Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung zum Notar
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels des Antragstellers der Beschluß des 2. Senats für Notarsachen bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen vom 21. September 2000 aufgehoben.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1954 geborene Antragsteller ist seit 1983 als Rechtsanwalt beim Amts- und Landgericht Bremen zugelassen. Der Antragsgegner schrieb am 29. Juli 1999 vier Notarstellen mit Bewerbungsfrist zum 30. September 1999 zur Besetzung aus. Er wies im Ausschreibungstext darauf hin, daß es sich um sog. Altersstrukturstellen handele und sich die Ausschreibung, sofern während des Bewerbungsverfahrens weitere Notarstellen zu besetzen sein sollten, auch auf diese erstrecke. Auf die Ausschreibung bewarben sich außer dem Antragsteller weitere 42 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen. Im Hinblick darauf, daß im Laufe des Jahres 1999 mehrere Notare im Amtsgerichtsbezirk Bremen ausgeschieden waren, entschloß sich der Antragsgegner, im Rahmen des Bewerbungsverfahrens insgesamt zehn Notarstellen zu besetzen und diese an die Erstplazierten einer von ihm aufgestellten Rangordnung nach dem Grad der fachlichen Eignung zu vergeben. Mit Bescheid vom 30. Mai 2000 eröffnete der Antragsgegner dem Antragsteller, daß seine Bewerbung keinen Erfolg haben könne, weil er mit 98,6 Punkten lediglich den Rangplatz 30 erreicht habe. Zugleich wurde dem Antragsteller mitgeteilt, daß beabsichtigt sei, die Bewerber mit den Rangplätzen 1 bis 10 (mit Punktzahlen von 153,0 bis 124,65) zu Notaren zu bestellen.
Gegen den ablehnenden Bescheid des Antragsgegners hat sich der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt. Er hat geltend gemacht, die von dem Antragsgegner aufgestellte Rangordnung nach § 3 AVNot mit einer nach seiner Auffassung zu starken Gewichtung des Abschlußexamens und der notarspezifischen Fortbildung benachteilige ihn im Hinblick auf seine 17jährige Berufserfahrung als Rechtsanwalt in unzumutbarer Weise. Er habe – nach einem wesentlich besseren ersten Examen – die nur mit durchschnittlichem Erfolg bestandene Zweite juristische Staatsprüfung zu einer Zeit (1983) abgelegt, als deren Ergebnis noch ohne Bedeutung für den Zugang zum Anwaltsnotariat gewesen sei. Erst mit der Änderung der Bundesnotarordnung im Jahre 1991 hätten sich die Zugangsbedingungen nachträglich zu Lasten des Antragstellers verändert. Darüber hinaus sei es sachfremd, der Note des Abschlußexamens ein derartiges (fünffaches) Gewicht zu geben, zugleich aber die Punktzahl, die durch Berufserfahrung (Dauer der Anwaltszulassung und Anzahl der Notargeschäfte als Notarvertreter) erzielt werden kann, zu begrenzen.
Der Antragsteller hat beantragt, dem Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Mai 2000 aufzugeben, ihn zum Notar zu bestellen, hilfsweise das Auswahlverfahren zur Besetzung der ausgeschriebenen Notarstellen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu durchzuführen. Das Oberlandesgericht (Senat für Notarsachen) hat unter Zurückweisung des Hauptantrags dem Hilfsantrag des Antragstellers stattgegen. Es hat in der Multiplizierung des Ergebnisses der Abschlußprüfung bei der einstufigen Juristenausbildung in Bremen mit dem Faktor 5 – bei fünf Mitbewerbern auf Rangplätzen zwischen 1 und 10 – eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den Bewerbern aus einer zweistufigen Juristenausbildung gesehen, weil die Abschlußprüfung in der einstufigen Juristenausbildung wesentliche wissenschaftlich-theoretische Bestandteile enthalten habe, wogegen bei den Bewerbern aus der zweistufigen Ausbildung nur die Ergebnisse der Zweiten juristischen Staatsprüfung zählten und etwaige Defizite in dieser Prüfung auch nicht durch die Ergebnisse eines wesentlich besseren ersten Examens ausgeglichen werden könnten. Zur Vermeidung einer solchen Ungleichbehandlung sei es erforderlich, bei den nachbewerteten Prüfungsergebnissen der einstufigen Juristenausbildung den üblichen Multiplikationsfaktor zu halbieren. Abgesehen von diesen Besonderheiten hinsichtlich der Anrechnung der einstufigen juristischen Ausbildung von Mitbewerbern hat das Oberlandesgericht dagegen das Auswahlverfahren des Antragsgegners als rechtsfehlerfrei angesehen.
