Leitsatz (amtlich)
a) Die Kartellbehörde kann nach Untersuchung der konkreten Verhältnisse auf einem Markt (hier: Lebensmittelhandel) Schwellenwerte festsetzen, bei deren Erreichen die – von dem nachfragemächtigen Unternehmen zu widerlegende – Vermutung begründet ist, daß seine Vertragspartner kleine oder mittlere und von ihm abhängige Unternehmen sind. Dabei steht eine nachfragebedingte Abhängigkeit eines Unternehmens nicht schlechthin einer unternehmensbedingten Abhängigkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.1993 – KVR 25/91, WuW/E 2875 ff. – Herstellerleasing) gleich.
b) Es stellt eine Vorzugsbedingung im Sinne von § 20 Abs. 3 GWB dar, wenn ein nachfragestarkes Unternehmen nach einer Fusion, ohne daß dafür zivilrechtlich eine Handhabe besteht, seine Lieferanten veranlaßt, sich mit einer rückwirkenden, sie schlechter stellenden Konditionenanpassung einverstanden zu erklären und entsprechende Ausgleichszahlungen zu leisten. Ein solches Vorgehen begründet die – von dem nachfragestarken Unternehmen zu widerlegende – Vermutung, daß für die Einräumung dieses Vorteils sachlich gerechtfertigte Gründe nicht bestehen.
Normenkette
GWB § 20 Abs. 3 i.V.m, Abs. 2, § 32
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts gegen den Beschluß des Kammergerichts vom 29. November 2000 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Aufhebung von Nr. 1 der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts vom 26. Februar 1999 richtet.
Im übrigen wird der genannte Beschluß vom 29. November 2000 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 511.291,88 EUR (= 1 Mio. DM) festgesetzt.
Tatbestand
A.
Die betroffene GmbH besorgt als 100%ige Tochter des Metro-Konzerns den Einkauf für die Konzerngesellschaften. In dieser Eigenschaft hatte sie auch für das Jahr 1998 mit einer Reihe von Lieferanten Rahmen- oder Jahresvereinbarungen getroffen, die Grundlage des Leistungsaustausches sein sollten; die Preise für die einzelnen Produkte werden erst im Laufe des jeweiligen Jahres unter Berücksichtigung der aktuellen Marktlage festgelegt. Im Jahr 1997 erzielte die Metro-Gruppe, die zu den größten europäischen Handelsunternehmen gehört, einen Inlandsumsatz von mehr als 50 Mrd. DM. Außer im Abholgroßhandel ist der Konzern auch im Einzelhandel, und zwar schwerpunktmäßig auf Großverkaufsflächen, mit Konsum- und Gebrauchsgütern tätig. Allein im sog. Food-Bereich lag 1997 der Umsatz im Inland bei etwa 21,6 Mrd. DM, fast 70% davon entfiel auf den Einzelhandel, der Rest wurde im Großhandel erzielt.
Unter dem Vorbehalt kartellbehördlicher Genehmigung übernahm der Metro-Konzern die allkauf-Gruppe mit Wirkung zum 1. Januar 1998. Diese Unternehmensgruppe hatte ihren Tätigkeitsschwerpunkt im SB-Warenhausgeschäft; der Umsatz im inländischen Lebensmitteleinzelhandel lag 1997 bei rund 3 Mrd. DM. Nach Freigabe des Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt am 22. Juni 1998 wurde der Übergang von den Unternehmen alsbald vollzogen.
Die Betroffene, die durch den Zusammenschluß näheren Aufschluß über die Lieferantenstruktur der übernommenen Unternehmensgruppe erhielt, stellte fest, daß dieselben Lieferanten sowohl allkauf als auch die Gesellschaften des Metro-Konzerns mit Waren versahen, daß aber dem Nachfrager in dem einen oder in dem anderen Fall offensichtlich günstigere Konditionen eingeräumt worden waren. Das nahm sie zum Anlaß, an diese Lieferanten heranzutreten, sie mit Hilfe ihnen übersandter Formblätter um die Auflistung der Vergleichsdaten zu bitten und von ihnen, rückwirkend auf den 1. Januar 1998, eine Konditionenangleichung auf das für die Einkäufer jeweils günstigere Niveau zu fordern. Aufgrund der in diesem Zusammenhang getroffenen neuen Vereinbarungen – sie sind in ihrer Ausgestaltung abhängig vom Geschäftsvolumen und der jeweiligen „Konditionendifferenz” – waren die Lieferanten zu im einzelnen ausgehandelten Ausgleichszahlungen an die Metro-Gruppe verpflichtet, soweit sie bis zur Freigabe des Zusammenschlusses – gemessen an den neuen Abreden – zu hohe Vergütungen vereinnahmt hatten. Neben anderen sind 20 Unternehmen aus dem Lebensmittelbereich (einschließlich Körperpflege-, Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln) auf diese Forderung eingegangen und haben vor dem 31. Dezember 1998 die nach den neuen Konditionenvereinbarungen zu leistenden Beträge gezahlt.
Das Bundeskartellamt hat der Betroffenen, gestützt auf § 20 Abs. 2 und 3, § 32 GWB, durch Beschluß vom 26. Februar 1999 untersagt, die genau bezeichneten 20 Unternehmen zu der beschriebenen Konditionenanpassung und zu entsprechenden Ausgleichszahlungen zu veranlassen. Außerdem hat es ihr untersagt, dieselben Unternehmen zu gleichartigen Ausgleichszahlungen anläßlich weiterer Unternehmenskäufe des Metro-Konzerns zu veranlassen (WuW/E DE – V 94).
