Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
Die durch Teilungserklärung getroffene Bestimmung, wonach auch der Erwerber einer Eigentumswohnung für Wohngeldrückstände des Voreigentümers haftet, ist grundsätzlich wirksam.
Normenkette
WEG § 5 Abs. 4, § 10 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 30. Oktober 1992 wird zurückgewiesen.
Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt der Antragsgegner.
Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 21.698,37 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Mit notariellem Vertrag vom 27. April 1989 kaufte der Antragsgegner eine Eigentumswohnung im Dachgeschoß einer Wohnanlage in B. . Besitz, Nutzungen und Lasten sollten ab 1. Juli 1989 auf den Antragsgegner übergehen. Zu dieser Zeit war das Sondereigentum mit einem Miteigentumsanteil sowie einem Sondernutzungsrecht an Räumen im Erdgeschoß verbunden, deren Abtrennung am 19. November 1990 im Wohnungsgrundbuch eingetragen wurde. Nach der Gemeinschaftsordnung sind in allen Übertragungsfällen Wohngeldrückstände vom Erwerber zu übernehmen.
Gemäß dem Eigentümerbeschluß vom 7. April 1990 ergab die Jahresabrechnung 1989 für den damaligen Wohnungseigentümer einen Minussaldo von 24.797,01 DM. Die Jahresabrechnung 1990 wurde in der Eigentümer Versammlung vom 4. Mai 1991 beschlossen; in die Einzelabrechnung für die Eigentumswohnung des Antragsgegners war der Rückstand aus 1989 aufgenommen und insgesamt eine Nachzahlungspflicht von 21.698,37 DM errechnet.
Auf Antrag der übrigen Wohnungseigentümer wurde der Antragsgegner durch das Amtsgericht verpflichtet, an die Antragsteller als Mitgläubiger zu Händen der Verwalterin 21.698,37 DM nebst Zinsen zu zahlen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen, den Antrag, den Beschluß der Eigentümer Versammlung vom 4. Mai 1991 für ungültig zu erklären und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Anfechtungsfrist zu gewähren, verworfen. Die gegen die Zurückweisung seiner Beschwerde gerichtete sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners hält das Kammergericht für sachlich begründet. Es sieht sich an einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses jedoch durch die auf weitere Beschwerden ergangenen Beschlüsse der Oberlandesgerichte Düsseldorf vom 3. Januar 1973 – 3 W 206/72, DNotZ 1973, 552, Köln vom 29. Dezember 1977 – 16 Wx 124/77, OLGZ 1978, 151 und Frankfurt vom 13. Mai 1980 – 20 W 77/88, Rpfleger 1980, 349 = OLGZ 1980, 420, gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG; §§ 27, 28 Abs. 2 FGG).
Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist die in der Teilungserklärung vorgesehene Haftung des rechtsgeschäftlichen Erwerbers von Wohnungseigentum für Wohngeldrückstände des Voreigentümers unwirksam. Vereinbarungen der Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WEG seien unzulässig, wenn die zwingenden Prinzipien des Sachenrechts verletzt würden. Die vorgesehene „Anbindung” schuldrechtlicher Verpflichtungen eines Rechtsvorgängers an das Wohnungseigentum führe zu einem dem Sachenrecht wesensfremden unbegrenzten Haftungsübergang auf den Rechtsnachfolger. Für seine Ansicht spreche auch der allgemein anerkannte Grundsatz, daß Verträge zu Lasten Dritter unwirksam seien. Demgegenüber haben die Oberlandesgerichte Düsseldorf. Köln und Frankfurt es in den angeführten Entscheidungen für zulässig erachtet, in der Teilungserklärung (OLG Köln und Frankfurt) bzw. Teilungsvereinbarung (OLG Düsseldorf) eine Haftung des rechtsgeschäftlichen Erwerbers für Wohngeldrückstände des Rechtsvorgängers vorzusehen. Damit beantworten diese Oberlandesgerichte und das Kammergericht bei der Auslegung bundesrechtlicher Vorschriften dieselbe Rechtsfrage im Sinne von § 28 Abs. 2 FGG verschieden.
Die Ansicht des vorlegenden Gerichts, es könne ohne Beantwortung der streitigen Rechtsfrage über die sofortige weitere Beschwerde nicht entscheiden, ist für den Senat bindend, soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Rede steht (st. Rspr., vgl. BGHZ 116, 392, 394).
