Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 23.08.2019; Aktenzeichen 4410 Js 12880/19 6 KLs) |
Tenor
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 23. August 2019 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts merkt der Senat an:
Die rechtliche Bewertung der Tat II. Fall 1 der Urteilsgründe als versuchter gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr gemäß § 315 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist nicht zu beanstanden.
1. Nach den Feststellungen betrat der Beschuldigte im Hauptbahnhof von M. vom Bahnsteig 4 aus das Gleisbett der Gleise 3 und 4, um auf diesem Weg den Bahnsteig 3 und den dort gerade mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h einfahrenden Personenzug zu erreichen. Der Angeklagte nahm dabei billigend in Kauf, dass sich Personen in dem sich nähernden Zug aufgrund der notwendigen Bremsung verletzen könnten. Der Lokführer des Zuges gab aufgrund des im Gleisbett befindlichen Beschuldigten einen Achtungspfiff ab und führte bei einer Geschwindigkeit von etwa 50 km/h eine Schnellbremsung mit Sandung bis zum Stillstand des Zuges durch. Ob sich bei der Bremsung Personen im Zug verletzten, konnte nicht festgestellt werden.
2. Unter einem Hindernisbereiten im Sinne des § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist jede Einwirkung im Verkehrsraum zu verstehen, die geeignet ist, den reibungslosen Verkehrsablauf zu hemmen oder zu verzögern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 1954 – 4 StR 329/54, BGHSt 6, 219, 224; vom 14. Januar 1959 – 4 StR 464/58, BGHSt 13, 66, 69; zu § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB vgl. BGH, Urteil vom 31. August 1995 – 4 StR 283/95, BGHSt 41, 231, 234). Tatbestandlich erfasst werden auch solche Einwirkungen, die erst durch die psychisch vermittelte Reaktion des Fahrzeugführers zu einer Beeinträchtigung des Verkehrsablaufs führen, etwa weil sie Brems- oder Ausweichvorgänge mit den damit verbundenen Gefahren zur Folge haben. Daher handelt es sich bei einem auf den Gleisen befindlichen Menschen um ein Hindernis im Sinne des § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB (vgl. OLG Oldenburg, NStZ 2005, 387; König in LK-StGB, 12. Aufl., § 315 Rn. 35; Pegel in MK-StGB, 3. Aufl., § 315 Rn. 43 mwN; Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 315 Rn. 11; Ernemann in Satzger/ Schluckebier/Widmaier, StGB, 4. Aufl., § 315 Rn. 10; zu § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB vgl. BGH, Urteil vom 31. August 1995 – 4 StR 283/95, aaO, S. 235; Beschluss vom 13. Juni 2006 – 4 StR 123/06, NStZ 2007, 34, 35).
Ob ein Hindernisbereiten schon dann vorliegt, wenn die das Gleisbett querende Person die von dem Schienenfahrzeug genutzten Gleise noch nicht erreicht hat, kann dahinstehen (vgl. zum Streitstand König, aaO, Rn. 35a und Pegel, aaO, Rn. 43 jeweils mwN). In dieser Konstellation ist jedenfalls – wie vom Landgericht angenommen – ein ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff gemäß § 315 Abs. 1 Nr. 4 StGB gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 1959 – 4 StR 464/58, aaO).
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, RiBGH Cierniak ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible, Bender, Rommel
Fundstellen
Haufe-Index 13792060 |
NStZ-RR 2020, 183 |
SVR 2021, 256 |
StV 2020, 607 |