Entscheidungsstichwort (Thema)
bewaffneter Betäubungsmittelhandel
Leitsatz (amtlich)
Der Tatbestand des bewaffneten Betäubungsmittelhandels setzt nicht voraus, daß der Täter die Schußwaffe und das Betäubungsmittel gleichzeitig in seinem Besitz hat.
Normenkette
BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Kiel (Aktenzeichen XII KLs (5/97) 593 Js 6083/97) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 3. Februar 1998 im Schuldspruch dahingehend geändert, daß der Angeklagte H. wegen bewaffneten Betäubungsmittelhandels in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb einer Schußwaffe und von Munition zur Weitergabe an Nichtberechtigte und mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe, wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen verurteilt ist.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten H. und die Revision des Angeklagten S. werden verworfen.
3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen bewaffneten Betäubungsmittelhandels in Tateinheit mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt (Tatkomplex D); den Angeklagten H. hat es wegen bewaffneten Betäubungsmittelhandels in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb einer Schußwaffe und von Munition zur Weitergabe an Nichtberechtigte und mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe (Tatkomplex D), wegen Bandeneinfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen (Tatkomplex A), wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen (Tatkomplexe B und C), davon in vier Fällen (Tatkomplex B) in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten S. bleibt ohne Erfolg, die des Angeklagten H. führt nur zu der aus der Beschlußformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.
I.
1. Im Tatkomplex A hat der Angeklagte H. als Mitglied einer Bande in 12 Fällen durch das Bandenmitglied B. jeweils 25 kg Haschisch (davon in vier Fällen jeweils weitere 5 kg Haschisch besonders guter Qualität) aus Holland in die Bundesrepublik einführen lassen und dies teilweise selbst und teilweise durch zwei unbekannt gebliebenen Mittäter mit einem Gewinn von insgesamt 140.000 DM weiterverkauft. Damit hat sich der Angeklagte in jedem der 12 Fälle (nur) des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 a Abs. 1 BtMG schuldig gemacht. Dies gilt auch dann, wenn das Landgericht die beiden Mittäter nicht als Bandenmitglieder angesehen hätte. Die Anwesenheit des Bandenmitglieds B. bei den Verkäufen war nicht erforderlich. In den Fällen des § 30 a BtMG verbindet der Bandenhandel die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung, insbesondere also auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (BGHR BtMG § 30 a Konkurrenzen 1). Dieser Schuldspruch umfaßt auch die Unterstützung, die der Angeklagte allein durch den Verkauf eines Teils des Betäubungsmittels an seinen Zwischenhändler bezüglich dessen Weiterverkäufen geleistet hat. Die vom Landgericht deshalb erfolgte Verurteilung wegen jeweils tateinheitlicher Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringer Menge muß entfallen.
Der Senat hat deshalb den Schuldspruch umgestellt. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte gegen diesen Vorwurf nicht hätte anders verteidigen können. Die hierfür verhängten Einzelstrafen von jeweils fünf Jahren und drei Monaten werden von der Änderung des Schuldspruchs nicht berührt, da sie der Tatrichter aus dem Strafrahmen des § 30 a Abs.1 BtMG entnommen, die fehlerhaft angenommene Verwirklichung mehrerer Tatbestände nicht strafschärfend berücksichtigt, und sich der Gesamtschuldumfang des Tatgeschehens nicht geändert hat.
2. Im Tatkomplex B hat der Angeklagte H., nachdem das Bandenmitglied B. seine Tätigkeit beendet hatte, in vier Fällen durch einen Kurier jeweils 25 kg Haschisch (davon in einem Fall weitere 5 kg Haschisch besonders guter Qualität) aus Holland in die Bundesrepublik einführen lassen und zusammen mit seinen beiden Mittätern mit einem Gewinn von insgesamt 45.000 DM weiterverkauft. Der Angeklagte ist nicht dadurch beschwert, daß das Landgericht eine Erörterung, ob zwischen dem Angeklagten und seinen beiden Mittätern ein Bande bestanden hat, unterlassen und ihn nur wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Die Verurteilung wegen jeweils tateinheitlicher Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringer Menge muß jedoch entfallen, weil die insoweit allein durch die Weitergabe des Rauschgifts gegebene Unterstützung des Zwischenhändlers bei dessen Weiterverkäufen vom Schuldspruch des Handeltreibens mitumfaßt ist.
Auch hier beeinträchtigt die Korrektur des Schuldspruchs die Einzelstrafen von jeweils drei Jahren und drei Monaten nicht.