Es ist der Auffassung, daß es sich bei diesen Lieferanten um kleine oder mittlere Unternehmen handelt, die von der Betroffenen als marktstarker Nachfragerin abhängig sind. Den Schwellenwert, von dem an ein solcher Lieferant sowohl im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern als auch im Verhältnis zur Betroffenen nicht mehr als kleines oder mittleres Unternehmen anzusehen sei, hat das Bundeskartellamt mit 500 Mio. DM Umsatz angesetzt; im horizontalen Vergleich stünden diese Lieferanten nämlich im Wettbewerb zu großen Konzernen mit Jahresumsätzen von teilweise deutlich mehr als 10 Mrd. DM, während sie bei Berücksichtigung des vertikalen Verhältnisses zur Betroffenen und dem Konzern, dem sie angehört, ebenfalls – ungeachtet der absoluten Umsatzzahlen – kleine oder mittlere Unternehmen seien.
Eine Abhängigkeit der genannten Lieferanten von der marktstarken Nachfragerin bestehe bereits dann, wenn der Abnahmeanteil der Betroffenen 7,5% des Gesamtumsatzes dieser Unternehmen ausmache; denn dann bestünden keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten, auf andere Absatzmöglichkeiten auszuweichen. Zu Lasten der Betroffenen, so hat das Bundeskartellamt gemeint, falle dabei ihre hohe Präsenz am Absatzmarkt und der bevorzugte Zugang bestimmter Abnehmergruppen – dazu gehören z.B. Gastwirte und Kleinunternehmer – zu dem alle Vertriebsschienen umfassenden flächendeckenden Verkaufsstellennetz der Metro-Gruppe ins Gewicht. Die Tatsache, daß sich die 20 genannten Unternehmen zu einer ihnen nachteiligen rückwirkenden Konditionenanpassung und dementsprechend zu Ausgleichszahlungen bereit gefunden hätten, indiziere die Abhängigkeit von der nachfragestarken Betroffenen.
Ein sachlich gerechtfertigter Grund für diese rückwirkende Angleichung, die als Einräumung von Vorzugsbedingungen anzusehen sei, bestehe nicht, weil ihr keine besondere Leistung zugrunde liege. Die jeweils für das Folgejahr ausgehandelten Konditionen bildeten vielmehr das leistungsgerechte Marktergebnis ab, das die Betroffene nach dem Zusammenschluß einseitig und rückwirkend zu ihren Gunsten zu ändern suche; im wirtschaftlichen Ergebnis habe das Vorgehen der Betroffenen zur Folge, daß die Lieferanten einen Teil des Preises für die übernommene allkauf-Gruppe zu tragen hätten.
Gegen diesen Beschluß hat die Betroffene Beschwerde eingelegt. Sie hält die gesetzlichen Voraussetzungen für die Untersagungsverfügung für nicht gegeben. Der Vorgang bezüglich der Übernahme der allkauf-Gruppe sei bei Erlaß der Verfügung abgeschlossen gewesen. Damit sei für den ersten Teil der Untersagungsverfügung kein Raum mehr gewesen.
Davon abgesehen habe sich das Bundeskartellamt von unrichtigen rechtlichen Vorstellungen leiten lassen und es versäumt, den Sachverhalt ordnungsgemäß und ohne Verletzung ihres, der Betroffenen, rechtlichen Gehörs zu ermitteln. Der Schwellenwert von 500 Mio. DM Umsatz für die Feststellung, ob ein Lieferant ein kleines oder mittleres Unternehmen sei, sei ebenso unzutreffend gewählt, wie die Umsatzquote von 7,5% nichts über die Abhängigkeit eines Lieferanten von der Metro-Gruppe auszusagen vermöge. Wenn man sich – wie geboten – an die entsprechenden Zahlen der Europäischen Kommission halte, blieben nur sechs Lieferanten übrig, die in die genannte Gruppe fallen könnten. Davon abgesehen, habe das Amt sich nicht einmal an diese selbst gewählten Kriterien gehalten, wie ihre, der Betroffenen, angestellten Recherchen ergeben hätten; schon deswegen sei bei einem Teil der in dem Beschluß genannten 20 Lieferanten für die Untersagung kein Raum. Unzutreffend sei ferner die Annahme des Bundeskartellamts, die genannten Unternehmen hätten keine Ausweichmöglichkeiten, wenn sie von der Metro-Gruppe „ausgelistet” würden; in Wirklichkeit sei die Lage umgekehrt: Metro sei auf die Belieferung angewiesen, wenn sie nicht ihre Marktgeltung bei den Kunden gefährden wolle.
Die einvernehmlich verabredete Konditionenanpassung sei im übrigen ein normaler Vorgang im Zuge einer Unternehmensübernahme; es handele sich weder um die Einräumung von Vorzugsbedingungen, noch seien die von den Lieferanten gewährten Preisnachlässe sachlich nicht gerechtfertigt gewesen, denn die Metro-Gruppe habe rückwirkend ab Januar 1998 auch das wirtschaftliche Risiko des Zusammenschlusses tragen müssen. Verkannt habe das Bundeskartellamt auch, daß es den Lieferanten darum habe gehen müssen, langfristig ihre Geschäftsbeziehungen zu der Metro-Gruppe zu sichern und ihre künftigen Absatzchancen nach dem Zusammenschluß zu stärken. Dieser Zielsetzung wäre die Verweigerung von Verhandlungen über eine Konditionenanpassung und des Abschlusses neuer individueller Vereinbarungen nicht förderlich gewesen. Sie hat auch in Abrede gestellt, daß ihre Konkurrenten nicht ebensolche Konditionen von den genannten Herstellern eingeräumt erhielten, und rügt die insoweit fehlende Klärung des Sachverhalts durch das Bundeskartellamt.
