Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 29. Februar 2024
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch haben die zugehörigen Feststellungen Bestand.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen „bewaffneten Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen in Tatmehrheit mit unerlaubtem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, bei allen vier Taten in Tateinheit mit“ einem Waffendelikt, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Auf die Revision des Angeklagten stellte der Senat das Verfahren hinsichtlich dreier Fälle ein, änderte den Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig ist, und hob Strafausspruch sowie Einziehungsentscheidung auf (Beschluss vom 14. November 2023 - 6 StR 345/23, NStZ-RR 2024, 81). Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Der Schuldspruch ist zu ändern. Am 1. April 2024 ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 109; Konsumcannabisgesetz - KCanG) in Kraft getreten. Dies ist vom Revisionsgericht bei der Überprüfung des Strafausspruchs nach § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen.
Rz. 3
a) Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, welches anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1964 - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75; vom 8. August 2022 - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 mwN). Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt, etwa ein gesetzlich geregelter besonders oder minder schwerer Fall angenommen wird, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juli 2014 - 3 StR 314/13, wistra 2014, 446; vom 28. Februar 2018 - 2 StR 45/17, Rn. 14 mwN).
Rz. 4
b) Daran gemessen erweist sich hier das Konsumcannabisgesetz als das mildere Gesetz.
Rz. 5
aa) Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bewertet, insoweit einen minder schweren Fall angenommen und den Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG wegen des vertypten Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe (§ 31 BtMG) verschoben, sodass es - unter Ablehnung einer Sperrwirkung des § 29a Abs. 2 BtMG - einen Strafrahmen von einem Monat bis zu sieben Jahren und sechs Monaten zugrunde gelegt hat. Da sich die Tathandlung auf Cannabis im Sinne des inzwischen geltenden § 1 Nr. 8 KCanG bezog, kommt nunmehr eine Strafbarkeit wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis in Betracht, das mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen von drei Monaten bis zu fünf Jahren, zu ahnden ist (§ 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG). Eine nicht geringe Menge Cannabis ist eingedenk der auch für das Konsumcannabisgesetz geltenden Wirkstoffmenge von 7,5 g THC gegeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24; vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24; vom 15. Mai 2024 - 6 StR 73/24; vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24).
Rz. 6
bb) Vor dem Hintergrund der zahlreichen gewichtigen Milderungsgründe schließt der Senat aus, dass das Landgericht den Regelstrafrahmen des § 34 Abs. 4 KCanG angewendet hätte. Insbesondere hat die Strafkammer dem - im Rahmen des § 34 KCanG bedeutungslosen (siehe BT-Drucks. 20/8704, S. 130; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24) - Umstand, dass es sich um eine weiche Droge mit geringerer Gefährlichkeit handelt, keine vorrangige Bedeutung beigemessen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. April 2024 - 6 StR 536/23).
Rz. 7
cc) Der Angeklagte hat sich deshalb des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge nach § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG strafbar gemacht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.
Rz. 8
c) Die Rechtskraft des Schuldspruchs steht dem nicht entgegen.
Rz. 9
aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass das Revisionsgericht eine nach der Entscheidung des Tatgerichts eingetretene, das angewendete Strafgesetz mildernde Gesetzesänderung trotz Rechtskraft des Schuldspruchs jedenfalls zu berücksichtigen hat, wenn nur die Strafandrohung gemildert worden oder die Strafbarkeit entfallen ist (vgl. BGH, Urteile vom 1. Dezember 1964 - 3 StR 35/64, BGHSt 20, 116, 118; vom 19. März 1974 - 1 StR 37/74).
Rz. 10
bb) Durch das Konsumcannabisgesetz ist der Tatbestand des Handeltreibens unverändert geblieben. Die Tathandlungen nach § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des BtMG angelehnt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94). Hinsichtlich der in § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG beschriebenen Tathandlung des „Handeltreibens“ hat der Gesetzgeber darüber hinaus auf die hierzu ergangene Rechtsprechung ausdrücklich Bezug genommen (vgl. BT-Drucks. aaO). Deshalb sind die zu den in §§ 29 ff. BtMG unter Strafe gestellten Handlungsformen entwickelten Grundsätze auf § 34 Abs. 1 KCanG zu übertragen. Das bewaffnete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist für Cannabis (vgl. § 1 Nr. 4 KCanG) nun in den Gesetzeskatalog des § 34 Abs. 4 KCanG aufgenommen und im Gleichlauf mit dem Betäubungsmittelgesetz als Qualifikationstatbestand ausgestaltet worden (BT-Drucks. aaO, S. 132). Wird damit aber - wie hier - maßgeblich nur die Strafandrohung gemildert, so hat das Revisionsgericht die Gesetzesänderung trotz Teilrechtskraft nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1964 - 3 StR 35/64, BGHSt 20, 116, 118; Beschlüsse vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216; vom 29. April 2024 - 6 StR 117/24).
Rz. 11
2. Vor diesem Hintergrund hat der Strafausspruch keinen Bestand. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des milderen Gesetzes eine niedrigere Strafe verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Hingegen können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen aufrechterhalten werden (§ 353 Abs. 2 StPO).
Tiemann |
|
Wenske |
|
von Schmettau |
|
Arnoldi |
|
Gödicke |
|
Fundstellen
Dokument-Index HI16469833 |