Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Grundurteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 04. Oktober 1990 - 7 U 252/86 - wird nicht angenommen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 11.474.971,77 DM
Gründe
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO). Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54, 277).
1. Das Berufungsgericht hat aufgrund der von ihm durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung für erwiesen erachtet, dass dem seinerzeit bei der Klägerin beschäftigten Zeugen R. am 19. oder 20. Juli 1972 in den Räumen des Rathauses B. von einem dort tätigen städtischen Bediensteten erklärt worden sei, der Bebauungsplan 60 sei rechtsgültig. Es hat in dieser Erklärung eine unrichtige Auskunft erblickt, die den Tatbestand einer Amtspflichtverletzung zulasten der Klägerin erfüllte und die Amtshaftung der Beklagten nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG begründete. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
a) Es handelte sich hier nicht lediglich um die Offenlegung einer behördeninternen Willensbildung im Rahmen eines laufenden Verwaltungsverfahrens, sondern um eine verselbständigte, außengerichtete Mitteilung, die einen abgeschlossenen Lebenssachverhalt betraf. Deshalb war die Auskunft hier grundsätzlich geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen des um sie nachsuchenden Bürgers in ihre Richtigkeit zu begründen.
b) Zu Unrecht zieht die Revision in Zweifel, dass diese Erklärung von dem zuständigen Amtsträger abgegeben worden sei. Die Zuständigkeit lässt sich zwanglos bereits aus dem tatsächlichen Geschehensablauf herleiten: R. hatte beim Pförtner des Rathauses gefragt, wo er den Bebauungsplan einsehen könne, und war zu dem betreffenden Zimmer geschickt worden, wo er den Bediensteten antraf, der ihm den Plan zeigte. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei diesem Bediensteten etwa nicht um den Verwalter der Plankammer und damit um den für die Auskunftserteilung zuständigen Ansprechpartner gehandelt haben könnte, sind weder aus der damaligen Sicht des Zeugen R. noch aus der Rückschau eines objektiven Beobachters erkennbar.
c) Entgegen der Auffassung der Revision konnte auch aus der Sicht des Amtsträgers nicht zweifelhaft sein, dass R. eine verbindliche Klärung der Frage anstrebte, ob das Areal bebaubar war. R. war eigens zu dem Zweck gekommen, sich selbst von dem Bestehen eines gültigen Bebauungsplans zu überzeugen. Er hatte sich vorgestellt und sein Anliegen vorgetragen, nämlich, dass er von einer Hypothekenbank komme, sich für die Bebaubarkeit eines bestimmten Geländes interessiere und den Bebauungsplan, und zwar gezielt den Plan Nr. 60, einsehen wolle. Unbeschadet des Umstandes, dass das Gespräch in einer "unkomplizierten" Form verlief, bestand kein Anhaltspunkt dafür, dass es lediglich um ein allgemeines Informationsinteresse und nicht etwa um Vermögensdispositionen der auskunftsuchenden Hypothekenbank gehen sollte. Dabei ist es unerheblich, dass R. die Einzelheiten, insbesondere den Umfang des geplanten Kreditgeschäftes, nicht offengelegt hatte. Wenn der Bedienstete daraufhin "ohne jedes Wenn und Aber" die Antwort gab, der Bebauungsplan sei in Ordnung und die Bebaubarkeit sei gegeben, so muss die Beklagte für die haftungsrechtlichen Folgen dieser Erklärung einstehen.
d) Die Auskunft war falsch. Denn der Bebauungsplan war, wie unter allen Beteiligten außer Streit steht, nichtig, weil die ihn betreffende Bekanntmachungsanordnung vom 01. Februar 1967 nicht vom Bürgermeister, sondern vom Stadtdirektor unterzeichnet worden war (vgl. wegen der Einzelheiten das erste Revisionsurteil des Senats vom 11. Mai 1989 - III ZR 88/87, NJW 1990, 245 = VersR 1989, 959 = BGHR BBauG § 2 Abs. 7 Zusage 1, unter I. 5. b). Der damaligen Stadt B. waren, wie das Berufungsgericht feststellt, die Bedenken gegen die Wirksamkeit seit 1970 bekannt. Dementsprechend hätte, wie der Senat im ersten Revisionsurteil dargelegt hat (III. 4. a), der zuständige Bedienstete den auskunftsuchenden Bürger auf die Bedenken hinweisen müssen, die sich gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans ergaben. Die Gemeinde durfte, nachdem ihr die durch den Formfehler verursachte Nichtigkeit des Bebauungsplans bekannt geworden war, diesen Mangel nicht verschweigen. Sie hatte dafür zu sorgen, dass ihre Bediensteten, für deren Tätigkeit dies von Bedeutung sein konnte, auf Bedenken gegen die Gültigkeit des Bebauungsplanes hingewiesen und mit den erforderlichen Anweisungen versehen wurde. Die hierfür notwendigen organisatorischen Maßnahmen hatte sie indes, wie das Berufungsgericht weiter feststellt, nicht getroffen. Dieses Unterlassen begründete - unabhängig vom individuellen Verschulden des die Auskunft erteilenden Bediensteten - einen schuldhaften Organisationsmangel, für den die Gemeinde aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung einzustehen hat.
