Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
Es wird festgestellt, daß die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 28. März 2000 wirksam zurückgenommen worden ist.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
1. Der Angeklagte selbst und sein Pflichtverteidiger haben gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 28. März 2000 Revision eingelegt; sowohl der Pflichtverteidiger als auch der nach der Urteilsverkündung beauftragte Wahlverteidiger haben das Rechtsmittel begründet. Mit seinem am 20. Juni 2000 beim Landgericht eingegangenen eigenhändigen Schreiben vom 18. Juni 2000 hat der Angeklagte erklärt: „Hiermit nehme ich meine Revision zurück”. In einem weiteren Schreiben vom 23. Juni 2000 hat er die Rechtsmittelrücknahme widerrufen.
2. Der Angeklagte hat die Revision am 20. Juni 2000 wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Erklärung wahrt die für die Zurücknahme des Rechtsmittels erforderliche Form (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 302 Rdn. 7). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Rücknahme auf eine unlautere Einwirkung durch Organe der Justiz zurückzuführen sein könnte. Der Hinweis des Angeklagten in seinem Schreiben vom 7. Juli 2000 an den Generalbundesanwalt auf „den Druck von den Beamten” (der Justizvollzugsanstalt) ist unsubstantiiert; aus den weiteren Ausführungen ergibt sich zudem, daß der Angeklagte nicht behaupten will, er sei gerade zur Abgabe der Rücknahmeerklärung gezwungen worden.
Die Zurücknahme eines Rechtsmittels setzt allerdings Verhandlungsfähigkeit des Erklärenden voraus. Ob er verhandlungsfähig war, ist vom Revisionsgericht im Freibeweisverfahren zu klären (BGH NStZ 1983, 280; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985, 207; bei Kusch NStZ 1992, 29; 1997, 378; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 302 Rdn. 3, 8a). Die Verhandlungsfähigkeit ist hier indes zu bejahen:
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß dem Angeklagten im Hinblick auf seinen geistigen Zustand die genügende Einsichtsfähigkeit für seine Prozeßhandlung und deren Tragweite gefehlt hätte. Das Landgericht ist in dem angefochtenen Urteil vielmehr von der uneingeschränkten strafrechtlichen Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen. Die Rücknahmeerklärung ist eindeutig; der Angeklagte hat sie in einem Begleitschreiben mit den Worten „… ich fühle mich schuldig, ich habe meine Strafe verdient” klar und verständlich begründet. Hinzu kommt, daß ihm am Eintritt der Rechtskraft sogar gelegen war; in weiteren, zeitgleich mit der Rücknahme des Rechtsmittels eingegangenen schriftlichen Äußerungen sowie in seinen Schreiben vom 5. und 7. Juli 2000 hat der Angeklagte nämlich wiederholt hervorgehoben, seine Entscheidung, die Revision zurückzunehmen, hätte auf seiner Erwartung beruht, sodann aus der Untersuchungshaftanstalt in ein anderes Gefängnis verlegt zu werden. Unter diesen Umständen vermag seine in den beiden Schreiben vom 5. Juli 2000 aufgestellte Behauptung, er habe bei Abgabe der Rücknahmeerklärung Depressionen gehabt, keine Zweifel an seiner Verhandlungsfähigkeit zu begründen (vgl. BGH, Beschluß vom 13. Oktober 1992 – 4 StR 433/92). Soweit der Angeklagte in seinen Schreiben vom 23. Juni 2000 sowie vom 5., 7. und 12. Juli 2000 darüber hinaus geltend macht, er sei damals verzweifelt gewesen und habe „unter psychischen Störungen und Angstzuständen und seelische(n) Grausamkeiten” gelitten, kann der Senat diesen nicht näher substantiierten Ausführungen ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verhandlungsunfähigkeit entnehmen. Das allgemein gehaltene Vorbringen des Angeklagten bietet daher keine Grundlage für weitere freibeweisliche Ermittlungen des Revisionsgerichts.
Die demnach wirksame Rücknahmeerklärung des Angeklagten, die sich auch auf das Rechtsmittel des Verteidigers erstreckt (vgl. BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985, 207; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 7; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 302 Rdn. 4 m.w.N.), hat zum Verlust des Rechtsmittels geführt (vgl. Ruß in KK/StPO 4. Aufl. § 302 Rdn. 14). Sie kann als Prozeßhandlung nicht widerrufen oder wegen Irrtums angefochten werden (BGHSt 10, 245, 247; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Rücknahme 2; BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 6); die späteren Erklärungen des Angeklagten, insbesondere der Widerruf im Schreiben vom 23. Juni 2000, vermögen somit an ihrer Rechtswirksamkeit nichts mehr zu ändern (vgl. BGH bei Kusch NStZ 1997, 378).
3. Da der Angeklagte die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme in Zweifel zieht, stellt der Senat die eingetretene Rechtsfolge förmlich fest.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute]
Fundstellen