III.
1. Die nicht näher ausgeführte sofortige weitere Beschwerde, mit der sich der Antragsgegner lediglich gegen die Zurückweisung seiner Beschwerde wendet, ist zulässig, aber im Ergebnis nicht begründet.
2. Das Landgericht ist der Auffassung, der Antragsgegner sei aufgrund der beschlossenen Gesamt- und Einzelabrechnung für das Jahr 1990 verpflichtet, 21.698,37 DM nebst Zinsen an die Antragsteller zu zahlen. Dieser Beschluß sei bestandskräftig geworden und bilde den Rechtsgrund für die Zahlungspflicht, da er nicht rechtzeitig angefochten worden sei und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anfechtungsfrist nicht gewährt werden könne.
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt, daß erst mit Beschluß der Eigentümerversammlung über die Jahres- und Einzelabrechnungen im Innenverhältnis der Eigentümer die Pflicht zur Tragung der Lasten und Kosten gemäß § 16 Abs. 2 WEG in konkreter Höhe begründet wird (BGHZ 104, 197, 202 f m.w.N.; 107, 285, 287; 108, 44, 47). Allerdings begründete der Eigentümerbeschluß vom 4. Mai 1991 nach seinem Inhalt keine Zahlungspflicht des Antragsgegners. Der Beschluß bezog sich auf die übersandten Jahresabrechnungen 1990, die damit zum Inhalt des Beschlusses wurden. Die die Wohnung des Antragsgegners betreffende Wohngeldabrechnung wies zwar im Ergebnis eine Nachzahlungspflicht über 21.698,37 DM aus. Dies beruhte aber auf der Aufnahme des Saldos „Abrechnungen 1989” in Höhe von 24.797,01 DM; dieser Betrag sollte nach den ausdrücklichen Erläuterungen „nicht Gegenstand der Jahresabrechnung” sein und seine Angabe „ausschließlich” zur „Abstimmung (des) Wohngeldkontos zum Jahresende” dienen. Damit hatte sich der Eigentümerbeschluß nur mit den Einnahmen, Gutschriften. Lasten und Kosten im Wirtschaftsjahr 1990 befaßt. Da aber in der Wohngeldabrechnung 1990 für die Wohnung des Antragsgegners der im Ergebnis noch offene Betrag (21.698,37 DM) geringer ist als der fortgeschriebene Sollstand aus dem Jahre 1989, wurde kein Rückstand ausgewiesen, der eine Zahlungspflicht des Antragsgegners als Eigentümer zu dem Zeitpunkt der Beschlußfassung hätte begründen können.
3. Die Entscheidung erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 563 ZPO).
Das Landgericht hat festgestellt, daß die Jahresabrechnung 1989 am 7. April 1990 von den Eigentümern beschlossen und aufgrund dessen der Wohngeldrückstand des Voreigentümers bestandskräftig festgestellt ist (§§ 23 Abs. 4 Satz 1, 28 Abs. 5 WEG). Die Festlegung (24.797,01 DM) für das Wirtschaftsjahr 1989 erstreckte sich aber nicht ohne weiteres auch auf den Antragsgegner als Erwerber des Wohnungseigentums. Ein Haftungsübergang für gegen den Rechtsvorgänger fällig gestellte rückständige, im Verhältnis der Wohnungseigentümer begründete Verbindlichkeiten ist gesetzlich nicht vorgesehen (BGHZ 88, 302, 305; 95, 118, 121; 99, 358, 360; BayObLG Rpfleger 1979, 352; BayObLGZ 1984, 198, 200; OLG Düsseldorf Rpfleger 1983, 387; OLG Karlsruhe MDR 1979, 58 f; KG OLGZ 1977, 1, 5 und Rpfleger 1985, 11; OLG Braunschweig MDR 1977, 230). Diese Ansicht der Rechtsprechung wird von der Literatur überwiegend geteilt (Weitnauer, WEG 7. Aufl. § 16 Rdn. 33; Soergel/Stürner, BGB 12. Aufl. § 16 WEG Rdn. 8 a; Palandt/Bassenge, BGB 53. Aufl. § 16 WEG Rdn. 21; RGRK/Augustin, BGB 12. Aufl. § 16 WEG Rdn. 31; Erman/Ganten, BGB 9. Aufl. § 16 WEG Rdn. 4; a.A. von einem mitgliedsschaftsrechtlichen Ansatz ausgehend Bärmann/Pick, WEG 12. Aufl. § 16 Rdn. 31; Bärmann/Pick/Merle, WEG 6. Aufl. § 16 Rdn. 104; Pick, JR 1988, 205; ders. in Festschrift für Bärmann und Weitnauer 1985, S. 70 und Rpfleger 1972, 99, 103; Junker, Die Gesellschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz, 1993, S. 246 f, 250 f; MümchKomm-BGB/Röll, 2. Aufl. § 16 WEG Rdn. 25, 25 a, für Ansprüche aus dem Wirtschaftsjahr der Veräußerung, ders. NJW 1983, 153 f, 1976, 1473 f). Der Senat sieht keinen Anlaß hiervon abzuweichen.