2. Die falsche Auskunft war auch für den Schaden ursächlich. Zu Unrecht macht die Revision hiergegen geltend, das Bauprojekt wäre auch bei Gültigkeit des Plans nicht realisierbar gewesen. Dieser Umstand änderte nichts daran, dass die Klägerin den Kredit im Vertrauen auf das Bestehen des Bebauungsplans gewährt hat und ihn bei Kenntnis von dessen Nichtigkeit nicht gewährt hätte. Dies reicht aus, um eine Kausalität zu bejahen.
3. Das Berufungsgericht hat ein Mitverschulden der Klägerin an der Entstehung des Haftungstatbestandes in seiner Gesamtheit verneint, sich jedoch für das Betragsverfahren die Prüfung ausdrücklich vorbehalten, ob hinsichtlich der Verursachung einzelner Schadenspositionen etwas anderes gelten könne. Die Revision erblickt ein Mitverschulden darin, dass die Klägerin sich für ihre Entscheidung über die Kreditbewilligung mit der Erklärung des Zeugen R. begnügt und darauf verzichtet hat, eine schriftliche Auskunft der Stadt B., einzuholen. Insoweit ist der Klägerin jedoch ein schuldhaftes Versäumnis nicht anzulasten. Indem sie den Zeugen R. damit betraute, sich an Ort und Stelle von der Existenz und der Wirksamkeit des Bebauungsplans zu überzeugen, hatte die Klägerin vielmehr eine geeignete und zweckmäßige Maßnahme ergriffen, um eine hinreichende Gewissheit über die Baulandqualität des Areals zu erlangen. Anhaltspunkte dafür, dass eine schriftliche Anfrage ein anderes Ergebnis gebracht hätte, waren aus der Sicht der Klägerin nicht erkennbar.
4. Auch die Feststellungen und Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht - im Anschluss an das erste Revisionsurteil (III.) - eine Verjährung des Amtshaftungsanspruchs verneint hat, sind frei von Rechtsfehlern. Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob die Verhandlungen, die die Parteien bis zum 09. Juli 1981 geführt hatten, solche "über den zu leistenden Schadensersatz" im Sinne des § 852 Abs. 2 BGB gewesen sind, braucht im Ergebnis nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn man der Revision darin folgt, dass Gegenstand dieser Verhandlungen nicht Schadensersatz im engeren Sinne, sondern eine "anderweitige Kompensation" gewesen ist, würde dies für eine Hinausschiebung des Verjährungsbeginns im Sinne des zweiten Leitsatzes des ersten Revisionsurteils ausreichen. Obwohl die Klägerin bereits durch den Beschluss des Planungsausschusses vom 26. Februar 1980 mit der konkreten Gefahr des Ausfalls ihrer Sicherheit konfrontiert wurde, wurden dadurch die Aussichten auf eine anderweitige Kompensation, die einen Schadensersatzprozess entbehrlich machte, noch nicht endgültig vereitelt. Der für die Hinausschiebung des Verjährungsbeginns maßgebende Gesichtspunkt, dass dem Berechtigten die Erhebung einer Schadensersatzklage nicht zumutbar ist, solange diese aussichtsreiche Möglichkeit besteht, trifft daher auch für diese Verhandlungen zu.
Fundstellen
Haufe-Index 3017213 |
BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 1 Auskunft 7 |
BGHR BGB § 852 Amtshaftung 3 |
BayVBl 1992, 221 |
BRS 1993, 141 |
BRS 53 Nr. 32 |