Gegen diese Entscheidung richten sich die sofortigen Beschwerden sowohl des Antragsgegners als auch des Antragstellers, der weiterhin die Verpflichtung des Antragsgegners anstrebt, ihn zum Notar zu bestellen, hilfsweise das Auswahlverfahren zur Besetzung der ausgeschriebenen Notarstellen „unter Beachtung zusätzlicher rechtlicher Gesichtspunkte neu durchzuführen”.
II.
Die wechselseitigen sofortigen Beschwerden sind zulässig (§ 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO). Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist begründet, das des Antragstellers nicht. Das Oberlandesgericht hat zu Unrecht dem mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellten Hilfsbegehren des Antragstellers stattgegeben. Der gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Mai 2000 gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist insgesamt unbegründet. Dieser Bescheid, durch den der Antragsgegner mittelbar die Bewerbung des Antragstellers mit dem Hinweis auf die beabsichtigte anderweitige Besetzung der ausgeschriebenen Notarstellen abgelehnt hat, ist rechtmäßig.
1. Nach § 6 Abs. 3 BNotO richtet sich die Reihenfolge bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern für das Amt des Notars nach der persönlichen und fachlichen Eignung unter Berücksichtigung der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung und der bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigten Leistungen. Bei der Bestellung eines Anwaltsnotars können insbesondere in den Notarberuf einführende Tätigkeiten und die erfolgreiche Teilnahme an freiwilligen Vorbereitungskursen, die von beruflichen Organisationen veranstaltet werden, in die Bewertung einbezogen werden; die Dauer der Zeit, in der der Bewerber hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig war, ist angemessen zu berücksichtigen. Die durch die Justizverwaltung vorgenommene vergleichende Beurteilung des Maßes der Eignung konkurrierender Bewerber anhand dieser Kriterien (unbestimmter Rechtsbegriffe) ist von dem angerufenen Gericht nicht inhaltlich zu wiederholen, sondern nur auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Bei der Festlegung der das Maß der Eignung bestimmenden Merkmale und bei deren Gewichtung steht der Landesjustizverwaltung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (Senatsbeschlüsse BGHZ 124, 327 und vom 25. April 1994 – NotZ 19/93 – Nds Rpfl 1994, 330). Der Antragsgegner war befugt, die Auswahlkriterien des § 6 Abs. 3 BNotO im Rahmen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift zu interpretieren (vgl. BGHZ 124, 327, 332). Den ihm insoweit gegebenen rechtlichen Rahmen hat der Antragsgegner entgegen der Auffassung des Antragstellers mit den in § 3 AVNot – übereinstimmend mit anderen Bundesländern – aufgestellten Regeln über die Ermittlung der für die Auswahl unter mehreren geeigneten Notarbewerbern maßgeblichen Punktzahlen nicht überschritten.
a) In dem Ansatz des Ergebnisses der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung mit dem Faktor 5 liegt eine angemessene Ausgestaltung des Gebots des § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO zur „Berücksichtigung” der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung, im Falle der herkömmlichen zweistufigen Juristenausbildung also (nur) der Zweiten juristischen Staatsprüfung. Der Senat hat bereits ausgesprochen, daß die Gewichtung, die der Zweiten juristischen Staatsprüfung als Auswahlkriterium aufgrund des Multiplikators 5 zukommt, der besonderen Bedeutung dieser Abschlußprüfung als grundlegendes Eignungsmerkmal entspricht (Beschluß vom 25. April 1994 – NotZ 19/93 – NdsRpfl 1994, 330, 332; vgl. auch BGHZ 124, 327, 338). Er hat auch ausgeführt, daß nach der an § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO ausgerichteten Auswahlpraxis der Justizverwaltung rechtlich kein Grund besteht, die erste Staatsprüfung neben der zweiten Staatsprüfung oder mit anderen Merkmalen einer besonderen Tatbestandsgruppe der Vorbereitungsleistungen für den Notarberuf zuzuordnen (BGHZ 124, 327, 338). Soweit der Senat in dem Beschluß vom 25. April 1994 (aaO) ausgeführt hat, die auf die berufliche Tätigkeit nach der Zweiten juristischen Staatsprüfung bezogenen Kriterien ließen mit den dafür insgesamt vorgesehenen 90 Wertungspunkten (dort: § 3 Abs. 1 Nr. 2-4 AVNot Nds) auch den Bewerbern mit etwas schwächeren Prüfungsergebnissen die Chance, das Notaramt in Konkurrenz zu Prüfungsbesseren zu erlangen, stellt der Antragsteller dies zwar in Abrede. Er berücksichtigt dabei aber nicht die Kompensationsmöglichkeiten durch erfolgreiche Teilnahme an notarspezifischen Fortbildungskursen (§ 3 Nr. 3 AVNot) die mit bis zu 45 Punkten bewertet werden kann. Ohne Erfolg verweist der Antragsteller darauf, daß zu der Zeit, als er sein Zweites Staatsexamen ablegte, die Note dieser Abschlußprüfung nach der damaligen Praxis der Zulassung von (Anwalts-)Notarbewerbern nicht von entscheidender Bedeutung war. Maßgeblich kann nur das jetzige Zulassungsrecht mit einer weitgehend am Prüfungsergebnis ausgerichteten Bewerberauswahl sein. Einen in andere Richtung gehenden Vertrauenstatbestand gibt es für den Antragsteller nicht. Der Senat hat bereits ausgesprochen, daß die Tätigkeit als Rechtsanwalt für sich genommen noch kein schutzwürdiges Vertrauen begründete, zum Notar bestellt zu werden, auch wenn das damals geltende Recht eine Zulassungspraxis legitimiert hatte, die an die Dauer der anwaltlichen Berufstätigkeit anknüpfte (Beschluß vom 25. April 1994 aaO).