4. Eine Zahlungspflicht besteht demnach nur, wenn die Regelung der Gemeinschaftsordnung den Antragsgegner wirksam für die entstandenen Rückstände haften läßt. Dies ist der Fall.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG können die Wohnungseigentümer ihre Verhältnisse untereinander durch Vereinbarung grundsätzlich frei gestalten. Wird die Gemeinschaftsordnung als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen, wirken die Vereinbarungen auch gegen den Sondernachfolger (§§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 2 WEG). Gleiches gilt für die Bestimmungen über das Verhältnis der Eigentümer untereinander, die der teilende Eigentümer in der Teilungserklärung einseitig trifft (vgl. § 8 Abs. 2 i.V. mit § 5 Abs. 4 WEG). Die Teilungserklärung enthält dann nicht nur die eigentumsmäßige Aufteilung, sondern legt auch zugleich die zukünftige Gemeinschaftsordnung als Grundlage für die Verhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander fest (BGHZ 49, 250, 257; 88, 302, 304 f; 99, 90, 96).
a) Dem Zahlungsbegehren steht nicht entgegen, daß hier nach dem Wortlaut der Gemeinschaftsordnung vom Erwerber die „Rückstände an Wohngeld übernommen werden müssen”. Dies könnte zwar nach dem Wortlaut für den Erwerber zunächst nur eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung gegenüber den Wohnungseigentümern bedeuten. Es kann dahinstehen, ob auch dann unmittelbar die Zahlung eingefordert werden könnte. Denn der Regelung in der Gemeinschaftsordnung ist jedenfalls im Wege der Auslegung eine unmittelbare Haftung des Erwerbers zu entnehmen. Diese Auslegung kann das Rechtsbeschwerdegericht selbst vornehmen (st. Rspr., BGHZ 37, 147, 149; 113, 374, 378). Dabei ist auf Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (st. Rspr., BGHZ 47, 191, 195; 88, 302, 306; 113, 374, 378). In Anwendung dieser Grundsätze folgt aus dem systematischen Zusammenhang mit den übrigen getroffenen Regelungen, daß mit dem Erwerb der Haftungseintritt verbunden sein sollte. Denn darin ist im größeren Zusammenhang mit den Voraussetzungen und Folgen einer Veräußerung eine umfassende Klärung der Vermögensbeziehungen sowohl der Wohnungseigentümer im Verhältnis zum Veräußerer als auch zum Erwerber vorgesehen. Unter Ausschluß eines Anspruchs des Veräußerers auf Auseinandersetzung der angesammelten Instandhaltungsrücklage geht dieses Recht sofort – ohne Übertragungsakt – ebenso auf den Erwerber über, wie diesem etwaige Überschüsse aus Wohngeldzahlungen zufallen. In diesem Zusammenhang drängt sich auch dem unbefangenen Betrachter auf, daß die „Übernahme” des Rückstandes nicht wörtlich zu verstehen ist, sondern im Interesse einer einfachen Abwicklung ebenfalls unmittelbar erfolgt. Demgegenüber wäre es unverständlich, welchen Sinn ein gestuftes Verfahren hinsichtlich der Erwerberhaftung haben sollte.
