Entscheidungsstichwort (Thema)
Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens. Durchsetzung eines Anspruchs auf Kostenvorschuss gegen Ehepartner
Leitsatz (amtlich)
Der Stundungsantrag eines Schuldners, dem ein Kostenvorschussanspruch gegen seinen Ehepartner zusteht, ist auch dann unbegründet, wenn der Ehepartner die Zahlung verweigert, der Schuldner aber nicht versucht hat, den Anspruch durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durchzusetzen.
Normenkette
InsO § 4a; BGB § 1360a; ZPO § 644
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Beschluss vom 01.12.2005; Aktenzeichen 3 T 202/05) |
AG Chemnitz (Entscheidung vom 14.02.2005; Aktenzeichen 11 IN 2494/04) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Chemnitz vom 1.12.2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Die seit 1983 verheiratete Schuldnerin übte in den Jahren 1988 bis 1996 eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit aus; seither ist sie zahlungsunfähig. Sie ließ sich zur Schuldnerberaterin ausbilden und war fortan als solche tätig. Am 21.7.2004 beantragte der weitere Beteiligte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Am 14.9.2004 stellte die Schuldnerin einen entsprechenden Antrag und beantragte zusätzlich Restschuldbefreiung sowie die Stundung der Verfahrenskosten.
[2] Nach Einholung eines Gutachtens forderte das Insolvenzgericht die Schuldnerin auf, die Vermögensverhältnisse ihres Ehemannes offen zu legen, um eine Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf einen Prozesskostenvorschuss (§ 1360a Abs. 4 BGB) zu ermöglichen, oder aber den vom Sachverständigen errechneten Vorschuss von 5.600 EUR einzuzahlen. Die Schuldnerin berief sich demgegenüber auf einen Ehevertrag aus dem Jahre 2004, in dem Unterhaltsansprüche ausgeschlossen worden seien. Sie erklärte, ihrem Ehemann sei es gleichgültig, ob sie Restschuldbefreiung erlange oder nicht. Sein Einkommen reiche nicht aus, den angeforderten Vorschuss von 5.600 EUR zu zahlen, zumal er selbst Verbindlichkeiten i.H.v. 160.000 EUR zu bedienen habe; Ersparnisse habe er nicht.
[3] Mit Beschluss vom 25.1.2005 hat das Insolvenzgericht die Anträge auf Stundung der Verfahrenskosten, auf Restschuldbefreiung und auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin die Anträge auf Stundung der Verfahrenskosten, auf Restschuldbefreiung und auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter.
II.
[4] Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 7, 6, 4d Abs. 1, § 34 Abs. 1 Fall 2, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
[5] 1. Die Kosten des Insolvenzverfahrens sind auf Antrag zu stunden, soweit das Vermögen des Schuldners nicht ausreicht, diese Kosten zu decken (§ 4a InsO). Hat der Schuldner einen Anspruch auf Leistung eines Kostenvorschusses nach § 1360a Abs. 4 BGB, so ist sein Stundungsantrag unbegründet; denn der Gesetzgeber wollte öffentlich-rechtliche Mittel zur Durchführung des Insolvenzverfahrens nur zur Verfügung stellen, sofern für den Schuldner keine Möglichkeit besteht, auf andere Weise die Verfahrenskosten aufzubringen (BGH v. 24.7.2003 - IX ZB 539/02, BGHZ 156, 92, 95 = BGHReport 2003, 1309 = MDR 2003, 1440). Das Beschwerdegericht hat die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 1360a Abs. 4 BGB für gegeben erachtet, weil die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb der Schuldnerin, aus dem deren Schulden resultierten, auch dem Familienunterhalt gedient hätten. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
[6] 2. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist der (weder durch Tatsachen unterlegte noch glaubhaft gemachte) Vortrag der Schuldnerin dazu, ihr Ehemann sei nicht bereit, einen Prozesskostenvorschuss zu leisten, nicht erheblich.
[7] a) Eine Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 4a InsO) setzt voraus, dass der Schuldner keinen Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses gegen seinen Ehepartner hat. Liegen die Anspruchsvoraussetzungen des § 1360a Abs. 4 BGB vor, weigert sich der Ehepartner aber, den geschuldeten Vorschuss zu leisten, hat der Schuldner den Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Die Entscheidung über den Stundungsantrag und damit über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Voraussetzung einer Restschuldbefreiung ist, bis zum Abschluss des Hauptsacheprozesses über den Vorschussanspruch hinauszuschieben, würde zwar dem Anliegen des Gesetzgebers des § 4a InsO zuwiderlaufen, mittellosen Personen den Zugang zu Insolvenzverfahren und Restschuldbefreiung unter zumutbaren Bedingungen zu eröffnen (vgl. BGH, Beschl. v. 25.9.2003 - IX ZB 459/02, BGHReport 2003, 1439 = MDR 2004, 171 = WM 2003, 2389, 2390; v. 3.2.2005 - IX ZB 37/04, ZVI 2005, 119, 120; v. 21.9.2006 - IX ZB 24/06, BGHReport 2006, 1498 = ZVI 2006, 511, 512). Der Schuldner hat jedoch die Möglichkeit, mit Einreichung der Klage oder des Antrags auf Prozesskostenhilfe eine einstweilige Anordnung zu beantragen (§§ 644, 621 Abs. 1 Nr. 5, § 620a Abs. 2 ZPO). Die Bescheidung dieses Antrags abzuwarten, ist dem Schuldner zumutbar. Erst wenn ein ordnungsgemäß beim FamG gestellter und vollständig begründeter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erfolglos bleibt, kann der Anspruch als uneinbringlich behandelt und bei der Entscheidung über die Stundung der Verfahrenskosten vorerst außer Acht gelassen werden (zu stundungsbegleitenden Anordnungen vgl. Jaeger/Eckardt, InsO § 4a Rz. 31).
