Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 18.01.2011) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 18. Januar 2011, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen begegnet die Begründung, mit der das Landgericht von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abgesehen hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 3
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 19. August 2011 folgendes ausgeführt:
„Das sachverständig beratene Landgericht hat einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsum im Sinne des § 64 StGB bejaht, jedoch gemeint, es fehle an einem symptomatischen Zusammenhang mit der Straftat. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Tat aufgrund der Alkohol- und Drogenabhängigkeit begangen worden wäre, der Rausch also gewissermaßen den Anreiz für die Tat gegeben hätte. Davon sei nicht auszugehen. Ursache für den Tatentschluss sei die Wut des Angeklagten auf den Nebenkläger gewesen, die der Mitangeklagte K. für seine Zwecke ausgenutzt habe, wobei ihm die alkohol- und drogenbedingte Enthemmung des Angeklagten lediglich zugute gekommen sei (UA S. 27).
Diese Begründung trägt das Absehen von einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht. Sie lässt besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und der Anlasstat des Täters ausgegangen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5 m.w.N.; vgl. auch Senat, Beschluss vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11 – Rn. 7).
So liegt es hier. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt des Tatenschlusses und der Tatbegehung unter Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden hat. Die Suchtmittelbeeinflussung hatte nach Überzeugung der Kammer den Tatenschluss des Angeklagten begünstigt. Der Grad seiner Alkoholisierung bei Begehung der Tat führte im Zusammenwirken mit dem zusätzlichen Drogenkonsum zur Annahme verminderter Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB (UA S. 16 f., 27). Dass die alkohol- und drogenbedingte Beeinflussung sowohl den Entschluss als auch die Ausführung der Gewalttätigkeiten mit beeinflusst hat, liegt demnach auf der Hand. Bestärkt wird dies zudem durch das unkontrollierte und wahllose Einschlagen und -treten auf den Nebenkläger (UA S. 15). Damit ist der erforderliche (symptomatische) Zusammenhang in dem Sinne dargetan, dass der Alkohol- und Drogenkonsum des Angeklagten die Tat mit ausgelöst hat, mag als zusätzlicher Tatauslöser auch die aus einer vorangegangenen Begebenheit resultierende Wut des Angeklagten auf den Nebenkläger hinzugekommen sein.
Nach den bisherigen Urteilsfeststellungen ist weder die Gefahr zukünftiger hangbedingter erheblicher Straftaten noch – angesichts der Methadonsubstitution und der in Aussicht stehenden Therapiemaßnahme (UA S. 12) – eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Therapie auszuschließen.
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGHSt 37, 5, 7; BGH NStZ-RR 2009, 59). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.). Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Angesichts der erheblichen Vorstrafen, des Bewährungsbruchs und des gesamten Tatbildes ist auszuschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.”
Rz. 4
Dem tritt der Senat bei.
Unterschriften
Ernemann, Roggenbuck, Cierniak, Mutzbauer, RiBGH Bender befindet, sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann
Fundstellen