b) Nach fast einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kann – worauf der Senat schon in seinem Beschluß vom 22. Januar 1987 (BGHZ 99, 358, 361) hingewiesen hat – in der im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung auch bestimmt werden, daß der rechtsgeschäftliche Sondernachfolger für die Rückstände des früheren Wohnungseigentümers einzustehen hat. Durch die Festlegung einer Haftung in der eingetragenen Gemeinschaftsordnung wird der Inhalt des Sondereigentums ausgestaltet (§ 5 Abs. 4 WEG); diese sachenrechtliche Gestaltung der Sondernachfolge durch Verknüpfung mit dem Sondereigentum führt zwar nicht dazu, daß die Haftung des Erwerbers als ein selbständiges vom Wohnungseigentum losgelöstes dingliches Recht zu betrachten ist und die Ansprüche auf dem Wohnungseigentum lasten (BGHZ 88, 302, 308; OLG Düsseldorf DNotZ 1973, 552 f.; Ertl, DNotZ 1979, 267, 275). Dennoch hat die Aufnahme der Haftungsanordnung in die Ausgestaltung des Sondereigentums dingliche Wirkung insoweit, als die Haftung unmittelbar durch den Erwerb des Sondereigentums ausgelöst wird, ohne daß es einer schuldrechtlichen Übernahme bedürfte (BGHZ 88, 302, 308; 99, 358, 361; vgl. auch BGHZ 73, 145, 148 zu einem Sondernutzungsrecht). Die so erzeugte „Verdinglichung” der Wohnlasten hat eine persönliche Haftung des Sondernachfolgers mit seinem gesamten Vermögen zur Folge (BGHZ 99, 358, 361).
c) Die erhobenen Bedenken gegen einen umfassenden Haftungseintritt des Sondernachfolgers teilt der Senat nicht. Das Gesetz räumt den Wohnungseigentümern grundsätzlich die Freiheit ein, ihre Innenbeziehungen untereinander unter anderem durch Vereinbarungen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG) zu gestalten und zum Inhalt des Sondereigentums zu machen (Senatsbeschl. v. 29. Januar 1993, V ZB 24/92, WM 1993, 656; Bärmann/Pick/Merle vor § 10 Rdn. 12, § 10 Rdn. 43; Weitnauer § 10 Rdn. 9, vor § 1 Rdn. 23). Zutreffend geht das vorlegende Gericht davon aus, daß von der gesetzlichen Regelung abweichende Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung nicht schrankenlos getroffen werden können. Unbeachtlich sind Regelungen, in denen von zwingenden Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes abgewichen wird, die gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen oder die Schranken der §§ 138, 134, 315 BGB überschreiten (BGHZ 99, 90, 95; BayObLG Rpfleger 1974, 400; 1972, 553; OLG Düsseldorf DNotZ 1973, 552; Bärmann/Pick/Merle § 10 Rdn. 53, vor § 10 Rdn. 13 f.; Weitnauer § 10 Rdn. 10, § 7 Rdn. 10 g, h).
aa) Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts sind auch Bestimmungen unzulässig, die gegen die „zwingenden und unverzichtbaren Prinzipien des Sachenrechts”, den „Typenzwang” oder die „Typenfixierung” verstießen, wie dies bei der Haftungsregelung der Fall sei. Richtig ist, daß die möglichen dinglichen Rechte und ihr Inhalt im Sachenrecht grundsätzlich erschöpfend dargestellt sind und deshalb die Teilnehmer am Rechtsverkehr nur in den gesetzlich abgesteckten Grenzen wirksam rechtsgeschäftlich handeln können (RGZ 88, 160). Die mit dem Typenzwang des Sachenrechts nur allgemein charakterisierte Begrenzung rechtsgeschäftlicher Gestaltungsbefugnis wirkt aber nicht, soweit gesetzliche Regelungen positive Gestaltungsmöglichkeiten einräumen. Insoweit eröffnet das Wohnungseigentumsgesetz die Möglichkeit, gemäß §§ 5 Abs. 4 und 10 Abs. 2 WEG den Inhalt des (Sonder-) Eigentums verbindlich zu gestalten. Der Gesetzgeber hat sich bewußt für diese Möglichkeit entschieden. Die Gestaltungsmacht der Wohnungseigentümer ist deshalb nicht beschränkt durch die Ausgestaltung im einzelnen der im Gesetz vorgesehenen dinglichen Rechte. Die Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer über den Inhalt des Sondereigentums stellt im übrigen keinen Fremdkörper im Sachenrecht dar. Sie findet sich auch in gewissem Umfang in der Erbbaurechtsverordnung vom 15. Januar 1919 in den Grenzen ihres § 2. Ebenso vermögen Bruchteilseigentümer gemäß § 1010 BGB „Belastungen eigener Art” schaffen, die keinem der sonst im BGB vorkommenden Typen von dinglichen Rechten entsprechen (BayObLGZ 1973, 84/88; OLG Hamm DNotZ 1973, 546, 548). Auch das Wohnungseigentumsgesetz erweitert bewußt die Möglichkeiten der rechtlichen Gestaltung im Rahmen der Grundsätze des Sachenrechts. Es gibt deswegen entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts keine – verdeckte – Regelungslücke, die über eine einschränkende Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut geschlossen werden könnte.
