Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 05.04.2019; Aktenzeichen 91 Js 36/18 104 Ks 4/19)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 5. April 2019 aufgehoben

  1. im Ausspruch über die Einzelstrafe zur Tat zum Nachteil des Nebenklägers R.,
  2. im Gesamtstrafenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt sowie Adhäsionsentscheidungen getroffen.

Rz. 2

Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Rz. 3

1. Die Verfahrensbeanstandung bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.

Rz. 4

2. Während die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, kann der Ausspruch über die Einzelstrafe zu der Tat des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers R. nicht bestehen bleiben.

Rz. 5

a) Die Strafkammer hat insoweit von der Milderung des Strafrahmens nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB abgesehen, „des Weiteren” einen minder schweren Fall gemäß § 213 Var. 3 StGB verneint, die Strafe dem Regelstrafrahmen des § 212 StGB entnommen und eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren verhängt.

Rz. 6

Dabei hat sie die gebotene Prüfungsreihenfolge nicht beachtet, weil sie nicht bedacht hat, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den Fällen, in denen das Gesetz bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und – wie hier gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB – ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben ist, bei der Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen ist, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 16. November 2017 – 2 StR 404/17, juris Rn. 2). Insoweit ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zuerst auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen. Vermögen sie die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind auch die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund begründenden Umstände in die Bewertung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er in seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen.

Rz. 7

b) Der Ausspruch über die Einzelstrafe beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. Zwar ist auf Grund der festgestellten Vollendungsnähe und der Schwere und Folgen der Verletzungen nicht gänzlich fernliegend, dass das Landgericht auch bei zutreffender Prüfungsfolge nicht von einem minder schweren Fall ausgegangen wäre. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Beachtung der dargelegten Grundsätze den gemilderten Strafrahmen angewendet und eine geringere Strafe festgesetzt hätte. Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

Rz. 8

c) Da die von der Strafkammer festgestellten Strafzumessungstatsachen von dem Rechtsfehler nicht berührt werden, können die Feststellungen aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

 

Unterschriften

Franke, Krehl, Grube, Schmidt, Wenske

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14025635

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