Schließlich gehe die Ansicht des Bundeskartellamts fehl, in der Konditionenanpassung liege ein Verstoß gegen § 14 GWB; die Abreden beträfen ausschließlich das Innenverhältnis von Lieferanten und Gesellschaften der Metro-Gruppe, während die Lieferanten in ihrer Preisgestaltung gegenüber anderen Abnehmern keinerlei Bindungen aus dem Verhältnis mit ihr, der Betroffenen, unterlägen.
Das Beschwerdegericht hat durch den angefochtenen Beschluß die Untersagungsverfügung aufgehoben (WuW/E DE – R 699). Hiergegen richtet sich die – zugelassene – Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts.
Entscheidungsgründe
B.
Die Rechtsbeschwerde ist hinsichtlich des ersten Teils der Untersagungsverfügung nicht begründet und deswegen zurückzuweisen, im übrigen führt sie zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
I.
1. Das Beschwerdegericht hat den ersten Teil der Untersagungsverfügung – sinngemäß – mit der Begründung aufgehoben, für die getroffene Anordnung habe kein Regelungsbedarf mehr bestanden, weil sie sich auf einen in der Vergangenheit vollständig abgeschlossenen Sachverhalt bezogen habe, der einer Regelung für die Zukunft, wie sie dem Wesen der Untersagungsverfügung eigen sei, nicht mehr zugänglich sei.
2. Dies hält im Ergebnis den Angriffen des Rechtsbeschwerdeführers stand. Auch im kartellrechtlichen Untersagungsverfahren ist, wie der Senat verschiedentlich ausgesprochen hat, eine Begehungsgefahr, nämlich die ernste Besorgnis einer drohenden Gesetzesverletzung, Voraussetzung für den Erlaß der Maßnahme (vgl. BGH, Beschl. v. 16.12.1976 – KVR 5/75, WuW/E 1474, 1481 – Architektenkammer; Beschl. v. 18.11.1986 – KVR 1/86, WuW/E 2313 f. – Baumarkt-Statistik; Beschl. v. 7.10.1997 – KVR 16/96, BGHR GWB § 37a Abs. 1 – Begehungsgefahr 1; BGHZ 147, 325, 341 f. – Ost-Fleisch). Von einer drohenden Gesetzesverletzung, der mit einer in die Zukunft gerichteten Untersagungsverfügung begegnet werden muß (vgl. BGH WuW/E 1474, 1481 – Architektenkammer), kann nur dann die Rede sein, wenn das Handeln des Betroffenen sich nicht in einer einmaligen und in der Vergangenheit vollständig abgeschlossenen Vorgehensweise erschöpft, sondern – wie dies z.B. bei Boykott oder Diskriminierungen der Fall sein wird – in die Zukunft wirkt (Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 32 GWB Rdn. 4 und 20 f.).
Eine solche in die Zukunft gerichtete Wirkung hat das der Betroffenen mit Nr. 1 der Verfügung vom 26. Februar 1999 untersagte Verhalten nicht, so daß das Beschwerdegericht das Vorhandensein einer Begehungsgefahr zutreffend verneint hat. Der Betroffenen ist nämlich nicht schlechthin verboten worden, im Zuge von Unternehmensübernahmen auf bestimmte mit ihr und den übernommenen Unternehmen geschäftlich verbundene Lieferanten mit dem Ziel einzuwirken, sich mit einer rückwirkenden Konditionenanpassung und der Leistung von Ausgleichszahlungen einverstanden zu erklären, wobei die Begehungsgefahr durch das im Zuge der Übernahme der allkauf-Gruppe gezeigte Verhalten der Betroffenen begründet wurde; Nr. 1 – anders als Nr. 2 – der Verfügung untersagt vielmehr ausschließlich die von der Betroffenen im Zusammenhang mit der Umsetzung der allkauf-Übernahme entwickelten Aktivitäten und bezieht sich allein auf die Herbeiführung von Konditionenanpassungen und die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen mit 20 bestimmten Lieferanten, die sowohl mit der Betroffenen als auch mit der allkauf-Gruppe Rahmen- und Jahresvereinbarungen, allerdings unterschiedlichen Inhalts, geschlossen hatten. Im Februar 1999 ging diese Untersagung ins Leere, weil zu dieser Zeit die Betroffene sämtliche, allein den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 22. Juni 1998 betreffenden Anpassungsvereinbarungen nicht nur geschlossen, sondern durch Entgegennahme der danach geschuldeten Ausgleichszahlungen umgesetzt hatte.