bb) Die Haftungserstreckung für Wohngeldrückstände in einer ins Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung verstößt auch nicht gegen das Verbot des Vertrags zu Lasten Dritter. Mit der Aufnahme einer Haftungsklausel wird nicht unmittelbar die Verpflichtung des rechtsgeschäftlichen Erwerbers begründet, sondern dies erfordert zusätzlich den willentlichen Erwerb des Wohnungseigentums, zu dessen Inhalt die dinglich wirkende Vereinbarung zählt. Die Wirkung gemeinschaftsbezogener Regelungen gegen den Sondernachfolger ist in § 10 Abs. 2 und 3 WEG vorgesehen und damit die Zulässigkeit (rechtsgeschäftlicher) Belastung künftiger Wohnungseigentümer vorausgesetzt.
Die Vereinbarung einer Erwerberhaftung verstößt auch nicht deshalb gegen das Verbot eines Vertrages zu Lasten Dritter, weil bestehende Gläubigerrechte hinsichtlich des Wohnungseigentums, wie die der Grundpfandgläubiger, betroffen würden (Röll, DNotZ 1986, 130, 132; offen gelassen BayObLGZ 1984, 198, 204). Denn es geht nicht um die – unzulässige – Begründung einer schuldrechtlichen Pflicht eines Dritten, wie sie mit der Rechtsfigur eines Vertrages zu Lasten Dritter umschrieben wird. Die Grundpfandgläubiger haben nur das Recht zur Befriedigung durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück (§§ 1147, 1191 Abs. 2 BGB), mithin nach Maßgabe des ZVG (§ 869 ZPO). Dieses Verwertungsrecht wird aber nicht berührt, da auch die in Rede stehende Regelung den Erwerb durch einen Ersteher in der Zwangsversteigerung nicht erfassen würde (BGHZ 88, 302 ff; 99, 358 ff). Die Haftung bei rechtsgeschäftlicher Veräußerung kommt allenfalls einer unbegrenzten und die Verwertbarkeit beeinträchtigenden Vorlast gleich (BGHZ 88, 302, 308; 99, 358, 362; Diester, NJW 1971, 1153, 1156; Röll, NJW 1976, 1473, 1476). Damit würde ein freihändiger Verkauf zur Abwendung der Zwangsversteigerung möglicherweise erschwert, jedoch nicht in das rechtlich geschützte Interesse der Grundpfandgläubiger eingegriffen.
cc) Ein gesetzliches Verbot einer rechtsgeschäftlich begründeten unbeschränkten Haftung ist den vom vorlegenden Gericht hervorgehobenen Tatbeständen eines gesetzlich vorgesehenen Schuldbeitritts gemäß § 419 BGB und § 25 HGB nicht zu entnehmen.
dd) Die vom teilenden Eigentümer einseitig gesetzte Gemeinschaftsordnung unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB (BGHZ 99, 90, 94; BayObLGZ 1988, 287, 291; Weitnauer § 7 Rdn. 10 g; Bärmann/Pick/Merle § 8 Rdn. 16). Ihre Verbindlichkeit muß grundsätzlich gegenüber allen Wohnungseigentümern einheitlich beurteilt werden (BGHZ 99, 90, 96). Das bedingt, daß ebenso wie bei der Prüfung allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Hintanstellung der Besonderheiten des Einzelfalles eine generalisierende Betrachtungsweise gewählt werden muß, die auf den typischerweise zu erwartenden Interessenkonflikt in dem geregelten Bereich abstellt. Auch insoweit bestehen aber gegen die Verbindlichkeit der Regelung keine Bedenken.