b) Auch ist entgegen der Auffassung des Antragstellers die in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Antragsgegners geregelte Gewichtung zwischen „Ausbildung” und „Berufserfahrung”, also vor allem zwischen dem Ergebnis des Zweiten Staatsexamens und dem Auswahlkriterium der Beurkundungstätigkeit im Rahmen von Notarverwesungen und Notarvertretungen, nicht zu beanstanden. Der Senat hat entsprechende Regelungen der badenwürttembergischen und der niedersächsischen Allgemeinverfügungen in Angelegenheiten der Notare als rechtlich unbedenklich bestätigt (Beschlüsse vom 13. Dezember 1993 – NotZ 45/92 – NJW 1994, 1870 und vom 25. April 1994 aaO; vgl. auch Beschluß vom 24. November 1997 – DNotZ 1999, 241, 242). Der Senat hat auch mehrfach ausgesprochen, daß die Bewertungsobergrenze für das Auswahlkriterium der Beurkundungen im Rahmen der Notarverwesungen und Notarvertretungen geboten ist. Dadurch soll verhindert werden, daß die übrigen gesetzlichen Auswahlgesichtspunkte, vor allem das besonders bedeutsame Kriterium des Zweiten juristischen Staatsexamens, verdrängt werden und daß Bewerber unangemessen bevorzugt werden, die im Vergleich zu anderen Bewerbern in weit größerem Maße Gelegenheit hatten, einen Notar zu vertreten oder dessen Amt zu verwesen (Beschlüsse vom 25. April 1994 aaO und vom 24. November 1997 aaO).
2. Andererseits bekämpft die Beschwerde des Antragsgegners mit Erfolg die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Auswahlentscheidung des Antragsgegners sei im Hinblick auf den Ansatz der (nachträglich notenmäßig eingestuften) Ergebnisse der Abschlußprüfungen der Mitbewerber aus der bremischen einstufigen Juristenausbildung mit dem Multiplikator 5 rechtswidrig.
a) Der Antragsgegner durfte im Rahmen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums Richtlinien über ein Verfahren zur Ermittlung einer Punktzahl als Note für die Abschlußprüfungen derjenigen Notarbewerber aufstellen, die die einstufige Juristenausbildung in Bremen durchlaufen haben (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 AVNot). Die betreffende Verwaltungsvorschrift sieht vor, daß eine aus einem Vertreter des Prüfungsamts (nach dessen Auflösung eines Vertreters des Senators für Justiz und Verfassung) als Vorsitzendem sowie einem als Richter, Staatsanwalt oder Verwaltungsbeamten tätigen Praktiker, einem als Rechtsanwalt tätigen Praktiker und einem Hochschullehrer gebildete Einstufungskommission die Abschlußprüfung auf der Grundlage der Unterlagen aus dem dem Abschlußzeugnis beigefügten Nachweisheft (§ 44 Abs. 4 BremJAG) und der Gutachten für die wissenschaftliche Arbeit (§ 39 Abs. 7 BremJAG), gegebenenfalls auch nach Anhörung der Gutachter der wissenschaftlichen Arbeit und der Prüfer der abgeschichteten Prüfungen und der exemplarischen Prüfung, in bestimmte Qualitätsstufen einordnet und ihr entsprechend dieser Einstufung – unter Umständen mit aus einer Gesamtschau gewonnenen Zusatzpunkten – eine bestimmte Punktzahl zuerkennt. Nicht anders als die übrigen Anordnungen über die Bewertung der fachlichen Eignung für die Auswahl unter mehreren geeigneten Notarbewerbern mit einer Punktzahl (§ 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3-7 AVNot) füllt § 3 Abs. 2 Nr. 2 BremAVNot lediglich die maßgebliche Grundbestimmung des § 6 Abs. 3 BNotO im Sinne der Gewährleistung gleichmäßigen Verwaltungshandelns, mithin einer für den Adressatenkreis der Vorschrift Vertrauensschutz begründenden Selbstbindung der Verwaltung, aus. Eine Grundlage für einen Eingriff in Rechte ist durch diese Verwaltungsvorschrift nicht geschaffen worden. Dem sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Erfordernis, daß die Auswahlmaßstäbe und das Auswahlverfahren für die Vergabe von Notarstellen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen (BVerfGE 73, 280), ist durch die jetzige Fassung des § 6 BNotO Genüge getan (BGHZ 124, 327, 329).
