Verfahrensgang
LG Kleve (Entscheidung vom 17.01.2024; Aktenzeichen 110 KLs 29/23) |
Tenor
1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 17. Januar 2024 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Der Angeklagte hat die Kosten der Wiedereinsetzung zu tragen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil
a) dahin geändert
aa) im Schuldspruch, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln und eines verbotenen Gegenstandes (Butterflymesser) schuldig ist,
bb) im Ausspruch über die Einziehung sichergestellten Bargeldes, dass die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.713 € angeordnet wird,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln und „eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG“ zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und unter anderem angeordnet, dass von sichergestelltem Bargeld „ein Betrag in Höhe von 2.713 EUR eingezogen“ wird. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist. Das Rechtsmittel hat - nach Gewährung der Wiedereinsetzung - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte zur Finanzierung seines eigenen Betäubungsmittelkonsums mit Haschisch, Cannabis, Amphetamin und Ecstasy. Im August 2023 bewahrte er in einem verschlossenen Tresor neben seinem Bett 54,7 Gramm Haschisch mit einer Wirkstoffmenge von 4,91 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC), 49,1 Gramm Cannabis mit 8,9 Gramm THC, 101,6 Gramm Amphetamin mit 28,2 Gramm Amphetaminbase und 35 Ecstasy-Tabletten auf. Insgesamt 102,2 Gramm Cannabis mit 13,59 Gramm THC und 100,35 Gramm Amphetamin mit 27,85 Gramm Base dienten dem gewinnbringenden Weiterverkauf, der Rest dem Eigenbedarf. Um seinen Besitz an den Rauschmitteln gegebenenfalls gegen Dritte zu verteidigen, hatte er hinter einer Couch einen Baseballschläger angelehnt, verwahrte er auf der Couch in einer Holzkiste mehrere Messer, lagerte er in dem Tresor ein funktionstüchtiges Butterflymesser und führte er in einem Rucksack ein Einhandmesser mit sich. Zudem befanden sich in einem Koffer ein Luftdruckgewehr und auf einem Heizkörper ein Elektroschocker.
Rz. 3
2. Dem Angeklagten ist auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu gewähren, da er - wie von seinem Verteidiger näher dargelegt - die Säumnis nicht zu verschulden hat (§ 44 Satz 1, §§ 45, 46 Abs. 1 StPO).
Rz. 4
3. Die umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat ergeben, dass der Schuldspruch infolge einer nach Urteilsverkündung eingetretenen neuen Gesetzeslage zu ändern ist und dies dem Strafausspruch die Grundlage entzieht. Davon unabhängig ist die Einziehungsentscheidung, soweit sie sichergestelltes Geld betrifft, zu modifizieren. Im Übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 5
a) Der Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, § 52 StGB) hat insofern Bestand, als er den Umgang mit Amphetamin betrifft. Soweit der Angeklagte Cannabis veräußern wollte, liegt ein bewaffnetes Handeltreiben mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 KCanG vor. Dieser nach Urteilsverkündung durch das Cannabisgesetz vom 27. März 2024 (BGBl. I Nr. 109) mit Wirkung vom 1. April 2024 geschaffene, tateinheitlich hinzutretende Straftatbestand ist hier gegenüber demjenigen des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln günstiger und daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO maßgeblich. Dies gilt angesichts des geringeren Schuldgehalts unabhängig davon, dass der für die Strafzumessung im Sinne des § 52 Abs. 2 StGB maßgebliche Strafrahmen unverändert geblieben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2024 - 3 StR 142/24). Dass das Landgericht keinen minder schweren Fall im Sinne des § 34 Abs. 4 KCanG angenommen hätte und daher der tatsächlich von ihm herangezogene minder schwere Fall des § 30a Abs. 3 BtMG milder wäre, ist nach den konkreten Umständen und ausgeführten Strafzumessungsgesichtspunkten, insbesondere der nur geringen Grenzwertüberschreitung, auszuschließen. Der darüber hinausgehende Besitz von 1,6 Gramm Cannabis mit 0,21 Gramm THC zur Deckung des Eigenbedarfs ist nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG nicht mehr strafbar.
Rz. 6
Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO (vgl. zur Tenorierung des Waffendelikts etwa BGH, Beschluss vom 28. Mai 2018 - 3 StR 115/18, juris Rn. 2 mwN).
Rz. 7
b) Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung der Strafe nach sich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht diese bei Berücksichtigung der aktuellen Rechtslage geringer bemessen hätte. Zwar ist weiter der tatsächlich angewendete Strafrahmen maßgeblich. Zudem trägt nach § 34 KCanG der herangezogene Milderungsgrund nicht, dass es sich bei Marihuana um eine „weiche Droge“ handele; denn die Strafnorm betrifft ausschließlich Cannabis (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24, juris Rn. 10). Allerdings ist mit Blick auf den nunmehr herabgesetzten Schuldumfang gleichwohl möglich, dass das Landgericht auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Daher ist eine neue tatgerichtliche Bewertung erforderlich. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind davon nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
Rz. 8
c) Die Einziehungsentscheidung ist dahin klarzustellen, dass die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen, nicht der Taterträge selbst, angeordnet ist. Da die Strafkammer festgestellt hat, dass von sichergestelltem Bargeld in Höhe von insgesamt 3.163,66 € lediglich ein Betrag von 2.713 € aus vorangegangenen Drogenverkäufen stammt, kommt lediglich die Einziehung des Wertes nach § 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB in Betracht; denn das aus anderen Straftaten herrührende Geld ist wegen der Vermengung mit legal erlangtem Geld nicht mehr individualisierbar vorhanden (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 22. November 2023 - 2 StR 371/23, NZWiSt 2024, 202 Rn. 4; vom 25. August 2021 - 3 StR 148/21, BGHR StGB § 73c Satz 1 Unmöglichkeit 1 Rn. 3).
Schäfer |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16461721 |