Tenor
Der 4. Strafsenat hält an seiner, der beabsichtigten Entscheidung des 5. Strafsenats widersprechenden Rechtsprechung fest, wonach der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vorliegt, wenn eine Augenscheinseinnahme anlässlich einer Zeugenvernehmung unter Ausschluss des Angeklagten von der Hauptverhandlung durchgeführt und nach Wiederzulassung des Angeklagten in seiner Anwesenheit nicht wiederholt wurde. Diese Rechsprechung des 4. Strafsenats steht der beabsichtigten Verwerfung der Revision im vorliegenden Fall jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit nicht entgegen.
Gründe
Rz. 1
Der 5. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden:
Erfolgt nach Entfernung des Angeklagten während einer Zeugenvernehmung gemäß § 247 StPO in seiner andauernden Abwesenheit eine förmliche Augenscheinseinnahme, die mit der Vernehmung in engem Sachzusammenhang steht, so ist dem Angeklagten bei seiner Unterrichtung nach § 247 Satz 4 StPO das in seiner Abwesenheit in Augenschein genommene Objekt vorzuzeigen; das ist im Zusammenhang mit der Unterrichtung zu protokollieren. Bei einer so gestalteten Unterrichtung ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht erfüllt.
Rz. 2
Er hat daher bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob diese gegebenenfalls an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
Rz. 3
1. Soweit der 5. Strafsenat dem Begriff der Vernehmung im Sinne des § 247 StPO bei Rügen nach § 338 Nr. 5 StPO in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung den Inhalt geben will, den dieser Begriff nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Rügen nach § 338 Nr. 6 StPO hat, widerspricht dies der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsbeschluss NStZ 1997, 402).
Rz. 4
Gemäß § 230 Abs. 1 StPO hat die Hauptverhandlung in ununterbrochener Anwesenheit des Angeklagten stattzufinden, sofern das Gesetz keine Ausnahme zulässt. Seine Anwesenheit soll nicht nur dem Tatrichter einen unmittelbaren Eindruck von der Person des Angeklagten vermitteln und damit die Wahrheitsfindung fördern; gleichermaßen dient sie der Sicherung einer uneingeschränkten Verteidigung des Angeklagten und der Wahrung seines Rechts auf rechtliches Gehör (BGHSt 26, 84, 90; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 230 Rn. 3). Deshalb sind Vorschriften, die, wie § 247 StPO, Ausnahmen von der ununterbrochenen Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung zulassen, regelmäßig eng auszulegen (BGHSt 15, 194, 195; 22, 18, 20; 26, 218, 220). Im Hinblick auf die in den gesetzlichen Wertungen zum Ausdruck kommende fundamentale Bedeutung des Anwesenheitsrechts des Angeklagten hat der Senat Bedenken, den Begriff der Vernehmung im Sinne des § 247 StPO der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 338 Nr. 6 StPO anzugleichen (vgl. Senatsbeschluss vom heutigen Tage – 4 ARs 6/09).
Rz. 5
2. Soweit der anfragende Senat jedoch eine Heilung des geltend gemachten Verfahrensverstoßes darin sieht, dass der Angeklagte das Augenscheinsobjekt während seiner Unterrichtung gemäß § 247 Satz 4 StPO besichtigt hat und alle weiter anwesenden notwendigen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit hatten, das Augenscheinsobjekt ihrerseits erneut zu besichtigen, hält der Senat dies für ausreichend. Hier anders zu verfahren würde einen bloßen Formalismus darstellen (so schon der 2. Strafsenat NJW 1988, 429, 430) und ist auch unter Berücksichtigung der umfassenden Informationsrechte des Angeklagten nicht geboten. In dem dem anfragenden Senat zur Entscheidung vorliegenden Fall ist der Verfahrensverstoß daher als geheilt anzusehen, da das Augenscheinsobjekt vom Angeklagten auf Anordnung des Vorsitzenden im Rahmen seiner Unterrichtung nach § 247 Satz 4 StPO in Augenschein genommen wurde. Dass es den übrigen Verfahrensbeteiligten verwehrt gewesen wäre, das Augenscheinsobjekt aus Anlass der Unterrichtung des Angeklagten nach § 247 Satz 4 StPO nochmals zu besichtigen, ist nach Lage der Dinge nicht anzunehmen.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Athing, Franke, Mutzbauer
Fundstellen