Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung der notwendigen Kosten bei Streitgenossen
Leitsatz (redaktionell)
Als notwendige Kosten, die einer Partei entstanden sind und auf deren Erstattung sie nach § 91 Abs. 1 ZPO Anspruch hat, kann bei Streitgenossen mit nur einem gemeinsamen Prozessbevollmächtigten grundsätzlich für den obsiegenden Streitgenossen nur der seiner Beteiligung am Rechtsstreit entsprechende Bruchteil der Anwaltskosten festgesetzt werden.
Normenkette
ZPO § 574 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 2 Ziff. 2, §§ 575-576, 91 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Paderborn (Entscheidung vom 16.08.2005; Aktenzeichen 1 T 52/05) |
AG Lippstadt (Entscheidung vom 02.05.2005; Aktenzeichen 15 C 412/04) |
Gründe
I. Der Kläger hat die Beklagte zu 1 und den Beklagten zu 2 als Gesamtschuldner auf Zahlung von 2.104,95 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Beide waren durch denselben Prozessbevollmächtigten vertreten. Die Firma B. war dem Rechtsstreit als Streithelferin der Beklagten zu 1 beigetreten. Das Amtsgericht hat der Klage gegen den Beklagten zu 2 im Wesentlichen stattgegeben und die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage abgewiesen. Es hat folgende Kostenentscheidung getroffen: "Dem Beklagten zu 2 werden die Gerichtskosten, seine außergerichtlichen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers mit Ausnahme des Mehrvertretungszuschlages auferlegt. Diesen Mehrvertretungszuschlag sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und der Streithelferin hat der Kläger zu tragen."
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Mai 2005 hat das Amtsgericht antragsgemäß die der Beklagten zu 1 entstandenen und vom Kläger zu erstattenden anwaltlichen Gebühren einschließlich des Mehrvertretungszuschlags auf 746,75 EUR festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das Landgericht mit Beschluss vom 16. August 2005 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, bei unterschiedlichem Prozessausgang für gemeinsam von demselben Rechtsanwalt vertretene Streitgenossen könne derjenige mit der günstigeren Erstattungsquote gegenüber dem Prozessgegner grundsätzlich den vollen Haftungsanteil ansetzen, den er dem gemeinsamen Anwalt schulde. Diese Auffassung entspreche der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (zuletzt: JurBüro 2005, 91 = OLG-Report 2005, 142), welches daran trotz der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs festhalte.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, an den Kosten des gemeinsamen Anwalts der Beklagten allenfalls zur Hälfte beteiligt zu werden.
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 575, 576 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, können als notwendige Kosten, die einer Partei entstanden sind und auf deren Erstattung sie nach § 91 Abs. 1 ZPO Anspruch hat, bei Streitgenossen mit nur einem gemeinsamen Prozessbevollmächtigten grundsätzlich für den obsiegenden Streitgenossen nur der seiner Beteiligung am Rechtsstreit entsprechende Bruchteil der Anwaltskosten festgesetzt werden (Beschluss vom 30. April 2003 - VIII ZB 100/02 - VersR 2004, 489). Dieser Auffassung hat sich der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung angeschlossen (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2003 - I ZB 13/03 - NJW-RR 2003, 1507). Sie entspricht auch der in der Kommentarliteratur überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. nur Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 91 Rn. 13 "Streitgenossen" Nr. 3; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 91 Rn. 69). Die vom Beschwerdegericht zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (aaO.) hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs inzwischen aufgehoben (Beschluss vom 5. Juli 2005 - VIII ZB 114/03 - FamRZ 2005, 1740) und in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass er an seiner Auffassung festhalte. Der VI. Zivilsenat schließt sich dieser Rechtsprechung an und nimmt zur Begründung auf die oben zitierten Entscheidungen Bezug.
Hiernach ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts in dem Kostenfestsetzungsbeschluss auch der von der Beklagten zu 1 geltend gemachte Mehrvertretungszuschlag gegen den Kläger festgesetzt worden ist. Dies entspricht der Kostengrundentscheidung des zugrunde liegenden Urteils. Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde ist damit ersichtlich der auf Seiten der Beklagten angefallene Mehrvertretungszuschlag gemeint und nicht etwa ein - nicht entstandener - Mehrvertretungszuschlag auf Seiten des Klägers.
Fundstellen
VersR 2006, 808 |
NJOZ 2006, 1309 |