Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Urteil vom 07.02.2012) |
Tenor
I.
- Auf die Revision des Angeklagten V. wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 7. Februar 2012, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten V., an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Die weiter gehende Revision des Angeklagten V. wird als unbegründet verworfen.
II.
- Die Revision des Angeklagten R. gegen das genannte Urteil wird als unbegründet verworfen.
- Der Angeklagte R. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten V. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 80 Euro angeordnet. Den Angeklagten R. hat es wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten, soweit sie verurteilt wurden. Das Rechtsmittel des Angeklagten V. führt aufgrund der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen sind sein Rechtsmittel und die Revision des Angeklagten R. aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 21. Juni 2012 genannten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Der Schuldspruch ist auch insoweit rechtsfehlerfrei, als der Angeklagte V. wegen tateinheitlich mit dem Waffendelikt begangenen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde.
Rz. 3
Nach den Feststellungen lagerte er größere Drogenmengen in einer Reisetasche, die er unter einem umgedrehten Schubkarren im Garten, etwa 20 bis 25 Meter von einem Gartenhaus entfernt, aufbewahrte. Im Wohnzimmer des Gartenhauses portionierte er kleine Verkaufsmengen und veräußerte diese dort an Konsumenten. Im gleichen Zimmer hatte er in einem Hängeschrank eine geladene Schrotflinte zur Verfügung. Bei dieser Sachlage ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von einem Verbrechen nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ausgegangen ist.
Rz. 4
Ein Mitsichführen der Schusswaffe liegt vor, wenn der Täter diese bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann. Am eigenen Körper muss die Waffe nicht getragen werden; es genügt, wenn sie sich – wie hier – beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Griffweite befindet (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 StR 203/10, StV 2010, 686 f.; Beschluss vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, StV 2012, 523 f.).
Rz. 5
Der Anwendung des Qualifikationstatbestands steht die Tatsache nicht entgegen, dass die Einzelakte der Portionierung und Veräußerung von Drogen durch den Angeklagten, bei denen die Schusswaffe für ihn in Griffweite war, nur geringe Betäubungsmittelmengen betrafen. Setzt sich die Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus mehreren Einzelakten zusammen, so reicht es zur Tatbestandserfüllung des bewaffneten Handeltreibens aus, wenn der qualifizierende Umstand nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist (BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 10; Urteil vom 21. September 2011 – 2 StR 286/11, StV 2012, 411). Dies ist auch dann der Fall, wenn es dabei um die Veräußerung einer geringen Menge aus einem außerhalb des unmittelbaren Bereichs der Möglichkeiten zum Zugriff auf die Schusswaffe gelagerten Betäubungsmittelvorrat geht, der hinsichtlich des Handeltreibens eine Bewertungseinheit darstellt. Der Wortlaut des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gestattet dessen Anwendung auf diesen Fall (vgl. BGHSt 42, 123, 127 f.) und der Schutzzweck der Norm erstreckt sich darauf.
Rz. 6
Grund für die erhöhte Strafandrohung ist die besondere Gefährlichkeit von Delikten der Betäubungsmittelkriminalität, bei denen der Täter eine Waffe bei sich führt. Bei Drogengeschäften, die sich auf eine nicht geringe Menge von Betäubungsmitteln beziehen, ist stets damit zu rechnen, dass ein bewaffneter Täter seine Interessen, insbesondere an der Besitzerhaltung oder an dem Erwerb von Drogen oder Geld rücksichtslos durchsetzt, indem er von der Waffe Gebrauch macht (vgl. BT-Drucks. 12/6853, S. 41; BGH, Urteil vom 15. November 2007 – 4 StR 435/07, BGHSt 52, 89, 94). Insoweit folgt auch bei dem gesonderten Vorrätighalten der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln zum Verkauf ein erhöhtes Risiko von Situationen, in denen die Waffe zum Einsatz kommen könnte, obwohl der aktuelle Teilakt des Betäubungsmittelhandels in Griffnähe der Schusswaffe nur eine geringe Teilmenge betrifft. Eine einschränkende Auslegung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG dahin, dass der Täter die Schusswaffe und eine nicht geringe Menge der Betäubungsmittel zugleich verfügbar haben muss, ist hier nicht geboten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 1999 – 3 StR 372/98, NJW 1999, 3206, 3207).
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 7
Jedoch kann der Strafausspruch gegen den Angeklagten V. nicht bestehen bleiben.
Rz. 8
Das Landgericht hat die Strafe aus dem nach §§ 46b Abs. 1 Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Normalstrafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG im Fall 1 beziehungsweise des § 30a Abs. 2 BtMG im Fall 2 gebildet. Es hat – anders als im Fall des Angeklagten R., der zwar nur Gehilfe war, aber einen erheblichen Beitrag geleistet hat und zur Tatzeit vielfach vorbestraft war – nicht in Betracht gezogen, ob bei dem Angeklagten V. ein minder schwerer Fall nach § 30 Abs. 2 BtMG (Fall 1) beziehungsweise nach § 30a Abs. 3 BtMG (Fall 2) anzunehmen ist. Das könnte – unbeschadet der Drogenmengen – schon mit Blick darauf in Frage kommen, dass der vertypte Milderungsgrund nach § 46b StGB wegen Aufklärungshilfe in einem Strafverfahren wegen Verdachts des Mordes bejaht wurde. Diese wäre bei der Strafrahmenbestimmung in einer Gesamtschau aller bestimmenden Umstände zu berücksichtigen gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2010 – 3 StR 403/10, wistra 2011, 99).
Rz. 9
Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch auf diesem Erörterungsmangel beruht.
Unterschriften
Becker, Fischer, Schmitt, Berger, Eschelbach
Fundstellen