Der Rechtsbeschwerdeführer kann demgegenüber nicht mit Erfolg geltend machen, das Untersagungsverfahren, das bewußt lediglich einen objektiven Verstoß gegen Bestimmungen des GWB voraussetzt, einen Nachweis des Verschuldens des Betroffenen aber nicht verlangt (vgl. Bornkamm in Langen/Bunte aaO, § 32 GWB Rdn. 4; Bechtold, GWB, 2. Aufl., § 32 Rdn. 1; Fischötter in Gemeinschaftskommentar zum GWB [GK], 4. Aufl., § 37a Rdn. 1), werde unzumutbar erschwert. Damit überdehnt er den Sinn des Untersagungsverfahrens; denn es dient nicht dazu, Grundsatzfragen in der Weise abstrakt zu klären, daß sich die Gerichte zur Auslegung von Vorschriften des GWB gutachtlich zu äußern hätten (zutr. Fischötter in GK § 37a Rdn. 6; zur Unzulässigkeit eines Feststellungsverfahrens ferner Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 37a Rdn. 22). Die Ausgestaltung als objektives Verfahren soll der Kartellbehörde durch den Verzicht auf den Nachweis subjektiver Voraussetzungen lediglich das Einschreiten gegen kartellrechtswidriges Verhalten erleichtern. Soweit dadurch im Einzelfall zugleich die gerichtliche Überprüfung getroffener Maßnahmen und der ihnen zugrundeliegenden Auslegung von Bestimmungen des GWB eher eröffnet ist, handelt es sich um reflexartige Wirkungen. Voraussetzung für den Zugang zu dieser gerichtlichen Kontrolle bleibt aber auch dann, daß durch die behördliche Maßnahme ein zukünftiges rechtswidriges Verhalten untersagt werden soll.
Die Frage, ob durch Nr. 1 der angefochtenen Verfügung der Betroffenen auch hat verboten werden sollen, gleichartige Aktivitäten anläßlich weiterer Unternehmensübernahmen durch die Metro-Gruppe zu entfalten, stellt sich im vorliegenden Fall nicht, weil derartige Verhaltensweisen Gegenstand der Verbotsverfügung Nr. 2 sind.
II.
1. Nr. 2 der Untersagungsverfügung hat das Kammergericht deswegen aufgehoben, weil die Betroffene – selbst wenn man von allen anderen, näher ausgeführten Bedenken gegen die Vorgehensweise des Bundeskartellamts absehe – sich nicht Vorzugsbedingungen habe einräumen lassen. Maßgebend für die Entscheidung, ob ein Vorzug i.S.v. § 20 Abs. 3 Satz 1 GWB vorliege, sei nämlich entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers nicht das Vertikalverhältnis zwischen der Betroffenen und den Gesellschaften der Metro-Gruppe einerseits und den Lieferanten andererseits; vielmehr sei auf das Horizontalverhältnis zwischen der Betroffenen und ihren Wettbewerbern abzustellen. In diesem Bereich habe sich die Betroffene keinen Vorsprung vor anderen Handelsunternehmen mit Hilfe ihrer Nachfragemacht verschafft, sondern – soweit es um die Erstreckung ihrer Konditionen auf die allkauf-Lieferanten geht – nur marktgängige Konditionen erzielt, während es bei der Übernahme der allkauf-Vereinbarungen für die Lieferungen an Metro-Gesellschaften allein um die Beseitigung eines Konditionennachteils gehe.
2. Diese Begründung ist, wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend macht, nicht in allen Punkten frei von Rechtsirrtum.
a) Entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts fehlt es für die Verfügung Nr. 2 nicht an der erforderlichen Begehungsgefahr. Diese wird nämlich in der Erscheinungsform der Wiederholungsgefahr, unter der – nachstehend noch zu erörternden – Voraussetzung, daß bereits die Verhaltensweise der Betroffenen bei der Umsetzung des Zusammenschlusses der Metro-Gruppe und der allkauf-Unternehmen kartellrechtswidrig war, schon dadurch belegt, daß die Betroffene für sich in Anspruch genommen hat, sich rechtmäßig zu verhalten, wenn sie nach einer Unternehmensübernahme durch den Metro-Konzern die Lieferanten zu Vereinbarungen über rückwirkend anzupassende Konditionen und zur Leistung von Ausgleichszahlungen auffordere.
b) Wegen mangelnder Bestimmtheit ist Nr. 2 ebenfalls nicht aufzuheben. Auch wenn dies in dem Verfügungstenor nicht unmittelbar zum Ausdruck kommt, ist nach der ausdrücklichen Anknüpfung an Nr. 1 des Beschlusses und der Verwendung des Wortes „gleichartig” noch hinreichend deutlich, Voraussetzung für die Untersagung solle sein, daß die genannten 20 Lieferanten nicht nur Vertragspartner der Betroffenen, sondern zugleich auch des übernommenen Unternehmens sind. Mit dieser selbstverständlichen Einschränkung ist den Bedenken des Beschwerdegerichts Rechnung getragen, daß im Zeitpunkt der Untersagungsverfügung nicht absehbar ist, ob die genannten Unternehmen überhaupt betroffen wären. Die dem angefochtenen Beschluß zugrundeliegende einengende Sicht hätte zur Folge, daß der Kartellbehörde auch die Möglichkeit genommen wäre, zukünftiges kartellrechtswidriges Verhalten zu unterbinden, und sie – anders als dies dem zweifelsfrei im GWB zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers entspricht – nur reaktiv in Form des Bußgeldverfahrens einschreiten könnte. Soweit die genannten Unternehmen zu dem dann maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr in die Kategorie der „kleinen oder mittleren Unternehmen” fallen sollten, würde das Bundeskartellamt, wie sein Verhalten im vorliegenden Verfahren erneut belegt, ohnehin keine Rechte aus seiner Verfügung herleiten.
