Entscheidungsstichwort (Thema)
sexuelle Nötigung
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 31. März 2000 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zum Vorbringen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Beide Angeklagte rügen, daß sie bei den Entscheidungen, den Zeugen N., der als Neffe des Angeklagten von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO Gebrauch gemacht hatte, gemäß § 61 Nr. 5 StPO unvereidigt zu lassen und diesen Zeugen zu entlassen, nicht anwesend gewesen seien.
Der Senat entnimmt jedoch der Niederschrift der Hauptverhandlung (SB III, Bl. 455, 456), daß die Entscheidungen über die (Nicht-)Vereidigung des Zeugen und dessen Entlassung als nur vorläufig angesehen, den Angeklagten mitgeteilt und von ihnen gebilligt wurden. Ein solches Vorgehen ist unbeschadet der Frage nach seiner Zweckmäßigkeit – rechtlich nicht zu beanstanden (vgl., BGH, Beschluß vom 21. September 1999 – 1 StR 253/99).
Abgesehen davon spricht aber auch unter den gegebenen Umständen, insbesondere nachdem die Angeklagten nach ihrer Unterrichtung über den Ablauf der Vernehmung davon abgesehen haben, Erklärungen abzugeben, hier nichts dafür, daß es sich bei den genannten Entscheidungen um wesentliche Teile der Hauptverhandlung gehandelt haben könnte (vgl. BGH, Beschluß vom 10. August 1995 – 5 StR 272/95).
2. Der Angeklagte M. J. rügt, daß über einen Beweisantrag auf Vernehmung seines Stiefsohnes R. nicht entschieden worden sei. Dem liegt folgendes zu Grunde: Der Angeklagten Ma. J. lagen auch (von der Revision nicht näher dargelegte) „Übergriffe” zum Nachteil ihres – ausweislich der Urteilsgründe inzwischen wieder in Jugoslawien lebenden – Sohnes R. zur Last (Anklagepunkte VII und VIII). Die Verteidigung der Angeklagten Ma. J. hatte die Vernehmung von R. zum Beweise dafür beantragt, daß sich die genannten Übergriffe nicht ereignet hätten. Wie die Revision vorträgt, schloß sich der Angeklagte diesem Beweisantrag an, da „die Zeugeneinvernahme des R. auch hinsichtlich der Anklagepunkte I, II, III und IV sowie V von erheblicher Bedeutung erschien”. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung wurde das Verfahren hinsichtlich der Anklagepunkte VII und VIII gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Eine Entscheidung über den Beweisantrag erging nicht. Die Revision macht in diesem Zusammenhang auch geltend, es sei nicht ausgeschlossen, daß der Zeuge „im Hinblick auf den Angeklagten … weitere nicht unter die Tatkomplexe VII – VIII … fallende Aussagen gemacht hätte, die die restlichen Tatvorwürfe in einem anderen Licht hätten erscheinen lassen”.
a) Die unterbliebene Bescheidung eines Beweisantrags, mit dem Behauptungen in das Wissen eines Zeugen gestellt werden, die sich auf (später) gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellte Verfahrensteile beziehen, gefährdet den Bestand des Urteils nur dann, wenn nicht auszuschließen ist, daß die den Beweisbehauptungen entsprechenden Aussagen des Zeugen (mittelbar) auch auf die Urteilsfeststellungen Einfluß hätten haben können (vgl. BGH StV 1982, 4; StV 1999, 636). Ob dies hier der Fall sein könnte, kann der Senat jedoch nicht prüfen, da die Revision entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO schon nichts zu den der Angeklagten Ma. J. zur Last liegenden und von R. nach den Beweisbehauptungen zu entkräftenden Vorwürfen hinsichtlich des R. mitteilt. Auch die ergänzend heranzuziehenen Urteilsgründe (vgl. BGHSt 36, 384, 385) ergeben hierzu nichts.
b) Mit dem Vorbringen, ein Zeuge, in dessen Wissen in einem Beweisantrag bestimmte Behauptungen gestellt wurden, hätte – unabhängig von den Beweisbehauptungen – deshalb vernommen werden müssen, weil von ihm noch andere Aussagen zu erwarten gewesen wären, wird im Ergebnis eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gerügt. Auch insoweit fehlt es jedoch schon an dem erforderlichen Vortrag, welche konkreten Aussagen von dem Zeugen zu erwarten gewesen wären. Die Urteilsgründe ersetzen das fehlende Vorbringen (vgl. oben 2 a) auch insoweit nicht: Danach haben die Angeklagten (im Ermittlungsverfahren; in der Hauptverhandlung machten sie keine Angaben) sowohl Tätlichkeiten an als auch sexuelle Handlungen mit der Geschädigten – der im Tatzeitraum 15 und 16 Jahre alten V. Ra., Tochter des Angeklagten M. J., Stieftochter der Angeklagten Ma. J. – eingeräumt. Bestritten wurde lediglich, daß die Geschädigte die sexuellen Handlungen wegen ihrer Mißhandlungen geduldet habe; vielmehr habe sie ständig sexuellen Verkehr mit dem Angeklagten verlangt. Dieser hat geltend gemacht, „eigentlich habe seine Tochter ihn vergewaltigt”. R. hat ausweislich der Urteilsfeststellungen gegenüber der Zeugin Ml. geäußert, „es sei traurig, was die” – gemeint waren damit die Angeklagten – „mit V. machen, daß sie sie so prügeln”. Weder daraus noch sonst ergeben sich aber Anhaltspunkte dafür, daß er von den sexuellen Handlungen überhaupt Kenntnis hatte und insbesondere hätte bestätigen können, daß sie in keinem Zusammenhang mit den (von den Angeklagten im Kern eingeräumten und auch anderweitig vielfältig belegten) Mißhandlungen der Geschädigten standen.
Unterschriften
Granderath, Nack, Wahl, Schluckebier, Kolz
Fundstellen