Leitsatz (amtlich)
Für die – vom Gläubiger anstelle der Kostenbeitreibung gemäß § 788 ZPO gewählte – Festsetzung von Zwangsvollstreckungskosten ist nicht das Vollstreckungsgericht, sondern das Prozeßgericht des ersten Rechtszuges zuständig.
Normenkette
ZPO § 103 Abs. 2 S. 1
Tenor
Das Amtsgericht in München wird als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die Erstattung der sonstigen Kosten richtet sich nach der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
Die Gläubigerin hat beim Amtsgericht München als dem Gericht, das einen Vollstreckungsbescheid gegen, die Schuldnerin erlassen hatte, die Festsetzung von Zwangsvollstreckungskosten in Höhe von 793, 70. DM beantragt, die durch eine Vorpfändung sowie durch eine Mobiliarzwangsvollstreckung aufgrund des Vollstreckungsbefehls entstanden sind. Das Amtsgericht München hat die Festsetzung mit der Begründung abgelehnt, daß für die Festsetzung das Vollstreckungsgericht zuständig sei. Die hiergegen gerichtete Erinnerung und Beschwerde der Gläubigerin ist vom Amtsgericht und vom Landgericht München aus dem selben Grund und unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLG München (Rpfleger 1980, 440) zurückgewiesen worden.
Den daraufhin an das Amtsgericht Frankfurt als Vollstreckungsgericht gerichteten Kostenfestsetzungsantrag hat dieses ebenfalls zurückgewiesen; es hat dabei sowie auf eine Erinnerung der Gläubigerin hin den Standpunkt eingenommen, daß gem. § 103 Abs. 2 ZPO das Prozeßgericht für die Festsetzung zuständig sei. Mit gleicher Begründung hat das Landgericht Frankfurt die Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen. Es hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Die für die Bestimmung gem. § 36 Nr. 6 ZPO im vorliegenden Fall maßgebliche Frage, ob für die – trotz der Möglichkeit der Kostenbeitreibung gem. 788 ZPO grundsätzlich wahlweise statthafte – Festsetzung der Zwangsvollstreckungskosten das Gericht, das den Titel erlassen hat, oder das Vollstreckungsgericht zuständig ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet.
Für die lange Zeit herrschende erstere Meinung haben sich ausgesprochen: RGZ 85, 132; OLG München Rpfleger 1952, 435; OLG Köln JurBüro 1972, 1003; 1975, 1660, 1662; NJW 1976, 975; OLG Bamberg JurBüro 1973, 1202; 1977, 505; KG Rpfleger 1973, 181; AnwBl. 1977, 258; OLG Celle NdsRpfl. 1974, 85; OLG Düsseldorf VersR 1977 746 (L.); OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 194; OLG Oldenburg MDR 1980, 856 = AnwBl. 1980, 266; Stein-Jonas-Leipold, 20. Aufl., § 103 Rdnr. 15; Stein-Jonas-Münzberg, 20. Aufl., § 788 Rdnr. 27; Baumbach-Lauterbach-Hartmann, 40. Aufl., § 103, Anm. 2 E und § 788, Anm. 3 A, Wieczorek-Schütze, § 788, Anm. C I a; Zöller-Schneider, 13. Aufl., § 103, Anm. II, 2; Zöller-Scherübl, 12. Aufl., § 788, Anm. II, 4.
Die früher nur vereinzelt (vgl. OLG Dresden HRR 1936, Nr. 574) vertretene Gegenmeinung, die die – teils sogar als ausschließlich gem. § 802 ZPO beurteilte – Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts annimmt, geht überwiegend auf die Ausführungen Stöbers in Rpfleger 1966, 296 zurück und wird jetzt wie folgt vertreten: OLG Hamm Rpfleger, 1972, 147; 1976, 220; MDR 1978, 234; OLG Stuttgart Rpfleger 1974, 322; OLG Koblenz Rpfleger 1977, 454; OLG Bremen Rpfleger 1980, 305; Stöber Rpfleger 1966, 296 und 1980, 127; Thomas-Putzo, 11. Aufl. § 788, Anm. 3; Lappe MDR 1979, 795.
Das OLG München hat in der Entscheidung Rpfleger 1980, 440 unter Zustimmung Zöller-Scherübls (ab 13. Aufl.) die letztere Auffassung dahin modifiziert, daß ausnahmsweise die Zuständigkeit des Prozeßgerichts gegeben sei, wenn dieses bereits im Rahmen der Kostenfestsetzung nach der Kostengrundentscheidung tätig geworden und ein Vollstreckungsorgan (ausgenommen in den Fällen der §§ 887, – 888 und 890 ZPO) noch nicht mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen befaßt gewesen sei.
