheliegenden – Sicherungsverwahrung ist so unzureichend begründet, daß eine ausreichende revisionsrechtliche Kontrolle nicht möglich ist. Dabei ist zu beachten, daß bei einer derart in die Lebensverhältnisse eines Angeklagten einschneidenden Entscheidung eine dieser Bedeutung angemessene Begründung erforderlich ist (vgl. BGHR StGB § 66 Darstellung 1). Die Strafkammer hat die Anordnung auf „§ 66 StGB” gestützt, ohne die angewandte Alternative (Abs. 1, 2 oder 3) ausdrücklich zu nennen. Auch wenn sich aus der anschließenden Wiedergabe der formellen Voraussetzungen des Absatzes 1 entnehmen läßt, daß sie diese Rechtsgrundlage heranziehen wollte, so fehlt es jedoch an einer näheren Darlegung dieser formellen Voraussetzungen im einzelnen. Der allgemeine Satz „diese Voraussetzungen ergäben sich aus den oben aufgeführten Vorverurteilungen des Angeklagten und den Haftzeiten” (UA S. 54) reicht hierfür nicht. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich aus den bei den Angaben zur Person mitgeteilten 23 Eintragungen im Bundeszentralregister diejenigen herauszusuchen, die die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB erfüllen könnten. Vielmehr hat der Tatrichter diejenigen Taten festzustellen, die er zur Begründung der Anordnung heranziehen will. Dies ist auch deswegen erforderlich, weil nur solche Taten der Entscheidung zugrunde gelegt werden dürfen, die Symptomcharakter haben, und weil diese sodann in die nach Nr. 3 dieser Vorschrift vorzunehmende Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten einzubeziehen sind (vgl. BGHR StGB § 66 I Vorverurteilungen 4, 5). Diese Gesamtwürdigung obliegt dem Tatrichter, sie kann durch das Revisionsgericht nicht ersetzt werden. Es kommt die Besorgnis hinzu, die Strafkammer könnte in den drei durch das Landgericht Hildesheim am 20. September 1994 abgeurteilten Überfällen die nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderliche zweimalige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr gesehen und dabei außer acht gelassen haben, daß Verurteilungen zu Gesamtstrafe als eine Verurteilung in diesem Sinne gelten (§ 66 Abs. 4 Satz 1 StGB). Andernfalls hätte es sich damit auseinandersetzen müssen, daß als weitere Verurteilungen zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe nur solche in Betracht kommen, die mehr als fünf Jahre (vgl. § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB) zuvor begangen worden waren, wobei es bei den unter Nr. 11 und 13 genannten Verurteilungen an der Mitteilung der – maßgeblichen – Einzelstrafen fehlt und hinsichtlich der am 25. August 1988 durch das Amtsgericht Hildesheim erfolgten Verurteilung wegen versuchtem Diebstahl zu einem Jahr Freiheitsstrafe eine Erörterung nicht nur der „Rückfallverjährung” nach § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB, sondern auch ihrer Eignung als Symptomtat geboten gewesen wäre.
Auch die Darstellung des Vorlebens genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 267 Abs. 1 und 3 StPO i.V. mit § 66 Abs. 1 StGB. Urteilsgründe sollen sich zwar auf das Wesentliche beschränken, das umgekehrt aber auch nicht fehlen darf. Das bedeutet für die Vorstrafen, daß sie nur in dem Umfang und in den Einzelheiten mitzuteilen sind, in denen sie für die getroffene Entscheidung von Bedeutung sind (vgl. BGHR StPO § 267 III 1 Strafzumessung 16). Bei der Begründung der Anordnung einer Sicherungsverwahrung bedarf es allerdings einer ausführlichen Erarbeitung und Darstellung des kriminellen Werdeganges an Hand der Vorstrafen, insbesondere wie es zu den Taten gekommen ist, ob sie gegebenenfalls auf einem Hang zu delinquentem Verhalten beruhen, welche typische Begehungsweisen ihnen zu eigen sind und inwieweit die Opfer durch sie seelisch oder körperlich geschädigt wurden oder wirtschaftliche Schäden, die für die Allgemeinheit gefährlich sind, angerichtet worden sind. Daneben sind die Tatsachen festzustellen, die für die formellen Voraussetzungen der einzelnen Alternativen des § 66 StGB von Bedeutung sind (Tatzeiten, Einzelstrafen, Verbüßungszeiten u.ä.). Dafür genügt es nicht, wie hier die Vorverurteilungen lediglich aufzulisten und überflüssigerweise deren Sachverhalt umfangreich in das Urteil hineinzukopieren, wobei zahllose für das vorliegende Verfahren unnötige Details übernommen werden (wie z.B. das Bellen eines Pudels bei einer lange zurückliegenden Tat oder die seitenweise Auflistung von gestohlenen Artikeln nach Art, Marke und Wert in Pfennigbeträgen), während die für die Anwendung des § 66 Abs. 1 StGB wesentlichen Fakten wie Einzelstrafen, genaue Verbüßungszeiten bei der Einrechnung in die „Rückfallverjährung” u.ä. vielfach fehlen. Die dem Tatrichter obliegende Erarbeitung des kriminellen Werdegangs an Hand der materiellen und formellen Voraussetzungen des § 66 StGB kann durch dieses schematische Vorgehen, das zudem die Urteilsgründe unnötig aufbläht und unübersichtlich macht, nicht ersetzt werden.
Ein weiterer rechtlicher Mangel liegt auch darin, daß die Strafkammer zwar zwei Maßregeln nebeneinander angeordnet, sich aber nicht mit der Vorschrift des § 72 Abs. 1 StGB auseinandergesetzt hat, wonach zu prüfen gewesen wäre, ob eine von mehreren konkurrierenden Maßregeln vorgeht oder ob die Maßregeln unter Bestimmung der Vollstreckungsreihenfolge nebeneinander anzuordnen sind (vgl. BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 2; Hanack in LK, 11. Aufl. § 72 Rdn. 22).
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 505678 |
NStZ-RR 2001, 103 |