Leitsatz (amtlich)
Zum Spezialitätsgrundsatz bei Serienstraftaten.
Normenkette
IRG § 83h Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 25.02.2010) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 25. Februar 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu der von der Revision geltend gemachten Verletzung des Grundsatzes der Spezialität (Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI) – RB-EUHb; vgl. auch § 83h Abs. 1 Nr. 1, § 82 IRG) bemerkt der Senat:
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift bereits zutreffend ausgeführt hat, ist der Grundsatz der Spezialität nicht verletzt; ein Verfahrenshindernis hinsichtlich der in den Urteilsgründen unter B1. dargestellten Tat (Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 21. Oktober 2009) besteht insoweit nicht. Auch diese Tat war von der portugiesischen Auslieferungsbewilligung erfasst. Sie liegt innerhalb des Tatzeitraums (Januar 2000 bis Oktober/November 2008), der in dem Europäischen Haftbefehl genannt ist, welcher der Auslieferung zugrunde liegt. Ihre Begehungsweise ist mit den weiteren in diesem Haftbefehl im Einzelnen aufgeführten Taten identisch (jeweils Handeltreiben mit mehreren Kilogramm Amphetamin, jeweils gleicher Wirkstoffgehalt und Kilogrammpreis, Übergabe erfolgte überwiegend – bis auf den letzten im Haftbefehl aufgeführten Fall – durch den Angeklagten in dessen Gartengrundstück) und sie beruht – wie auch die übrigen Taten – auf derselben, vor der Durchführung der ersten Tat zwischen dem Angeklagten und seinem Abnehmer geschlossenen Vereinbarung zur fortgesetzten Begehung von Betäubungsmittelstraftaten. Dem Europäischen Haftbefehl lässt sich zudem entnehmen, dass der Angeklagte über die dort namentlich benannten Taten hinaus auch bei weiteren Gelegenheiten gleichartige Betäubungsmittelgeschäfte durchgeführt hat (vgl. die Sachverhaltsschilderung im Haftbefehl hinsichtlich der Taten Ziffern 10 – 14: „bei mehreren Gelegenheiten, mithin mindestens in fünf Fällen”). Mehr als fünf Fälle hat das Landgericht vorliegend nicht ausgeurteilt. Die im Urteil unter B1. dargestellte Tat ist somit ebenfalls von dem historischen Lebenssachverhalt umfasst, wie er dem Europäischen Haftbefehl (vgl. allgemein zur Darstellung von Serienstraftaten im Europäischen Haftbefehl BeckOK-Inhofer, Stand 1. August 2010, RB-EUHb, Anhang Rn. 6) und der portugiesischen Auslieferungsbewilligung zugrunde gelegen hat. Durch ihre Einbeziehung im vorliegenden Verfahren hat sich weder die Art noch die rechtliche Würdigung der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten – jeweils Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG – geändert. Bei der unter B1. dargestellten Tat handelt es sich daher nicht um eine „andere Tat” im Sinne des § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG bzw. um eine „andere Handlung” im Sinne des Art. 27 Abs. 2 RB-EUHb (vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 – C – 338/08 PPU, NJW 2009, 1057, 1059). Ihrer Einbeziehung steht der Grundsatz der Spezialität nicht entgegen, zumal bei der vorliegenden Fallgestaltung eine Beeinträchtigung der Interessen des ersuchten Staates – hier Portugal – nicht zu besorgen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1995 – 1 StR 18/95, nur teilweise abgedruckt in NStZ 1995, 608; BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 – 5 StR 22/03, NStZ 2003, 684).
Unterschriften
Nack, Wahl, Elf, Graf, Sander
Fundstellen
Haufe-Index 2556283 |
BGHR |
EBE/BGH 2010 |
NStZ 2011, 470 |
Nachschlagewerk BGH |
wistra 2011, 78 |