Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 17.03.2023; Aktenzeichen 546 KLs 18/22) |
Nachgehend
Tenor
Der Antrag des Angeklagten vom 21. Juni 2023, die Bestellung von Rechtsanwältin Bö. zur Pflichtverteidigerin aufzuheben und ihm stattdessen Rechtsanwalt I. beizuordnen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Rz. 1
Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten mit Urteil vom 17. März 2023 wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte durch seine Pflichtverteidigerin Rechtsanwältin Bö. Revision eingelegt. Das Landgericht hat das Rechtsmittel mangels fristgerechter Begründung mit Beschluss vom 8. Juni 2023 gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.
Rz. 2
Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2023 hat Rechtsanwalt I. als gewählter Verteidiger des Angeklagten die Revision mit der allgemeinen Sachrüge begründet sowie Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist, die Entscheidung des Revisionsgerichts über den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts und außerdem beantragt, ihn unter Entpflichtung der bisherigen Verteidigerin dem Angeklagten für das Revisionsverfahren als Pflichtverteidiger beizuordnen. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und der bisherigen Pflichtverteidigerin sei zerrüttet, nachdem diese es versäumt habe, die Revision auftragsgemäß zu begründen.
II.
Rz. 3
Die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidigerwechsel liegen nicht vor.
Rz. 4
Eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses gemäß § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StPO ist vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Angeklagten aus zu beurteilen und muss vom Antragsteller substantiiert dargelegt werden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 4. Februar 2022 - 5 StR 366/21; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 143a Rn. 21 f.). Daran fehlt es.
Rz. 5
Schon aus dem Vortrag selbst ergeben sich keine ausreichenden Umstände, die die Annahme einer endgültigen Störung des Vertrauensverhältnisses rechtfertigen könnten. Dies folgt auch nicht ohne weiteres aus der Behauptung, dass die Pflichtverteidigerin die Revision entgegen dem Auftrag des Angeklagten nicht begründet habe. Denn es kann sich auch um ein Versehen oder ein Missverständnis handeln. Dass die Pflichtverteidigerin die Revisionsbegründung bewusst weisungswidrig oder gar in der Absicht nicht gefertigt hat, ihm Nachteil zuzufügen, behauptet der Angeklagte selbst nicht.
Rz. 6
Darüberhinaus ist die Pflichtverteidigerin der eidestattlichen Versicherung des Angeklagten entgegengetreten, er habe sie mit der Fertigung der Revisionsbegründung beauftragt. Sie hat anwaltlich versichert, der Angeklagte habe sie nach Besprechung der schriftlichen Urteilsgründe im Gegenteil darum gebeten, die Revision zurückzunehmen, woraufhin sie das Rechtsmittel nicht begründet habe. Damit ist bereits nicht belegt, dass die Nichtbegründung der Revision durch die Pflichtverteidigerin überhaupt weisungswidrig erfolgt ist.
Rz. 7
Vor diesem Hintergrund besteht auch kein Raum für die Annahme, wegen grober Pflichtverletzung der Verteidigerin sei eine angemessene Verteidigung aus sonstigen Gründen nicht mehr gewährleistet im Sinne des § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO (vgl. hierzu nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 143a Rn. 26 f. mwN).
Cirener
Fundstellen
Dokument-Index HI15873792 |