Leitsatz (amtlich)
Hat ein Gesellschafter zusätzlich zu seiner Beteiligung als Gesellschafter eine (typische) stille Beteiligung übernommen, stellt der Anspruch auf Rückgewähr der stillen Einlage eine einem Darlehen gleichgestellte Forderung dar.
Normenkette
InsO § 135 Abs. 1, § 136
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 03.08.2016; Aktenzeichen 9 U 107/15) |
LG Flensburg (Entscheidung vom 27.11.2015; Aktenzeichen 8 O 63/14) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Schleswig vom 3.8.2016 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 2.000.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Schuldnerin ist eine Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH. Alleingesellschafterin der Schuldnerin ist die I. GmbH. Die Beklagte ist Alleingesellschafterin der I. GmbH. Im November 2005 beteiligte sich die Beklagte auf unbestimmte Dauer als stille Gesellschafterin an der Schuldnerin. Die - zwischenzeitlich auf bis zu 13.000.000 EUR erhöhte - vereinbarte Einlage wurde im Mai 2011 auf 10.000.000 EUR zurückgesetzt. Tatsächlich betrug sie zu diesem Zeitpunkt 10.900.000 EUR.
Rz. 2
Unter dem 12.12.2011 wies die Schuldnerin die Zahlung von 2.000.000 EUR zugunsten der Beklagten an. Der Buchungstext lautete "Rückführung stille Beteiligung [...]". Die Belastung des Kontos der Schuldnerin und die Gutschrift auf dem Konto der Beklagten erfolgten am 15.12.2011. Auf einen am 14.12.2012 eingegangenen Gläubigerantrag eröffnete das AG mit Beschluss vom 28.5.2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Rz. 3
Der Kläger hat gestützt auf § 135 Abs. 1 InsO Klage auf Rückzahlung von 2.000.000 EUR erhoben. Das LG hat der Klage stattgegeben, die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt die Beklagte die Zulassung der Revision.
II.
Rz. 4
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Rz. 5
1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, gegenüber der Beklagten seien die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfüllt, weist keinen Zulassungsgrund auf. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Rückzahlung einer Vermögenseinlage, mit der ein Gesellschafter sich zusätzlich zu seiner bestehenden Beteiligung am Haftkapital einer Gesellschaft i.S.d. § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO als stiller Gesellschafter i.S.d. § 230 Abs. 1 HGB an dieser Gesellschaft beteiligt hat, sich als Befriedigung eines Anspruchs auf Rückgewähr eines Darlehens i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder einer gleichgestellten Forderung darstellt, wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Ob eine Rechtshandlung nach § 135 Abs. 1 InsO anfechtbar ist, hängt zum einen davon ab, ob der Anfechtungsgegner Gesellschafter der Schuldnerin ist. Zum anderen muss es sich um eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder eine gleichgestellte Forderung handeln. Dies gilt auch für die Rückführung einer stillen Einlage.
Rz. 6
Sofern der Anfechtungsgegner unmittelbar am Haftkapital der Gesellschaft beteiligt ist, seine Beteiligung über das Kleinbeteiligungsprivileg des § 39 Abs. 5 InsO hinausgeht und kein Fall des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO vorliegt, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 135 Abs. 1 InsO in personeller Hinsicht erfüllt. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob die Rechte des Anfechtungsgegners aus dem Darlehen oder der dem Darlehen gleichgestellten Forderung diesem für sich genommen eine Rechtsposition verschaffen, die der eines Gesellschafters entspricht. Dabei ist eine mittelbare Beteiligung am Haftkapital der Gesellschaft für eine Gesellschafterstellung ausreichend, wenn diese der unmittelbaren Beteiligung gleichsteht (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.2011 - IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 Rz. 10; v. 28.6.2012 - IX ZR 191/11, BGHZ 193, 378 Rz. 11). So liegt der Streitfall, weil die Beklagte unstreitig mittelbar Alleingesellschafterin der Schuldnerin ist. Die Rückzahlung der von der Beklagten zusätzlich übernommenen (typischen) stillen Beteiligung ist mithin als Befriedigung eines Anspruchs auf Rückgewähr einer einem Darlehen i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gleichgestellten Forderung anfechtbar.
Rz. 7
Es entspricht einhelliger Meinung, dass die von einem (mittelbaren) Alleingesellschafter zusätzlich übernommene stille Einlage als darlehensgleiche Leistung dieses Gesellschafters anzusehen ist (Jaeger/Henckel, InsO, § 135 Rz. 7; Ehricke in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., § 39 Rz. 43; MünchKomm/InsO/Gehrlein, a.a.O., § 135 Rz. 18; Gehrlein in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 236 Rz. 17a; FK-InsO/Bornemann, 8. Aufl., § 39 Rz. 68; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 39 Rz. 38; § 136 Rz. 2; MünchKomm/AnfG/Kirchhof, § 6 Rz. 34; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., Anhang zu § 30 Rz. 36; Mock, DStR 2008, 1645, 1648; Manz/Lammel, GmbHR 2009, 1121, 1123 f.). Dies entsprach schon der Handhabung zu § 32a GmbHG a.F. Der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften bezog die stille Beteiligung eines Gesellschafters ausdrücklich ein (BT-Drucks. 8/1347, 40 zu § 32a Abs. 7 GmbHG-E). Diese Bestimmung ist vom Rechtsausschuss des Bundestages ohne inhaltliche Änderung gestrichen und durch die Generalklausel des § 32a Abs. 3 GmbHG ersetzt worden. Sie sollte auch die stille Beteiligung eines Gesellschafters erfassen (BT-Drucks. 8/3908, 74). Das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen hat insoweit die Konzeption des § 32a Abs. 3 GmbHG übernommen (BT-Drucks. 16/6140, 56). Die von der Beschwerde genannten Stimmen im Schrifttum (Schmidt/Karsten Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 136 Rz. 25; HmbKomm-InsO/Schröder, 6. Aufl., § 136 Rz. 18) vertreten für die von einem Gesellschafter zusätzlich übernommene stille Beteiligung keine andere Auffassung (s. nur Karsten Schmidt in MünchKomm/HGB, 3. Aufl., § 236 Rz. 7, 25, 28; Anhang Insolvenzanfechtung nach § 136 InsO, § 136 InsO Rz. 6, wo jede stille Beteiligung eines bereits unabhängig von dieser Beteiligung unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fallenden Gesellschafters als nach § 135 InsO anfechtbares Darlehen angesehen wird).
Rz. 8
2. Verfahrensgrundrechte der Beklagten wurden nicht verletzt. Von einer weiteren Begründung wird gem. § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 11392496 |
BB 2017, 3009 |
DB 2017, 2990 |
DStR 2018, 40 |
DStR 2018, 682 |