Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Leitsatz (amtlich)
Ermöglichen die Angaben des Angeklagten die Festnahme eines Tatbeteiligten, sind die Voraussetzungen von § 31 Nr. 1 BtMG auch dann erfüllt, wenn dessen Tatbeitrag den Ermittlungsbehörden bereits bekannt war.
Normenkette
BtMG 1981 § 31 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 17 KLs 211 Js 18295/97) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11. August 1998 aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO)
- mit den die Aufklärungshilfe betreffenden Feststellungen im Ausspruch über die im Fall II B 3 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe;
- mit den Feststellungen im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten (gewerbsmäßigen) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Bestimmen einer Person unter 18 Jahren zur Förderung des Betäubungsmittelhandels, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt; sichergestelltes Heroin wurde eingezogen, ein Geldbetrag für verfallen erklärt.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus dem vom Generalbundesanwalt in seinem Antrag vom 27. Januar 1999 im einzelnen dargelegten Gründen erfolglos.
2. Die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3. Der Strafausspruch im Fall II B 3 der Urteilsgründe kann dagegen nicht bestehen bleiben.
a) Folgendes liegt zugrunde:
Der gesondert verfolgte M. K. hatte im Auftrag des R. – eines Schwagers des Angeklagten – als Kurier knapp 1 kg Heroin aus der Slowakei nach Stuttgart verbracht, das für den Angeklagten und dessen gesondert verfolgte Ehefrau bestimmt war. Die Übergabe durch K. erfolgte nicht unmittelbar an den Angeklagten, sondern auf der Grundlage genauer Anweisungen des Angeklagten auf einem Parkplatz an dessen in alles eingeweihten elf Jahre alten Sohn, der das Heroin in die elterliche Wohnung brachte. Der Angeklagte brachte K. derweilen zu einem Hotel in Stuttgart, wo er für ihn ein Zimmer reserviert hatte; zugleich kündigte der Angeklagte dem K. an, ihm am nächsten Morgen dort das Geld für das Heroin zu übergeben, das K. in die Slowakei bringen sollte.
Inzwischen hatte die Polizei mehrere Telefongespräche des Sohnes des Angeklagten mit seiner über alles informierten Mutter abgehört, die sich in einem Krankenhaus befand. Die Polizei betrat die Wohnung des Angeklagten und stellte das Heroin sicher. Während der Durchsuchung der Wohnung erschien der Angeklagte, der sofort festgenommen wurde. Er machte zwar keine Angaben zur Sache, teilte aber „auf Befragen … den Aufenthaltsort des … K. mit, der daraufhin am gleichen Abend im Hotel … festgenommen wurde.”
b) Unter diesen Umständen sind die Voraussetzungen von § 31 Nr. 1 BtMG erfüllt.
Danach kommt eine Strafrahmenverschiebung in Betracht, wenn der Täter durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beiträgt, daß die Tat über seinen Tatbeitrag hinaus aufgeklärt werden kann.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dies auch bei einem Angeklagten erfüllt sein, der zwar – sei es durch Schweigen (wie hier unmittelbar nach seiner Festnahme), sei es durch Bestreiten – seinen eigenen Tatbeitrag nicht offenlegt, wohl aber den eines Tatbeteiligten und dadurch über seinen Tatbeitrag hinaus Tataufklärung betreibt (vgl. die Nachw. bei Körner, BtMG 4. Aufl. § 31 Rdn. 20, 21, 23).
Hier liegt die Besonderheit darin, daß die Urteilsfeststellungen, die sich allerdings ausdrücklich hierzu nicht äußern, die Annahme sehr nahelegen, daß der Polizei sowohl der Name des K. als auch dessen Rolle bekannt war. Hierfür spricht, daß sie die Telefongespräche zwischen dem Sohn und der Ehefrau des Angeklagten abgehört hatte und sofort nach dem Aufenthaltsort des K. fragte, als der Angeklagte erschien.
Der Aufenthaltsort des K. war ihr also nicht bekannt; K., der Deutschland offenbar bald wieder verlassen hätte, um das Geld in die Slowakei zu bringen, konnte ersichtlich erst aufgrund der Angaben des Angeklagten („daraufhin”) festgenommen werden.
Allerdings verlangt § 31 Nr. 1 BtMG nicht notwendig einen Fahndungserfolg (BGH StV 1994, 544 m.w.Nachw.). Umgekehrt genügt aber die Ermöglichung eines Fahndungserfolgs, auch wenn das Verhalten des Tatbeteiligten den Ermittlungsbehörden bereits bekannt ist: Die Auslegung von § 31 BtMG hat sich an der Zielsetzung dieser Bestimmung zu orientieren (Franke/Wienroeder, BtMG § 31 Rdn. 2). § 31 Nr. 1 BtMG soll die Möglichkeit der Verfolgung begangener Straftaten verbessern (BGHSt 31, 163, 167; 33, 80, 81; BGH StV 1994, 543, 544). Diese Voraussetzungen können auch Angaben erfüllen, die geeignet sind, die Überzeugung zu vermitteln, daß die bisherigen Erkenntnisse über einen Tatbeteiligten zutreffen (st. Rspr., vgl. die Nachw. bei Körner aaO Rdn. 30). Allerdings setzt dies nicht zwingend voraus, daß sie sich in einen gegen den Tatbeteiligten gerichteten Strafverfahren letztlich bestätigen (vgl. aaO Rdn. 41, 42 m.w.Nachw.); andererseits können aber bestehende Erkenntnisse letztlich erst durch ein Verfahren verifiziert werden, das nur durchführbar ist, wenn der Tatbeteiligte den zuständigen Stellen auch tatsächlich zur Verfügung steht. Daher sind Angaben, die die Festnahme eines Tatbeteiligten ermöglichen, eine im Ergebnis besonders wirksame Form der Aufklärungshilfe.
c) Es kann offenbleiben, ob – auch unter Berücksichtigung der übrigen schwerwiegenden Taten des Angeklagten – angesichts der für sich genommenen rechtsfehlerfrei festgestellten und gewichteten erheblichen Strafschärfungsgründe im Fall II B 3 der Urteilsgründe, allein die unterbliebene Prüfung von § 31 Nr. 1 BtMG und einer hierauf gestützten Strafrahmenverschiebung zur Aufhebung des Strafausspruchs führen müßte, wenn die Strafkammer zumindest im Rahmen der konkreten Strafzumessung die durch die Angaben des Angeklagten ermöglichte Festnahme K. s erkennbar in ihre Erwägungen einbezogen hätte (vgl. Körner aaO Rdn. 74, 75 m.w.Nachw.). Jedenfalls weil auch dies nicht geschehen ist, kann die im Fall II B 3 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe keinen Bestand haben. Zugleich waren die die Aufklärungshilfe betreffenden Feststellungen aufzuheben; die übrigen zur Strafzumessung in diesem Fall getroffenen Feststellungen können dagegen bestehen bleiben.
Die Aufhebung dieser Strafe führt zugleich zur Aufhebung der Gesamtstrafe einschließlich der dazu getroffenen Feststellungen.
4. Die übrigen Einzelstrafen sind von dem aufgezeigten Fehler nicht berührt. Da sie auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen sind, können sie bestehen bleiben. Gleiches gilt für die Einziehungs- und die Verfallsentscheidung.
Unterschriften
Maul, Ulsamer, Granderath, Wahl, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 540062 |
NJW 1999, 1726 |
Nachschlagewerk BGH |
StV 1999, 436 |