Ein Verstoß gegen Treu und Glauben läßt sich nicht mit der Überlegung des vorlegenden Gerichts begründen, bei einer verdinglichten, unbegrenzten Haftung für Rückstände an Wohngeld wäre bereits hochbelastetes Wohnungseigentum nicht mehr verkehrsfähig und werde damit „ausgehöhlt”. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, daß es aufgrund einer Haftungsklausel dazu kommen kann, daß sich kein rechtsgeschäftlicher Erwerber findet, weil die Belastungen den Wert des Wohnungseigentums überschreiten. Doch mag dieses im Einzelfall auftauchende praktische Problem zwar die Zweckmäßigkeit einer solchen Regel in Frage stellen, nicht aber deren rechtliche Zulässigkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Interesse des Wohnungseigentümers keinen Schutz verdient, denn die Belastung beruht auf seinem gemeinschaftswidrigen Verhalten (Nichtzahlung des fälligen Wohngeldes). Den Wohnungseigentümern hingegen, die Interesse haben können, daß ein Wechsel im Wohnungseigentum ermöglicht wird, ist es unbenommen, die Verkehrsfähigkeit individuell durch Freistellung des Erwerbsinteressenten von der Haftung wiederherzustellen, um nicht weitere Nachteile durch den Nichtzahler zu erleiden. Letztlich ist mangels Gültigkeit einer Haftungsklausel für den Fall der Zwangsversteigerung jedenfalls die Verkehrsfähigkeit insoweit gewährleistet.
Allerdings können die Wohnungseigentümer gehalten sein, eine im typischen Anwendungsbereich wegen des generalisierenden Prüfungsmaßstabes nicht zu beanstandende Regelung bei einer atypischen Konstellation aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht anzuwenden, weil dies dem Betroffenen im Einzelfall unzumutbar wäre (Senatsbeschl. v. 29. Januar 1993, V ZB 24/92, WM 1993, 656; OLG Karlsruhe OLGZ 1976, 273, 275; Weitnauer § 7 Rdn. 10 g). Insoweit weist der vorliegende Fall die Besonderheit auf, daß der Antragsgegner zwar das mit dem Miteigentumsanteil verbundene Sondereigentum an der Wohnung ungeschmälert übernommen hat, jedoch die dem Voreigentümer zustehende Miteigentumsquote vermindert und das an den Räumen im Erdgeschoß bestehende, den Inhalt des Sondereigentums mitprägende Sondernutzungsrecht (§ 5 Abs. 4 WEG) vor dem Eigentumserwerb durch den Antragsgegner abgetrennt wurde. Diese Situation berücksichtigt die Gemeinschaftsordnung nicht. Die Regelung der Gemeinschaftsordnung stellt lediglich auf den Erwerb des „Raumeigentums”, also das das Wohnungseigentum typisch kennzeichnende Sondereigentum an Räumen ab. Für eine einschränkende Auslegung ist angesichts dessen kein Raum. Dies hat zur Folge, daß der Erwerber, obwohl sein erworbenes Nutzungsrecht geringer und auch seine Pflicht zur Lasten- und Kostentragung gemäß § 16 Abs. 2 WEG – soweit an der Miteigentumsquote orientiert – in der Zukunft im Vergleich zur Last des Voreigentümers entsprechend vermindert sein könnte, dennoch für Rückstände an Wohngeld aufkommen muß, die sich nach dem größeren Umfang des Wohnungseigentums des Voreigentümers bemessen. Indes belastet dies den Antragsgegner nicht unzumutbar, denn die Erwägungen, die die Regelung generell als vertretbares Ergebnis einer Interessenabwägung ansehen lassen, werden durch die Verringerung des Miteigentumsanteils und die Ablösung des Sondernutzungsrechtes nicht entscheidend beeinflußt. Wie im Fall der Veräußerung des Wohneigentums in ungeschmälertem Umfang besteht das Interesse der Wohnungseigentümer, Rückstände eines ausscheidenden Wohneigentümers abzusichern und dem Erwerber aufzubürden, der an seiner Stelle eintritt. Wie beim Erwerb des vollen Wohnungseigentums kann der Erwerber sich über die Rückstände verläßlich Auskunft verschaffen und im Veräußerungsvertrag absichern. Es ist deshalb nicht treuwidrig, wenn die Wohnungseigentümer auf Einhaltung der Regelung bestehen.
ee) Da die Erwerberhaftungsklausel schon der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB standhält, kommt ihre Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nicht in Betracht (Palandt/Heinrichs § 242 Rdn. 19).
