Leitsatz (amtlich)
Hat das Berufungsgericht nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO angeordnet, dass der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden kann, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO im Regelfall nicht in Betracht, wenn der Beklagte Sicherheit geleistet hat und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger seinerseits Sicherheit leisten und die Zwangsvollstreckung einleiten wird.
Normenkette
ZPO § 719 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus dem Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Köln vom 22.6.2011 einstweilen einzustellen, wird abgelehnt.
Gründe
Rz. 1
I. Der Beklagten ist durch Urteil des OLG Köln verboten worden, im geschäftlichen Verkehr Regalsysteme für den Ladenbau entsprechend den Abbildungen in der Urteilsformel anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen. Das Urteil ist gem. § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt worden. Gemäß § 711 Satz 1 ZPO hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die Beklagte die Vollstreckung des Unterlassungsgebots durch Sicherheitsleistung i.H.v. 2 Mio. EUR abwenden darf, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Den in der Berufungsinstanz von der Beklagten nach § 712 Abs. 1 ZPO gestellten Vollstreckungsschutzantrag hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.
Rz. 2
Die Beklagte beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil hinsichtlich des Unterlassungsgebots einstweilen einzustellen.
Rz. 3
Sie macht geltend, die Vollstreckung des Unterlassungstitels würde ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen. Die Verkäufe des streitgegenständlichen Regalsystems auf dem deutschen Markt machten 30 % ihres Gesamtumsatzes aus. Entfielen diese Umsätze, stünden sämtliche 50 Arbeitsplätze am Produktionsstandort auf dem Spiel. Durch die erforderliche Umstrukturierung gingen mindestens 25 Arbeitsplätze verloren.
Rz. 4
II. Der Antrag ist unbegründet.
Rz. 5
1. Wird Revision gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und kein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Bei Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist diese Norm entsprechend anwendbar (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt hiernach nur in eng begrenzten Ausnahmefällen als letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners in Betracht.
Rz. 6
2. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung scheidet im Streitfall von vornherein aus, weil dem überwiegende Interessen der Klägerin entgegenstehen. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, zur Erbringung einer Sicherheitsleistung nicht in der Lage zu sein. Vielmehr hat sie der Klägerin bereits eine Bankbürgschaft über 2 Mio. EUR übermittelt. Könnte die Beklagte wegen der Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung den Vertrieb des Regalsystems im Inland fortsetzen und würde im weiteren Verfahrensgang das Verbot endgültig bestätigt, wäre die Klägerin wegen des ihr entstandenen Schadens nicht hinreichend gesichert.
Rz. 7
3. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Rz. 8
Nicht unersetzlich i.S.v. § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind Nachteile, die die Beklagte selbst vermeiden kann. Das Berufungsgericht hat in den Urteilstenor eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO aufgenommen. Die Beklagte kann danach die Zwangsvollstreckung gegen eine Sicherheitsleistung von 2 Mio. EUR abwenden. Sie hat auch bereits eine Bankbürgschaft in entsprechender Höhe gestellt. Die Klägerin hat zwar einzelne Klauseln der Bürgschaftsurkunde beanstandet. Darauf kommt es aber nicht an. Die Beklagte ist nicht gehindert - soweit dies nicht bereits geschehen ist -, der Klägerin eine ordnungsgemäße Bürgschaftsurkunde zur Verfügung zu stellen.
Rz. 9
Kann die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungsgebot durch Sicherheitsleistung abwenden, setzt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO voraus, dass nach Erbringung der Sicherheitsleistung durch die Beklagte damit zu rechnen ist, dass die Klägerin nach § 711 ZPO Sicherheit leistet und die Zwangsvollstreckung einleitet. Das ist zurzeit jedoch nicht der Fall. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass die Klägerin ihrerseits Sicherheit geleistet hat oder konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie Sicherheit leisten und die Zwangsvollstreckung einleiten wird.
Fundstellen
Haufe-Index 3207260 |
NJW 2012, 8 |
EBE/BGH 2012 |
EBE/BGH 2013 |
NJW-RR 2012, 1088 |
GRUR 2012, 959 |
JurBüro 2013, 50 |
WM 2013, 95 |
JZ 2012, 607 |
MDR 2012, 1064 |
GRUR-Prax 2012, 397 |
Mitt. 2013, 98 |
PAK 2012, 166 |