Der erkennende Senat folgt – wie auch schon in seinem Beschluß vom 14.5.1976 (I ARZ 78/76) – der bereits vom Reichsgericht a. a. O. vertretenen und näher begründeten ersteren Auffassung. Grundsätzlich sind danach gem. § 788 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Kosten mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben; wählt der Gläubiger aber, was ihm unverwehrt ist, statt des Verfahrens des § 788 ZPO die Festsetzung der Kosten, so erfolgt diese nach den allgemein für das Kostenfestsetzungsverfahren maßgeblichen Vorschriften der §§ 103 – 107 ZPO. Damit gilt auch die Bestimmung des § 103 Abs. 2 ZPO, wonach das Gericht des ersten Rechtszuges für das Festsetzungsverfahren zuständig ist. Unter diesem hat das Reichsgericht a. a. O. nur – und im Hinblick auf den Begriff des „Rechtszuges” mit Recht – ein Gericht verstanden, das in I. Instanz zur Entscheidung eines besonderen Streits berufen ist. Dies trifft – abgesehen von den vom Reichsgericht a. a. O. als Ausnahmen erwähnten echten Streitfällen des 8. Buches der ZPO – für das Vollstreckungsgericht regelmäßig nicht zu, so daß für die Festsetzung auch der Vollstreckungskosten grundsätzlich das Prozeßgericht I. Instanz in Betracht kommt.
Die von der Gegenmeinung gegen diese – vom Gesetzeswortlaut ausgehende – Beurteilung vorgebrachten Argumente können nicht überzeugen.
Auf besondere vollstreckungsrechtliche Kenntnisse kommt es bei der Kostenfestsetzung nicht entscheidend an; denn die Beurteilung der Notwendigkeit entstandener Kosten erfolgt nach den zu § 91 Abs. 1 ZPO entwickelten Grundsätzen und gehört – ebenso wie die Berechnung und Festsetzung der Kosten – nicht zu den spezifischen Aufgaben eines Vollstreckungsgerichts. Deshalb kann auch § 802 ZPO, der nur für derartige Aufgaben die ausschließliche Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts begründen soll, nicht als Argument dafür herangezogen werden, daß die Festsetzung in die vollstreckungsgerichtliche Zuständigkeit fallen müsse.
Ebensowenig greift der Hinweis durch (vgl. dazu OLG Bremen Rpfleger 1980, 305), bei Annahme der Zuständigkeit des Prozeßgerichts könne es zu unterschiedlichen Rechtsbehelfszügen kommen, je nachdem, ob der Gläubiger die Beitreibung der Kosten nach § 788 ZPO oder den Weg der Festsetzung wähle. Denn Wahlmöglichkeiten einer Partei mit nicht weniger weit gehenden Auswirkungen auch auf das anschließende Rechtsmittelverfahren sind in der ZPO nichts Außergewöhnliches; es gibt sie beispielsweise auch in § 35 ZPO, im Verhältnis der Klagen aus §§ 323 und 767 ZPO zueinander oder bei der wahlweise statthaften Erinnerung gem. § 766 ZPO in Fällen, in denen auch eine Klageerhebung zulässig ist (vgl. zu letzteren Baumbach-Lauterbach-Hartmann, § 766 Anm. 2 D).
Schließlich ist die Annahme der Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts auch nicht aus Gründen der Zweckmäßigkeit geboten. Eine Vereinheitlichung könnte damit ebensowenig erzielt werden wie mit der Zuständigkeit des Prozeßgerichts. Den von der Gegenmeinung angeführten Fällen, in denen aus mehreren, bei verschiedenen Gerichten erwirkten Titeln die Zwangsvollstreckung bei ein und demselben Vollstreckungsgericht betrieben wird (vgl. OLG München AnwBl. 1980, 440, 441), lassen sich kaum selteneren Fälle entgegenhalten, in denen die Zwangsvollstreckung aus einem Titel in mehreren Gerichtsbezirken stattfindet und somit nach § 764 Abs. 2 ZPO verschiedene Vollstreckungsgerichte zuständig sind (vgl. dazu auch OLG Oldenburg AnwBl. 1980, 266, 267 m. w. N.).
Fundstellen