[8] b) Die Schuldnerin hat nicht versucht, ihren Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses gegen ihren Ehemann gerichtlich durchzusetzen. Sie hat stets auf den ihrer Ansicht nach im Jahre 2004 vereinbarten Unterhaltsverzicht verwiesen. Die behauptete Vereinbarung hätte einer Durchsetzung des Anspruchs aus § 1360a Abs. 4 BGB jedoch nicht entgegengestanden. Sie war wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot, für die Zukunft auf Familienunterhalt zu verzichten, nichtig (§§ 397, 134, 1614 Abs. 1, § 1360a Abs. 3 BGB).
[9] 3. Es fehlen jedoch ausreichende Feststellungen des Beschwerdegerichts dazu, ob ein Vorschussanspruch der Schuldnerin gegen ihren Ehemann aus § 1360a Abs. 4 BGB besteht. Das Beschwerdegericht hat diese Frage für "offen" gehalten, weil die Schuldnerin zwar Einkommensnachweise bis einschließlich März 2005 vorgelegt habe, einer Aufforderung zur Vorlage weiterer Nachweise für den Zeitraum bis einschließlich November 2005 aber nicht nachgekommen sei. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, hat es damit wesentliche Teile des Vorbringens der Schuldnerin verfahrensfehlerhaft übergangen.
[10] a) Die Verfahrenskosten sind bereits dann zu stunden, wenn der Schuldner die in dem maßgebenden Verfahrensabschnitt anfallenden Kosten nur im Wege von Ratenzahlungen, nicht aber in einer Einmalzahlung aufbringen kann (BGH, Beschl. v. 25.9.2003 - IX ZB 459/02, BGHReport 2003, 1439 = MDR 2004, 171 = NJW 2003, 3780). Gleiches muss gelten, wenn der Ehepartner grundsätzlich unterhaltspflichtig ist, aber nur Raten zahlen könnte; denn es würde dem unterhaltsrechtlichen Maßstab der Billigkeit widersprechen, den Unterhaltsverpflichteten in stärkerem Maße in Anspruch zu nehmen, als dies bei eigener Prozessführung der Fall wäre (BGH, Beschl. v. 4.8.2004 - XII ZA 6/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 94 = NJW-RR 2004, 1662, 1663). Im Verfahren über die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens sind Ratenzahlungen erst in dem Verfahrensabschnitt nach Erteilung der Restschuldbefreiung vorgesehen (§ 4b Abs. 1 Satz 1 InsO; vgl. BGH, Beschl. v. 25.9.2003, a.a.O.).
[11] b) Auf das genaue Einkommen des Ehemannes der Schuldnerin im November 2005 wäre es deshalb nur dann angekommen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass der pfändbare Betrag den vom Sachverständigen errechneten Vorschuss von 5.600 EUR (deutlich) überstieg. Nur dann hätte der Ehemann der Schuldnerin den Vorschuss in einer Summe aus dem laufenden Einkommen zahlen können. Nach den von der Schuldnerin vorgelegten Nachweisen war dies bis einschließlich März 2005 nicht der Fall. Die pfändbaren Beträge beliefen sich im Durchschnitt auf etwa 650 EUR monatlich.
[12] c) Ob der Ehemann der Schuldnerin in der Lage gewesen wäre, den Vorschuss von 5.600 EUR aus seinem Vermögen zu zahlen, hat das Beschwerdegericht nicht geprüft. Die Schuldnerin hatte vorgetragen, ihr Ehemann habe keine Ersparnisse und müsse selbst Verbindlichkeiten i.H.v. 160.000 EUR bedienen. War das richtig, hätte er den Vorschuss nicht leisten können. Die Schuldnerin hatte außerdem ein von ihrem Ehemann ausgefülltes Formular über dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse eingereicht. Ob sich daraus ein ausreichendes Vermögen oder aber die fehlende Leistungsfähigkeit ihres Ehemannes der Schuldnerin ergab, lässt der angefochtene Beschluss nicht erkennen. Es fehlen jegliche Ausführungen zu diesem Punkt.
[13] 4. Der angefochtene Beschluss kann damit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 ZPO). Nach der Zurückverweisung wird zu prüfen sein, ob der Ehemann der Schuldnerin den vom Sachverständigen errechneten Vorschuss entweder aus seinem laufenden Einkommen oder aus seinem sonstigen Vermögen in einer Summe aufbringen könnte. Ist das nicht der Fall, sind die Verfahrenskosten nach § 4a InsO zu stunden.
Fundstellen