3. Im Tatkomplex C hat der Angeklagte H., nachdem die Geschäftsbeziehungen zu dem Zwischenhändler abgebrochen waren, in vier Fällen durch einen Kurier jeweils 25 kg Haschisch (davon in einem Fall weitere 5 kg Haschisch besonders guter Qualität) aus Holland in die Bundesrepublik einführen lassen und zusammen mit seinen beiden Mittätern an einzelne Abnehmer mit einem Gewinn von insgesamt 45.000 DM weiterverkauft. Der Schuldspruch wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen und der Strafausspruch von jeweils drei Jahren und drei Monaten enthalten keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler.
II.
Im Tatkomplex D hatten die beiden Angeklagten mit dem gesondert Verfolgten E. während mehrerer Tage über den Ankauf von 25 kg Kokain für 500.000 DM verhandelt. Im Verlauf der Gespräche verlangte E. neben einer Vorauszahlung von 100.000 DM auch die Übergabe einer Schußwaffe und eines Kraftfahrzeugs. Die Angeklagten übergaben deshalb 100.000 DM an E.. Der Angeklagte H. erwarb einen 38er Revolver und 50 Schuß Munition. Beides brachte er mit, als er mit dem Angeklagten S. wenige Tage später mit einem Kraftfahrzeug zu einem Treffen mit E. in ein Hotel fuhr, um über die Abwicklung des Rauschgiftgeschäftes im Detail zu sprechen. Nach dem Verlassen des Wagens übergab der Angeklagte H. die zusammen mit der Munition in einem Leinenbeutel befindliche Schußwaffe an den Angeklagten S., der sie ins Hotel trug und dort während des Gespräches, bei dem alle Beteiligten über Details des Rauschgiftgeschäfts verhandelten, an E. weitergab. Das Rauschgiftgeschäft wurde wegen der Festnahme des E. nicht abgewickelt. Das Landgericht ist zugunsten der beiden Angeklagten davon ausgegangen, daß sie durch E. nur getäuscht worden waren und dieser tatsächlich nicht über Rauschgift verfügt hatte.
1. Die Verurteilung wegen bewaffneten Betäubungsmittelhandels (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Angeklagten haben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben. Handeltreiben ist jede eigennützige, auf Betäubungsmittelumsatz gerichtete Tätigkeit, ohne daß es zu eigenen Umsatzgeschäften gekommen sein muß; für die Vollendung des Tatbestands genügt es vielmehr, daß der Täter das Stadium allgemeiner Anfragen verläßt und ernsthafte An- oder Verkaufsverhandlungen führt (st. Rspr., vgl. u.a. BGHSt 29, 239, 240; BGHR BtMG § 29 I Nr. 1 Handeltreiben 31 und 37 m.w.Nachw.). Die Angeklagten hatten sich in Gewinnerzielungsabsicht ernsthaft um den Umsatz von 25 kg Kokain bemüht und für das Geschäft auch bereits erhebliche Vorleistungen erbracht. Die Fahrt der Angeklagten im Auto zu dem Treffen mit dem Lieferanten und das im Hotel durchgeführte Gespräch dienten der Absprache letzter Modalitäten für die Übergabe des Rauschgifts und waren damit Teilakte des Handeltreibens. Hierbei haben die Angeklagten die Schußwaffe auch mit sich geführt.
Wegen der besonderen Struktur der Tatmodalität des unerlaubten Handeltreibens ist das Mitsichführen einer Schußwaffe auch bei Tätigkeiten, die den eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nur vorbereiten sollen, von § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfaßt (vgl. BGHR BtMG § 30 a II Mitsichführen 2). In dieser Entscheidung hat der 1. Strafsenat dahinstehen lassen, ob dies für alle denkbaren Akte des Handeltreibens, etwa auch für eine telefonische Absprache des Rauschgifthändlers mit einem Abnehmer zu gelten habe. Zu einer entsprechend einschränkenden Anwendung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG sieht der Senat für den vorliegenden Fall keinen Anlaß. Die Angeklagten trafen mit ihrem Handelspartner, dem sie bereits 100.000 DM Anzahlung geleistet hatten, persönlich zusammen. Dieser hatte sich bei einem früheren Zusammentreffen angeboten, als Vertrauensbeweis eine andere Person zu töten, und prahlte nun mit der Erfüllung des Versprechens. Die Angeklagten empfanden die Lage als bedrohlich.
