Verfahrensgang
LG Aurich (Urteil vom 09.02.2021; Aktenzeichen 19 KLs 520 Js 21301/20 – 16/20) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 9. Februar 2021 im Ausspruch über die Einziehung des Messers aufgehoben; diese Entscheidung entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu Freiheitsstrafe verurteilt. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 130 EUR sowie „des Messers mit einer Klingenlänge von 8 cm” und „schwarzem Kunststoffgriff (Asservat 5)” angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zum Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Tat-erträgen keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich die zur Abschöpfung des Taterlöses getroffene Entscheidung:
Rz. 3
a) Hinsichtlich der vom Angeklagten durch die Raubtat erlangten 130 EUR Bargeld hat das Landgericht ohne Rechtsfehler auf Wertersatzeinziehung nach § 73 Abs. 1 Alternative 1, § 73c Satz 1 StGB erkannt. Denn zum Urteilszeitpunkt waren die nach der Tat sichergestellten Banknoten und/oder Geldmünzen als individualisierbare Objekte nicht mehr vorhanden, weil sie bei der Gerichtskasse eingezahlt worden waren.
Rz. 4
Mit der Einzahlung sichergestellten Bargelds auf ein von der Justiz geführtes Konto tritt der hiermit entstandene öffentlichrechtliche Auszahlungsanspruch gegen die Staatskasse an die Stelle der körperlichen Zahlungsmittel. Für die durch eine Beschlagnahme bewirkte Verstrickung ist dies seit dem 1. Juli 2021 in § 111d Abs. 3 Satz 2 StPO ausdrücklich „klargestellt” (BT-Drucks. 19/27654 S. 138). Für die Bestimmung des Gegenstands der Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB, der erweiterten Einziehung von Taterträgen nach § 73a Abs. 1 StGB sowie der Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten nach § 74 Abs. 1 und 2 StGB gilt diese Identität ebenfalls, ohne dass die Surrogatseinziehung nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen zulässig sein muss. Denn nach der Anschauung des täglichen Lebens entfällt die unmittelbare Zuordnung des Einziehungsgegenstands zur rechtswidrigen Tat nicht dadurch, dass eine bestimmte Banknote oder Geldmünze als vertretbare Sache durch einen gleichwertigen Anspruch auf den entsprechenden Geldbetrag gegen die Staatskasse ersetzt wird (s. BGH, Urteil vom 14. Juli 1993 – 3 StR 251/93, BGHR StGB § 74 Identität 1 [für die Einziehung von Tatmitteln nach § 74 Abs. 1 StGB aF]; Urteil vom 23. Juli 2014 – 2 StR 20/14, NStZ-RR 2015, 282, 283 [für den erweiterten Verfall nach § 73d Abs. 1 StGB aF]; Urteil vom 18. September 2019 – 1 StR 320/18, NJW 2020, 164 Rn. 36; LG Hildesheim, Beschluss vom 20. April 2020 – 22 Qs 4/20, juris Rn. 48 [jeweils für die erweiterte Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB]; ferner Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 74 Rn. 15; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 74 Rn. 45; NK-StGB/Saliger, 5. Aufl., § 74 Rn. 15 f.).
Rz. 5
Die Einzahlung des Bargelds hat allerdings zur Folge, dass die Banknoten oder Geldmünzen aufgrund Vermengung als individualisierbare Objekte nicht mehr vorhanden sind und somit die Anordnung ihrer Einziehung ins Leere geht; die Wirkung der Maßnahme gemäß § 75 StGB kann sich nicht mehr auf die körperlichen Zahlungsmittel erstrecken. Soweit das Tatgericht nach § 73 Abs. 1 StGB vorgeht, hat es daher die Einziehung des Auszahlungsanspruchs gegen die Staatskasse anzuordnen. Gemäß § 73c Satz 1 StGB ist aber auch – dem Wortlaut der Norm entsprechend – die Einziehung des Wertes dieser Forderung zulässig (vgl. für den Verfall des Wertersatzes [§ 73a StGB aF] GJW/Wiedner, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 73a StGB Rn. 11a). Der eingezahlte Geldbetrag ist dann im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2021 – 3 StR 45/21, juris). Falls sichergestelltes Bargeld auf einem Justizkonto eingegangen ist, verhält es sich somit anders als in dem Fall, dass dieses asserviert worden ist (zum Ausschluss der Wertersatzeinziehung im letztgenannten Fall vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2021 – 5 StR 447/20, wistra 2021, 318 Rn. 7).
Rz. 6
b) Dahinstehen kann, ob es in einem Fall wie dem hier zu beurteilenden durchgreifend rechtsfehlerhaft wäre, wenn das Tatgericht die Einziehung des sichergestellten Bargelds anordnete (eine solche Anordnung nicht beanstandend BGH, Urteil vom 14. Juli 1993 – 3 StR 251/93, BGHR StGB § 74 Identität 1 [zu § 74 Abs. 1 StGB aF]; s. auch BGH, Urteil vom 23. Juli 2014 – 2 StR 20/14, juris Tenor, Rn. 9 [zu § 73d Abs. 1 StGB aF]). Der Umstand, dass mit der Einzahlung auf ein Justizkonto der hiermit entstandene Auszahlungsanspruch gegen die Staatskasse an die Stelle der Banknoten oder Geldmünzen tritt, könnte insoweit gegebenenfalls bei der Vollstreckung Berücksichtigung finden.
Rz. 7
2. Der Ausspruch über die Einziehung des bei der Tat verwendeten Messers unterliegt hingegen der Aufhebung. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
Rz. 8
„Die Einziehung des Messers ist … rechtsfehlerhaft. Auf § 74 Abs. 1 StGB kann sie entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht gestützt werden, weil die Kammer nicht festgestellt hat, dass das Messer im Eigentum des Angeklagten steht. Da der Angeklagte das Messer aus der Küche einer fremden Wohnung nahm, spricht hier alles dafür, dass das Messer im Eigentum eines oder beider Bewohner der Wohngemeinschaft stand. Eine Sicherungseinziehung gem. § 74b Abs. 1 Nr. 2 StGB scheidet aus, da es sich bei dem Küchenmesser nicht um einen generell gefährlichen Gegenstand handelt (vgl. MüKo/Joecks/Meißner, 4. Aufl. (2020), § 74b Rn. 2f.; Feldmann, GA 2014, S. 333 (345); Beck-OK/Heuchemer, 49. Edition, § 74b Rn. 3). Auch bestand nach den Feststellungen nicht die konkrete Gefahr, dass der Angeklagte, der nur als Gast in der Wohnung war und aus eigener Machtvollkommenheit ohne Zutun oder gar Einwilligung der Wohnungsinhaber das Messer gesucht und genommen hatte, wieder eine Tat damit begehen würde (individuell gefährlicher Gegenstand).”
Rz. 9
Dem verschließt sich der Senat nicht. Da nicht zu erwarten ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung das Eigentum des Angeklagten an dem Messer festgestellt werden könnte, hat die Entscheidung über die Einziehung dieses Tatmittels zu entfallen.
Rz. 10
3. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Schäfer, Berg, Anstötz, Erbguth, Voigt
Fundstellen
Haufe-Index 14889975 |
NStZ 2022, 405 |
wistra 2022, 26 |
NStZ-RR 2021, 373 |