c) Zutreffend ist zwar die Auffassung des Beschwerdegerichts, daß das Bundeskartellamt den für seine Untersagungsverfügung maßgeblichen Sachverhalt nicht in dem gebotenen Umfang (vgl. BT-Drucks. 8/2136 S. 24) geklärt hat. Es hat daraus indessen, wie der Rechtsbeschwerdeführer mit Recht rügt, nicht die erforderlichen Konsequenzen gezogen und seinerseits die fehlenden Feststellungen dazu getroffen, ob die 20 in der Untersagungsverfügung aufgeführten Lieferanten zur Gruppe der kleinen oder mittleren Unternehmen gehören, ob sie von der Betroffenen und dem Metro-Konzern abhängig sind und ob für die Gewährung von Vorzugsbedingungen sachlich gerechtfertigte Gründe vorliegen. Dies nötigt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Kammergericht; damit wird den Beteiligten zugleich die Gelegenheit gegeben, im Hinblick auf die nachfolgend zu erörternden Voraussetzungen und Grenzen des § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 GWB ihren Sachvortrag zu vertiefen und zu ergänzen.
(1) Daß die Betroffene Normadressatin des § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GWB ist, stellt sie mit Recht nicht in Frage.
(2) Dagegen ist nicht ordnungsgemäß festgestellt, daß alle 20 in dem Beschluß des Bundeskartellamts vom 26. Februar 1999 aufgeführten Lieferanten der Metro/allkauf-Gruppe zu den in § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GWB angesprochenen kleinen oder mittleren Unternehmen gehören.
Für drei von ihnen erkennt auch die Rechtsbeschwerde – mit unterschiedlicher Begründung – an, daß sie nicht mehr in den Schutzbereich des § 20 Abs. 3 GWB fallen, und leitet folgerichtig aus der Untersagungsverfügung insofern keine Rechte her. Unabhängig davon, ob auch bei weiteren Unternehmen – wie die Betroffene geltend macht – die von dem Bundeskartellamt zugrundegelegte Umsatzschwelle von 500 Mio. DM überschritten ist, ist das von ihm gewählte Verfahren, diesen Schwellenwert zu ermitteln, nicht sachgerecht.
Der Gesetzgeber hat bewußt nicht alle von einem nachfragestarken Unternehmen abhängigen Anbieter unter den Schutz des § 20 Abs. 3 GWB gestellt, weil er angenommen hat, große Unternehmen könnten sich auch bei bestehender Abhängigkeit ohne diesen Schutz behaupten. Wann diese Schutzbedürftigkeit besteht, also ein kleines oder mittleres Unternehmen vorliegt, ist im Gesetz nicht bestimmt; die Einstufung läßt sich auch nicht nach absoluten Zahlen festlegen (vgl. z.B. Rixen in Frankfurter Kommentar zum GWB (FK), 3. Aufl., § 20 Rdn. 293 i.V.m. Rdn. 46; Bunte in FK aaO, § 4 Rdn. 47; Köhler, BB 1999, 1017), weil die Verhältnisse auf dem jeweils maßgeblichen Markt nicht ausgeblendet werden dürfen, wenn der die Sicherung der Freiheit des Wettbewerbs als Institution bezweckende Sinn der Vorschrift erreicht werden soll (vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.1993 – KVR 25/91, WuW/E 2875, 2878 – Herstellerleasing). Maßgebend ist danach eine unter funktionalen Gesichtspunkten vorzunehmende Prüfung, die von den Besonderheiten des jeweils relevanten Marktes auszugehen und dabei regelmäßig das Horizontalverhältnis zu den Wettbewerbern auf der Anbieterseite, unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise auch das Vertikalverhältnis zu dem nachfragestarken Unternehmen (vgl. BGH WuW/E 2875, 2878 – Herstellerleasing) einzubeziehen hat.
Diesen Anforderungen wird die Untersagungsverfügung nicht gerecht. Ob es sich um ein kleines oder mittleres Unternehmen handelt, muß in jedem Einzelfall festgestellt werden. Diese Einordnung ergibt sich nicht bereits aus der Eigenart der Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten, wie der Senat dies ausnahmsweise für den Fall der unternehmensbedingten Abhängigkeit in dem bereits erwähnten Verfahren „Herstellerleasing” angenommen hat, in dem es nach der Natur der Sache unausweichlich war, daß die Händler einer bestimmten Automarke als kleine oder mittlere Unternehmen angesehen worden sind, selbst wenn sie höchste Umsätze erzielten und ihre Mitwettbewerber weit hinter sich ließen. Anders als der Rechtsbeschwerdeführer (ebenso Schultz in Langen/Bunte aaO, § 20 GWB Rdn. 213; Rixen in FK aaO, § 20 Rdn. 50; kritisch Köhler, BB 1999, 1017 Fn. 1) meint, sind eine derartige, nur in Ausnahmefällen anzuerkennende unternehmensbedingte und eine nachfragebedingte Abhängigkeit nicht mit der Folge gleichzusetzen, daß die unter funktionalem Gesichtspunkt notwendige Prüfung der Schutzbedürftigkeit des abhängigen Unternehmens unterbleiben könnte.