Die Angeklagten führten bei der Tat auch eine Schußwaffe mit sich. Ein Mitsichführen liegt dann vor, wenn der Täter die Schußwaffe bewußt gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß er sich ihrer jederzeit bedienen kann. Am eigenen Körper muß die Waffe nicht getragen werden; es genügt, wenn sie sich in Griffweite befindet (BGHR BtMG § 30 a II Mitsichführen 2). Der Wille des Täters, die Waffe gegebenenfalls einzusetzen, ist nicht erforderlich (vgl. BGHR BtMG § 30 a II Mitsichführen 1). Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte H. bis zur Erreichung des Hotels unmittelbaren Zugriff auf die Schußwaffe. Von da an hatte der Angeklagte S. unmittelbaren Zugriff. Nach den Feststellungen liegt es nahe, daß die Waffe durch den Angeklagten S. so verwahrt wurde, daß der Angeklagte H. auf sie bei Bedarf hätte zugreifen können, so daß vor der Übergabe der Waffe an den Handelspartner beide Angeklagte Mitbesitz an der Schußwaffe hatten (vgl. BGHSt 42, 368 = BGHR BtMG § 30 a II Mitsichführen 3).
Eine einschränkende Auslegung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG dahin, daß der Täter das Betäubungsmittel und die Schußwaffe in jedem Fall zugleich verfügbar haben müsse, kommt nicht in Betracht (Lenckner NStZ 1998, 257, 258). Nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht das Mitsichführen beim Handeltreiben aus. Dem Gesetzgeber war bei Schaffung der Vorschrift die weite Auslegung, die das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch die Rechtsprechung erfahren hatte, bekannt. Hinweise, daß er dem § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG einen engeren Begriff des Handeltreibens zugrundelegen wollte, sind nicht vorhanden. Die besondere Gefahr, die von bewaffneten Drogenhändlern ausgeht, liegt auch dann vor, wenn diese – was je öfter vorkommt, je höher der Täter in der Hierarchie der Drogenhändler angesiedelt ist – selbst keinen Besitz am Betäubungsmittel haben (Weber, BtMG § 30 a Rdn. 100).
Die Entscheidung des 1. Strafsenats vom 16. September 1997 - 1 StR 427/98 (StV 1997, 638) steht der Verwerfung der Revision nicht entgegen. Wie der 1. Strafsenat auf Anfrage des Senats ausgeführt hat (Beschl. vom 13. April 1999 - 1 ARs 3/99), hält er, soweit der Begründung der Entscheidung ein entgegenstehender Rechtssatz entnommen werden könnte, an dieser Auffassung nicht fest.
Ein Fall, in dem für das geschützte Rechtsgut schlechterdings keine Gefahr bestehen kann (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 13. April 1999 - 1 ARs 3/99), liegt nicht vor.
2. Auch die für diesen Tatkomplex verhängten Strafen halten rechtlicher Überprüfung stand. Das Landgericht hat bei beiden Angeklagten einen minder schweren Fall des bewaffneten Betäubungsmittelhandels (§ 30 a Abs. 3 BtMG) abgelehnt. Es hat dabei zu Gunsten der Angeklagten u.a. deren mögliche Täuschung durch den gesondert Verfolgten E., die schwere Körperbehinderung des Angeklagten H., die untergeordnete Rolle des Angeklagten S. und die Umstände, die zur Beschaffung der Schußwaffe führten, erörtert und gegen die erschwerenden Umstände, insbesondere den ganz erheblichen Umfang des in Aussicht genommenen Geschäfts, die professionelle Betätigung des Angeklagten H. auf der Großhändlerebene sowie das zweifache Bewährungsversagen des Angeklagten S., abgewogen. Einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten enthält die ausführlich begründete Strafrahmenwahl nicht; gleiches gilt für die Erwägungen zur Strafzumessung im engeren Sinn. Die verhängten Einzelstrafen von acht Jahren für den Angeklagten H. und sieben Jahren und sechs Monaten für den Angeklagten S. können auch noch nicht als außerhalb des Rahmens schuldangemessener Sanktion befindlich angesehen werden.
III.
Bei der Zumessung der Gesamtstrafe für den Angeklagten H. hat das Landgericht zu Gunsten dessen schwere Körperbehinderung berücksichtigt und ausgeführt, daß es allein deswegen von einer Verhängung einer Freiheitsstrafe an der absoluten Obergrenze abgesehen hat. Angesichts der Menge des gehandelten Rauschgifts und der von dem Angeklagten dabei erzielten Einnahmen bestehen dagegen keine Rechtsbedenken.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Blauth, Miebach, Winkler, Pfister
Fundstellen
Haufe-Index 540567 |
NJW 1999, 3206 |
NStZ 2000, 208 |
Nachschlagewerk BGH |
StV 1999, 640 |
FA-BGS 2000, 21 |