5. Nach alledem ist die weitere Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen:
a) Der Eigentümerbeschluß vom 4. Mai 1991 über die Jahresabrechnung 1990 ist bestandskräftig geworden (§§ 23 Abs. 4, 28 Abs. 5, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG; BGHZ 54, 65, 69; 73, 302, 307; 74, 258, 267), weil der Antragsgegner die Anfechtungsfrist versäumt und die Zurückweisung seiner Anträge auf Ungültigerklärung und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch das Landgericht nicht weiter angegriffen hat. Aufgrund der Feststellung des Landgerichts, daß die Jahresabrechnung und die Einzelabrechnungen für 1990 am 4. Mai 1991 beschlossen worden sind ist davon auszugehen, daß für 1990 eine Beitragspflicht des Antragsgegners von – unter Berücksichtigung einer Gutschrift von 100,06 DM – 6.599,09 DM bestand, worauf er 9.697,73 DM geleistet hat. Unschädlich ist, daß in der Einzelabrechnung für die Wohnung nicht der Antragsgegner, sondern – in Unkenntnis der erfolgten Eigentums Umschreibung – noch der Voreigentümer genannt ist, da für alle Beteiligten erkennbar die Abrechnung für die Wohnung bestimmt war und zudem die Verpflichtung des ausgeschiedenen Voreigentümers ein unzulässiger Gesamtakt zu Lasten eines Dritten gewesen wäre (BGHZ 104, 197, 203; OLG Düsseldorf WuM 1991, 623; vgl. aber für einen Sonderfall auch BayObLG WE 1989, 222 f). Demgegenüber ist die Behauptung des Antragsgegners unerheblich, die Abrechnung sei fehlerhaft, weil in der Einzelabrechnung zu Unrecht Beträge von 726 DM (angebliche Kosten wegen eines Verfahrens gegen den Voreigentümer) und 163,02 DM (angebliche Reparaturkosten für Garage des Voreigentümers) aufgenommen worden seien. Denn auch eine fehlerhafte, aber bestandskräftig beschlossene Jahres- und Einzelabrechnung ist verbindlich (OLG Düsseldorf WuM 1991, 623 m. Anm. Drasdo und WE 1990, 104; BayObLG WE 1985, 123 f; 1986, 89; BayObLGZ 1984, 257, 25; 1977, 89, 91; KG WE 1985, 126; OLG Frankfurt OLGZ 1979, 136, 197; Weitnauer § 23 Rdn. 6).
b) Durch den ebenfalls bestandskräftig gewordenen Beschluß der Eigentümer über die Jahresabrechnung 1989 vom 7. April 1990 ist der Wohngeldrückstand des Voreigentümers bestandskräftig festgestellt, der sich unter Anrechnung der vom Antragsgegner 1989 geleisteten 1.546,08 DM auf 24.797,01 DM belief. Es ist deshalb unerheblich, daß der Antragsgegner wegen mangelnder Aufschlüsselung die Richtigkeit der Endsumme nunmehr in Zweifel zieht.
Demgemäß stehen den Antragstellern unter Berücksichtigung der auf den Antragsgegner entfallenden Überzahlung von 3.098,64 DM noch 21.698,37 DM zu. Diese sind ab Zustellung des Antrags nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG ab 1. August 1991 mit 4 % zu verzinsen (§§ 284 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1, 291 BGB).
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG, die Festsetzung des Geschäftswertes aus § 48 Abs. 2 WEG.
Unterschriften
H, V, W, T, Sch
Fundstellen
Haufe-Index 513529 |
NJW 1994, 2950 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1995, 42 |
JZ 1995, 102 |