Wenn es danach im vorliegenden Fall auf die Ermittlung des Schwellenwerts für den Lebensmittelhandel ankommt, mag die von dem Bundeskartellamt herangezogene Grenze von 500 Mio. DM Jahresumsatz ein plausibler Wert sein, der die – widerlegliche – Vermutung begründen kann, daß sämtliche Anbieter von Waren dieser Sparte, die nicht mehr als diesen Jahresumsatz erzielen, zu den nach § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GWB schutzbedürftigen kleinen oder mittleren Unternehmen gehören. Der Senat verkennt insbesondere nicht, daß die Kartellbehörde auf die Verwendung von derartigen, den Lebensmittelhandel als Ganzen statt einzelner Produkte oder Produktgruppen in den Blick nehmenden Schwellenwerten angewiesen ist, wenn sie der ihr nach § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GWB übertragenen Aufgabe soll sachgerecht nachgehen können. Allerdings setzt dies voraus, daß dieser Schwellenwert nachvollziehbar und widerspruchsfrei ermittelt und daß nicht ohne plausible Begründung eine bestimmte Grenze postuliert wird. Dem von der Untersagungsverfügung betroffenen Unternehmen muß danach die Möglichkeit eröffnet werden, die Vermutung zu widerlegen, nämlich darzutun, daß dieser Schwellenwert unrichtig gewählt worden ist oder daß der an sich zutreffend ermittelte Wert im konkreten Fall keine zutreffende Aussage über die Einordnung eines Lieferanten zur Gruppe der kleinen oder mittleren Unternehmen enthält. Indem das Bundeskartellamt ausschließlich die in dem Verhältnis zu den 20 genannten Lieferanten der Metro besonders umsatzstarken Unternehmen in den Blick genommen und sich im übrigen – wie ausgeführt: zu Unrecht – auf die behauptete nachfragebedingte Abhängigkeit der 20 herausgegriffenen Lieferanten von der Betroffenen gestützt hat, ist es hinter den zu stellenden Anforderungen an die Klärung des Sachverhalts zurückgeblieben.
Nicht zu folgen vermag indessen der Senat der Auffassung des Kammergerichts, diese Lücken zu füllen, sei im vorliegenden Fall entgegen § 70 Abs. 1 GWB nicht seine Aufgabe. Das Bundeskartellamt hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den Umsatzanteil der Lieferanten abgestellt und lediglich insofern Lücken in der Tatsachenfeststellung gelassen, als es versäumt hat, den jährlichen Gesamtumsatz des hier in Rede stehenden Lebensmittelhandels (einschließlich der üblicherweise einbezogenen Nebenprodukte des täglichen Bedarfs) zu ermitteln. Wenn in dieser Lage das Beschwerdegericht die fehlenden Tatsachenfeststellungen nachholt, zieht es entgegen der von der Betroffenen vertretenen Auffassung nicht unzulässigerweise die Funktionen der Kartellbehörde an sich (vgl. dazu K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 70 Rdn. 4 m.w.N.).
(3) Das Bundeskartellamt hat in gleicher Weise auch die Abhängigkeit der in der Untersagungsverfügung aufgeführten Unternehmen nicht hinreichend plausibel festgestellt. Die Gleichstellung von unternehmensbedingter mit nachfragebedingter Abhängigkeit, ohne für die letztere konkrete Feststellungen getroffen zu haben, kommt, wie bereits ausgeführt, nicht in Betracht.
Dem Rechtsbeschwerdeführer kann auch nicht darin gefolgt werden, daß jeder mit der Metro-Gruppe in Vertragsbeziehungen stehende Anbieter von diesem nachfragestarken Unternehmen abhängig sei, wenn er wenigstens 7,5% seines Umsatzes mit Metro-Gesellschaften abwickele (kritisch auch Köhler, BB 1999, 1017). Abhängigkeit besteht, wie sich aus § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB ergibt, auf den § 20 Abs. 3 Satz 2 GWB Bezug nimmt, allein dann, wenn keine ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, bestehen. Auch in diesem Zusammenhang hält es der Senat für nicht unzulässig, wenn die Kartellbehörde, um ihre gesetzlichen Befugnisse sachgerecht ausüben zu können, bestimmte Grenzwerte heranzieht, bei deren Überschreiten eine Abhängigkeit des Lieferanten von dem nachfragestarken Unternehmen – widerleglich – vermutet wird. Ohne eine Betrachtung der Verhältnisse auf dem konkreten Markt – hier also dem Lebensmittelhandel – kann dieser Wert jedoch nicht in der erforderlichen plausiblen Weise hergeleitet werden (vgl. auch Köhler, BB 1999, 1017). Dem ist das Bundeskartellamt nicht gerecht geworden, wenn es – ohne weitere Untersuchungen – unterstellt hat, daß bei einem Anteil der Lieferungen des Anbieters an Metro von mindestens 7,5% die Abhängigkeitsvermutung besteht.
Auch insoweit hätte das Kammergericht die fehlenden Feststellungen treffen müssen. Der Betroffenen hätte sodann Gelegenheit gegeben werden müssen, diese Vermutung der Abhängigkeit des kleinen oder mittleren Unternehmens von dem Metro-Konzern zu widerlegen. In dem zuletzt genannten Zusammenhang kommt es auf die konkreten Gegebenheiten des Marktes, und zwar nicht des Lebensmittelhandels insgesamt, sondern der in Rede stehenden Produkte des jeweiligen Lieferanten an. Hier kann sich erweisen, daß der pauschal für den gesamten Lebensmittelhandel entwickelte Wert keine zutreffende Aussage über die Abhängigkeit liefert, etwa weil eine andere Wettbewerbssituation besteht oder weil – wie die Betroffene wiederholt, etwa unter Hinweis auf das Produkt „Rotkäppchen”-Sekt, angeführt hat – auch das Ansehen und die Bedeutung des einzelnen Anbieters und seiner Produkte dazu führen können, daß der nachfragestarke Metro-Konzern auf die Belieferung nicht verzichten kann. So erscheint es nicht von vornherein fernliegend, daß die Metro-Gruppe, will sie in dem umkämpften Lebensmittelmarkt ihre Stellung als sachgemäß sortiertes Unternehmen halten und festigen, darauf angewiesen ist, bestimmte von ihren Kunden nachgefragte Produkte zu führen. Unter Umständen können in einem solchen Fall selbst bei einer Absatzquote von deutlich mehr als 10% ausreichende und zumutbare Möglichkeiten für den Anbieter bestehen, seine Produkte auf anderen Wegen als über die Metro-Gruppe abzusetzen. Ferner können Ausweichmöglichkeiten bestehen, auf die auch ein kleines oder mittleres Unternehmen zurückgreifen kann, wenn es sich den von ihm als nicht hinnehmbar empfundenen Forderungen eines nachfragestarken Handelsunternehmens entziehen will.
