Verfahrensgang
LG Potsdam (Entscheidung vom 04.12.2007; Aktenzeichen 5 T 611/07) |
AG Potsdam (Entscheidung vom 20.08.2007; Aktenzeichen 35 IN 370/06) |
Gründe
I. Am 13. April 2006 beantragte ein Gläubiger, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, eines selbständigen Bäckermeisters, zu eröffnen. Der Schuldner erhielt die Abschrift des Antrags zur Kenntnis mit (u.a.) folgender Belehrung:
"Sie haben auch die Möglichkeit, innerhalb von 2 Wochen selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Die Voraussetzungen hierzu ergeben sich aus §§ 304 ff. InsO."
Am 26. Juli 2006 stellte ein weiterer Gläubiger Insolvenzantrag gegen den Schuldner. Das Gericht belehrte den Schuldner (u.a.) wie folgt:
"Gemäß § 20 Abs. 2 InsO werden Sie darauf hingewiesen, dass Sie nach Maßgabe der §§ 286 bis 303 InsO Restschuldbefreiung erlangen können. Hierzu müssten Sie jedoch binnen 2 Wochen nach Erhalt dieses Schreibens beantragen, dass das Insolvenzverfahren über Ihr Vermögen eröffnet und Ihnen Restschuldbefreiung erteilt wird, § 287 Abs. 1 InsO. Mit einer solchen Restschuldbefreiung in einem von Ihnen beantragten Insolvenzverfahren könnten Sie von Ihren Verbindlichkeiten (Ihren Schulden) gegenüber Ihren Gläubigern nach Maßgabe der §§ 287 bis 303 InsO befreit werden. Sollten für Sie die Regelungen der §§ 304 ff. InsO, des sogenannten Verbraucherinsolvenzverfahrens gelten, was das Insolvenzgericht zur Zeit nicht beurteilen kann, müssten Sie ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren durchlaufen. Hierzu benötigen Sie jedoch die Hilfe einer geeigneten Stelle, z.B. einer Schuldnerberatung oder eines Rechtsanwalts. Sollten Sie als Verbraucher einen eigenen Antrag stellen wollen, so würde Ihnen das Gericht gem. § 306 Abs. 3 Satz 1 InsO Gelegenheit hierzu gewähren. Voraussetzung ist jedoch, dass Sie binnen von drei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Sollten Sie keinen eigenen Insolvenzantrag stellen und das Insolvenzverfahren eröffnet werden, könnten Sie eine Restschuldbefreiung mangels eines eigenen Antrags nicht erhalten."
Am 28. September 2006 beantragte der Schuldner selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, die Stundung der Verfahrenskosten sowie die Erteilung der Restschuldbefreiung. Am 4. Oktober 2006 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit Beschluss vom 20. August 2007 hat das Insolvenzgericht den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung als unzulässig zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde will der Schuldner weiterhin die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses erreichen.
II. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 289 Abs. 2 Satz 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen. Der Eigenantrag und der Antrag auf Restschuldbefreiung sind zulässig.
1. Voraussetzung für die Gewährung der Restschuldbefreiung ist ein Eigenantrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Für das Verbraucherinsolvenzverfahren ergibt sich dies aus § 305 Abs. 1, § 306 Abs. 3 InsO; im Regelinsolvenzverfahren muss der Schuldner dann, wenn er die Restschuldbefreiung anstrebt, ebenfalls einen Eigenantrag stellen (BGHZ 162, 181, 183 m.w.N.). Der Eigenantrag des Schuldners ist nur bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig. Nach Eingang eines Gläubigerantrags hat das Insolvenzgericht den Schuldner deshalb darauf hinzuweisen, dass er zur Erreichung der Restschuldbefreiung nicht nur einen entsprechenden Antrag, sondern darüber hinaus auch einen Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung stellen muss. Dazu ist ihm eine (richterliche) Frist zu setzen (BGHZ 162, 181, 184).
2. Von diesen Grundsätzen ist das Beschwerdegericht ausgegangen. Es hat - ebenso wie zuvor das Insolvenzgericht - den Antrag auf Gewährung der Restschuldbefreiung jedoch deshalb für unzulässig gehalten, weil er nicht innerhalb der "3-Wochen-Frist gemäß richterlicher Verfügung" beim Insolvenzgericht eingegangen sei. Dies trifft nicht zu. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat (vgl. BGH, Beschl. v. 3. Juli 2008 - IX ZB 182/07, WM 2008, 1748, 1749 Rn. 16 ff), ist die Frist, die dem Schuldner nach Eingang eines Gläubigerantrags zur Stellung eines Eigenantrags sowie eines Antrags auf Restschuldbefreiung gesetzt werden muss, keine Ausschlussfrist. Die Versäumung der Frist allein führt nicht zur Unzulässigkeit des Eigenantrags und des Antrags auf Restschuldbefreiung. Die Frist soll den Schuldner wegen des Gebotes der Verfahrensbeschleunigung (vgl. BGHZ 162, 181, 185 f.) dazu anhalten, sich baldmöglichst zu entscheiden, ob er selbst einen Eigenantrag stellen will, der ihm die Möglichkeit der Restschuldbefreiung offen hält, oder ob er dem Gläubigerantrag entgegen treten will. Diesem Zweck wird bereits dadurch genügt, dass das Insolvenzverfahren nach Ablauf der Frist dann, wenn die Eröffnungsvoraussetzungen gegeben sind, jederzeit eröffnet werden kann. Weil nach der Eröffnung ein mit einem Eigenantrag verbundener Antrag auf Restschuldbefreiung nicht mehr zulässig ist, wird der Schuldner, der einen entsprechenden Antrag stellen will, die Frist zu wahren suchen.
3. Im vorliegenden Fall hat der Schuldner seine vollständigen Anträge auf Insolvenzeröffnung und Restschuldbefreiung zwar nach Fristablauf, aber zu einem Zeitpunkt beim Insolvenzgericht eingereicht, in dem das Verfahren noch nicht eröffnet war.
III. Die angefochtenen Beschlüsse können deshalb keinen Bestand haben. Sie sind aufzuheben (§ 577 Abs. 4 ZPO). Einer Zurückverweisung der Sache an das Beschwerde- oder an das Insolvenzgericht bedarf es nicht (§ 577 Abs. 5 ZPO). Das Insolvenzgericht wird im Schlusstermin über den Antrag auf Restschuldbefreiung zu entscheiden haben (§ 289 Abs. 1 InsO).
Fundstellen
Haufe-Index 2962184 |
VuR 2009, 198 |
ZInsO 2008, 1138 |