Leitsatz (amtlich)
1. Das deutsche Gericht ist nach Art. VII Abs. 1 UNÜ befugt - auch ohne dass sich die Parteien darauf berufen -, auf das anerkennungsfreundlichere innerstaatliche Recht in toto zurückzugreifen.
2. Für den Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs ist nach §§ 1025 Abs. 4, 1064 Abs. 3i. V. m. Abs. 1 ZPO lediglich die Vorlage des Schiedsspruchs in Ur- oder beglaubigter Abschrift erforderlich, nicht dagegen die Vorlage einer Übersetzung des Schiedsspruchs oder der Schiedsvereinbarung. Diese nationale Regelung hat nach dem Günstigkeitsprinzip des Art. VII Abs. 1 UNÜ Vorrang vor der entsprechenden Bestimmung des Art. IV UNÜ.
Normenkette
ZPO § 1025 Abs. 4, § 1064 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Beschluss vom 27.08.2002) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerden der Antragsgegner gegen den Beschluss des Hanseatischen OLG Hamburg, 6. Zivilsenat, vom 27.8.2002 werden als unzulässig verworfen.
Die Antragsgegner haben die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 12.346,76 Euro.
Gründe
I.
Durch Schiedsspruch eines Schiedsgerichts in G. v. 12.2.2002 wurden die Antragsgegner als Gesamtschuldner verurteilt, an die Antragsteller 125.000 SEK als Ersatz für deren Kosten der Rechtsverfolgung im Schiedsverfahren zu zahlen. Die Antragsteller begehren die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs.
Das OLG hat die Aufrechnung der Antragsgegner mit einem gegen die Antragsteller gerichteten Kostenerstattungsanspruch i. H. v. 12.500 SEK für begründet erachtet und den Schiedsspruch i. H. v. 112.500 SEK für vollstreckbar erklärt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsgegner ihren Antrag, das Gesuch der Antragsteller um Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs insgesamt zurückzuweisen, weiter.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners zu 1 ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist (§§ 575 Abs. 1 S. 1, 577 Abs. 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerdeschrift ist am 7.10.2002, nach Ablauf der für den Antragsgegner zu 1 bis zum 4.10.2002 laufenden Frist zur Einreichung der Beschwerdeschrift, eingegangen.
2. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners zu 2 ist gleichfalls nicht zulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
a) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Grundsätzlichkeit oder dem der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wäre insbesondere in Betracht gekommen, wenn in diesem Vollstreckbarerklärungsverfahren Verfahrensgrundrechte oder der ordre public verletzt worden wären. Die Rechtsbeschwerde hat einen solchen Zulassungsgrund jedoch nicht dargelegt (vgl. § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
b) Die Rechtsbeschwerde begehrt die Zulassung wegen Grundsätzlichkeit und zur Fortbildung des Rechts (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 1 ZPO), weil im Streitfall zu klären sei, ob für die nach Art. IV Abs. 2 S. 2 des Übereinkommens v. 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. II 1961, 121, künftig UNÜ) erforderliche Beglaubigung von Übersetzungen des Schiedsspruchs und der Schiedsvereinbarung die Beglaubigung durch einen Honorarkonsul genüge.
Die Frage ist nicht entscheidungserheblich.
aa) Das OLG ist zulässigerweise von den nationalen Bestimmungen über die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (§§ 1025 Abs. 4; 1061 bis 1065 ZPO) und nicht unmittelbar von dem UNÜ ausgegangen.
Im Streitfall ist die unmittelbare Anwendung des UNÜ eröffnet. Nachdem die Bundesrepublik Deutschland den Vertragsstaatenvorbehalt (Art. I Abs. 3 S. 1 UNÜ) zurückgezogen hat, kann in der Bundesrepublik Deutschland jeder Schiedsspruch, der im Ausland - hier in G./Schweden - ergangen ist (Art. I Abs. 1 S. 1 UNÜ), nach dem UNÜ anerkannt und vollstreckt werden (BGH, Urt. v. 1.2.2001 - III ZR 332/99, MDR 2001, 645 = BGHReport 2001, 344 [345]). Das UNÜ lässt aber die Anwendung nationalen Rechts zu, so weit es der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs günstiger ist (Art. VII Abs. 1 UNÜ). Das deutsche Gericht ist deshalb befugt - auch ohne dass sich die Parteien darauf berufen -, auf das anerkennungsfreundlichere innerstaatliche Recht in toto zurückzugreifen; denn es hat das Recht - völkerrechtliche Verträge ebenso wie (originär-)nationales Recht - von Amts wegen zu beachten (allgemeine Ansicht, vgl. BGH, Urt. v. 12.2.1976 - III ZR 42/74, WM 1976, 435 f.; und v. 10.5.1984 - III ZR 206/82, MDR 1985, 125 = WM 1984, 1014; BGHZ 52, 184 [187], zum Genfer Abkommen von 1927; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl. 2002, Anh. § 1061 Rz. 160 f.; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2001, Schlussanhang IZPR Art. VII UNÜ Rz. 4; Bredow in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Januar 2003, Art. VII UNÜ Erl. 1a. E.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Aufl. 2000, Kap. 42 Rz. 25 f.).
bb) Die mithin anwendbare Zivilprozessordnung verweist im Grundsatz auf das UNÜ (§ 1061 Abs. 1 S. 1), trifft jedoch hinsichtlich der Vorlagepflichten der die Anerkennung nachsuchenden Partei eine eigenständige nationale Regelung in § 1064 Abs. 3i. V. m. Abs. 1 ZPO. Diese Regelung hat, was das OLG nicht berücksichtigt hat, nach dem Günstigkeitsprinzip des Art. VII Abs. 1 UNÜ Vorrang vor der entsprechenden Bestimmung des Art. IV UNÜ; denn sie ist anerkennungsfreundlicher (vgl. BayObLGZ 2000, 233 [236]; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 1064 Rz. 4; Zöller/Geimer, ZPO, 23. Aufl., Anh. nach § 1061 Art. IV UNÜ Rz. 4; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl. 2003, Schlussanhang Art. IV UNÜ Rz. 1; Thomas/Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, § 1061 Rz. 6; Musielak/Voit, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 1064 Rz. 4; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Aufl., Kap. 58 Rz. 2a. E.; a. A. Münch in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 1064 Rz. 1: ergänzende Geltung des Art. IV UNÜ neben § 1064 Abs. 3i. V. m. Abs. 1 ZPO). § 1064 Abs. 3i. V. m. Abs. 1 ZPO fordert für den Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs lediglich die Vorlage des Schiedsspruchs in Ur- oder beglaubigter Abschrift, was hier unstreitig geschehen ist. Auf die Vorlage einer in bestimmter Weise beglaubigten Übersetzung des Schiedsspruchs oder der Schiedsvereinbarung kommt es - anders als bei Art. IV UNÜ - nicht an.
c) Auch das weitere Vorbringen der Rechtsbeschwerde wirft keine Fragen auf, die deren Zulassung rechtfertigen können.
Fundstellen
Haufe-Index 1050012 |
NJW-RR 2004, 1504 |
EWiR 2003, 1163 |
WM 2004, 703 |
InVo 2004, 248 |
MDR 2004, 228 |
IDR 2004, 42 |
Mitt. 2004, 92 |