Nicht gefolgt werden kann dem Bundeskartellamt ferner darin, daß das Eingehen der Lieferanten der Betroffenen auf deren Wunsch nach Konditionenanpassung und Leistung von im Einzelfall ausgehandelten Ausgleichszahlungen die Abhängigkeit des Lieferanten belege. Auch wenn ein solches Entgegenkommen während des laufenden Vertrages oftmals ein Indiz dafür ist, daß der Lieferant sich abhängigkeitsbedingt den Forderungen des nachfragestarken Unternehmens beugt, ist der von dem Bundeskartellamt gezogene Schluß nicht zwingend, weil objektive Gründe bestehen können, die einen Lieferanten zu einem solchen Verhalten bewegen können. Der Anbieter kann etwa Wert auf eine langfristige Aufrechterhaltung und Stärkung seiner Vertragsbeziehungen zu dem Nachfrager legen und deswegen Handlungsspielräume, die ihm der für das laufende Jahr geschlossene Rahmenvertrag nach dem Grundsatz „pacta sunt servanda” eröffnet, nicht ausnutzen. Denkbar ist auch, daß er die Bitte der anderen Seite nach Konditionenanpassung nicht als Zumutung, sondern – etwa im Hinblick auf die bei größerer Absatzmenge üblichen höheren Rabattsätze – als angemessene Reaktion auf die neue Unternehmensstruktur seines Vertragspartners empfindet. Schließlich kann er es als vorteilhaft für die Abwicklung seiner Aufträge ansehen, daß er es nur noch mit einem Abnehmer zu tun hat, dessen Zuverlässigkeit und dessen Bonität er schätzt, so daß er bereit ist, für diesen ihm durch die Fusion seiner bisherigen Abnehmer entstehenden Vorteil eine Vergütung zu leisten.
(4) Schließlich wendet sich die Rechtsbeschwerde im Ergebnis mit Erfolg dagegen, daß das Kammergericht angenommen hat, die Betroffene habe die in der Untersagungsverfügung aufgeführten Unternehmen nicht veranlaßt, ihr ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorzugsbedingungen einzuräumen.
Entsprechend dem nicht einheitlichen Verständnis des § 20 Abs. 3 GWB im Schrifttum (vgl. etwa Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S. 268 f. m.Nw.; Markert in Immenga/Mestmäcker aaO, § 20 Rdn. 252 ff.; Bechtold, GWB, 2. Aufl., § 20 Rdn. 52 ff.; Rixen in FK aaO, § 20 Rdn. 292 ff.; Schultz in Langen/Bunte aaO, § 20 GWB Rdn. 208; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rdn. 660, 662 f.), das den Normzweck teilweise nur im Schutz der Wettbewerber des Nachfragers sieht, teilweise aber darüber hinausgehend auch den Anbieter vor einem marktstarken Nachfrager schützen will, wird die Frage, worin Vorzugsbedingungen bestehen und welches Verhältnis den Maßstab für die Beurteilung abgibt, unterschiedlich beantwortet. Nach dem in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 8/2136 S. 25) zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers steht die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen durch unbillige Ausübung von Nachfragemacht jedenfalls im Vordergrund des Normanwendungsbereichs (strenger Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S. 269 f., der ausschließlich auf den Wettbewerbsbezug abstellt). Ob in besonderen Ausnahmefällen der Vorschrift auch ein Schutzzweck für das Vertikalverhältnis zwischen Nachfrager und Anbieter beigemessen werden kann, wie von den Parteien erörtert, bedarf hier keiner Entscheidung.
Die Auffassung des Kammergerichts, von der Einräumung von Vorzugsbedingungen könne allein dann gesprochen werden, wenn die Betroffene für Gesellschaften des Konzerns, dem sie angehört, letztlich niedrigere Einkaufspreise vereinbart, als ihre Wettbewerber sie erzielen, ist von Rechtsirrtum beeinflußt und führt weitgehend dazu, daß für die Anwendung des § 20 Abs. 3 GWB kein Raum bleibt. Demgegenüber hat das Bundeskartellamt zutreffend angenommen, daß es bereits als Vorzugsbedingung im Sinne des § 20 Abs. 3 GWB anzusehen ist, wenn ein nachfragestarkes Unternehmen, ohne daß hierfür ein zivilrechtlicher Anspruch besteht, seine Lieferanten dazu bewegt, für in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte andere, ihnen ungünstigere Lieferkonditionen zu vereinbaren und Ausgleichszahlungen zu leisten. Wettbewerber der Betroffenen haben diese Möglichkeit, in laufende Verträge mit Rückwirkung einzugreifen, nämlich nicht. Ob im Falle einer Fusion – wie die Betroffene vorgetragen hat – die Konditionenanpassung im Lebensmittelhandel üblich ist, ist keine Frage des Vorhandenseins einer Vorzugsbedingung, sondern kann allenfalls im Rahmen der Prüfung ein Rolle spielen, ob diese Vorzugsbehandlung sachlich gerechtfertigt ist.
Veranlaßt danach das nachfragestarke Unternehmen seine Lieferanten entgegen den üblichen zivilrechtlichen Regeln zu einer rückwirkenden Konditionenanpassung, so begründet dies lediglich die – wiederum widerlegliche – Vermutung, daß hierfür sachlich gerechtfertigte Gründe nicht bestehen, das Eingehen der Anbieter auf das Anpassungsverlangen vielmehr Ausdruck ihrer Abhängigkeit als kleine oder mittlere Unternehmen von dem Nachfrager ist. Die unerläßliche Möglichkeit, diese Vermutung zu widerlegen, hat das Bundeskartellamt der Betroffenen zu Unrecht verweigert.
Denn dem Bundeskartellamt kann nicht gefolgt werden, daß es – unabhängig von dem Blick auf die Wettbewerber der Betroffenen – den Vorteil, den sich der Metro-Konzern hat gewähren lassen, darin erblickt, daß die Konditionenanpassung und die je individuell vereinbarte Ausgleichszahlung ein nicht leistungsgerechtes Entgelt sei. Zu dieser Auffassung ist das Bundeskartellamt nur deswegen gelangt, weil es angenommen hat, der in den jeweiligen Jahresgesprächen zwischen den Lieferanten und der Betroffenen bzw. allkauf vereinbarte Konditionenrahmen spiegele jeweils das leistungsgerechte Marktergebnis wider. Die Unrichtigkeit dieses Ansatzes ergibt sich schon aus den eigenen Ausführungen der Rechtsbeschwerde, nach denen allkauf teilweise besser verhandelt hat als die Betroffene und diese deswegen gehindert sein soll, dieses günstigere Ergebnis für sich nutzbar zu machen. Gerade wenn, wie im Falle allkauf, der kleinere Nachfrager in der Lage ist, günstigere Konditionen mit demselben Anbieter zu vereinbaren, als sie der marktmächtigere Wettbewerber eingeräumt erhält, spricht dies – wie auch die Lebenserfahrung – dagegen, daß jedes Verhandlungsergebnis das leistungsgerechte Marktergebnis widerspiegelt.
Davon abgesehen ist die generelle Aussage unzutreffend, daß der Konditionenanpassung und der Ausgleichszahlung keinerlei Gegenleistung der Betroffenen gegenüberstehen kann. Nach der auch von der Rechtsbeschwerde zitierten Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 8/2136 S. 16 und 25; ferner WuW 1980, 337, 353 f.) sind sachlich nicht gerechtfertigte Vorzugsbedingungen jedenfalls nicht Mengen- und Funktionsrabatte. Wenigstens teilweise – genaue Feststellungen hierzu haben weder das Bundeskartellamt noch, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, das Kammergericht getroffen – handelt es sich bei den Anpassungen und Ausgleichszahlungen, die die Betroffene von den Lieferanten erwirkt hat, um Mengenrabatte, weil nämlich die Abnahmemengen beider früher selbständiger Unternehmen zusammengerechnet werden und darauf der entsprechend günstigere Rabattsatz angewandt wird.
Durch den – mit wirtschaftlicher Rückwirkung zum Jahresbeginn vollzogenen – Zusammenschluß der bisher selbständigen Handelsunternehmen haben sich, anders als der Rechtsbeschwerdeführer meint, die Marktverhältnisse für die Lieferanten nachhaltig geändert. Diese haben es nunmehr nur noch mit einem Abnehmer zu tun, mit dem sie auf der Grundlage der früheren Rahmenvereinbarungen die Preise im laufenden Jahr von Fall zu Fall festlegen, der ihr Vertragspartner bei gemeinsamen Werbe- und Verkaufsaktionen ist, mit dem Gewährleistungs- und Kulanzfragen einschließlich etwaiger Produkthaftungsansprüche zu klären sind und der für die finanzielle Abwicklung der Geschäfte zuständig ist. Diese Umstände, die auch bei den üblichen Jahresverhandlungen Eingang in die jeweiligen Erwägungen der Lieferanten finden müssen und dort unbestreitbar zulässig sind, können für die betroffenen Anbieter auch während des laufenden Jahres ebenso ein durch Konditionenanpassung und Ausgleichszahlung zu entgeltender Vorteil sein, wie die Sicherung und Stärkung der Vertragsbeziehungen in den Folgejahren.
Ob diese – oder andere – Erwägungen, die vorzutragen Sache der Betroffenen ist, die Leitungsorgane der in der Untersagungsverfügung genannten Unternehmen haben bewegen können, dem Anpassungswunsch der Betroffenen zu folgen, und ob sie als sachlich gerechtfertigte Gründe für die rückwirkende Konditionenanpassung anzuerkennen sind, hat das Kammergericht in dem wieder eröffneten Beschwerdeverfahren zu prüfen.
Unterschriften
Hirsch, Goette, Bornkamm, Raum, Meier-Beck
Fundstellen
Haufe-Index 875422 |
BGHZ 2003, 97 |
BGHZ |
BB 2002, 2409 |
DB 2003, 1272 |
NJW 2003, 205 |
BGHR 2003, 133 |
EWiR 2003, 331 |
GRUR 2003, 80 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 1185 |
WRP 2002, 1436 |
LMK 2003, 30 |
WuW 2003, 56 |