b) Es ist auch nicht aus sonstigen Rechtsgründen zu beanstanden, daß der Antragsgegner im Hinblick auf das Gebot der Chancengleichheit der Notarbewerber mit einer nicht benoteten Abschlußprüfung aus der einstufigen Juristenausbildung in Bremen deren nachträgliche notenmäßige Einstufung im Rahmen des Bewerbungsverfahrens allgemein angeordnet und hierfür die beschriebene Verfahrensweise vorgeschrieben hat.
aa) Soweit für die Einstufung der fachlichen Eignung mehrerer geeigneter Notarbewerber die die juristische Ausbildung abschließende Staatsprüfung zu „berücksichtigen” ist (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO), liegt auf der Hand, daß nach der Auswahlpraxis der Justizverwaltung Bewerber, die eine Abschlußprüfung nach dem Bremischen Justizausbildungsgesetz abgelegt haben („bestanden”, ohne Note), ohne eine nachträgliche notenmäßige Einstufung ihrer Abschlußprüfung chancenlos wären. Denn während das Ergebnis einer die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung mit einer nach der Verordnung über eine Noten- und Punkteskala für die Erste und Zweite juristische Staatsprüfung vom 3. Dezember 1981 (BGBl. I, 1243) festgesetzten Punktzahl in Bremen wie auch in anderen Bundesländern mit dem Faktor 5 multipliziert wird (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 AVNot) – was beispielsweise bei der Note vollbefriedigend bis zu 60 Punkten führen könnte –, wäre für eine Abschlußprüfung ohne eine Punktzahl und ohne Note allenfalls der Ansatz von vier Punkten, bei einem Faktor von 5 also von 20 Punkten, möglich (vgl. für Niedersachsen NdsAVNot § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4). Es ist mithin schon aus verfassungsrechtlichen Gründen unverzichtbar, diesen Notarbewerbern die Möglichkeit des nachträglichen Nachweises einer höheren Punktzahl einzuräumen. Nur so wird dem Umstand hinreichend Rechnung getragen, daß die Abschlußprüfung im Rahmen der – zwischenzeitlich wieder abgeschafften – bremischen einstufigen Juristenausbildung nach §§ 33 ff BremJAG anerkanntermaßen eine die juristische Ausbildung abschließende Staatsprüfung ist, die der Zweiten juristischen Staatsprüfung im Sinne des § 5 Abs. 1 DRiG gleichsteht. Durch das Bestehen dieser Abschlußprüfung haben die Absolventen der einstufigen Juristenausbildung die Befähigung zum Richteramt erworben (§ 1 Abs. 2 BremJAG). Bundesrechtliche Grundlage für diesen besonderen Ausbildungsgang war § 5 b DRiG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 1972 (BGBl. I, 713), wonach das Landesrecht Studium und praktische Vorbereitung in einer gleichwertigen Ausbildung zusammenfassen und die erste Prüfung durch eine Zwischenprüfung oder durch ausbildungsbegleitende Leistungskontrollen ersetzt werden konnte; die Abschlußprüfung sollte in ihren Anforderungen der in § 5 DRiG vorgesehenen zweiten Prüfung gleichwertig sein. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß der bremische Gesetzgeber durch das Bremische Juristenausbildungsgesetz diese Vorgaben des § 5 b DRiG erfüllen wollte (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BremJAG). Zusammenfassend haben die Absolventen der einstufigen Juristenausbildung in Bremen eine juristische Ausbildung der Art absolviert und mit einer Prüfung abgeschlossen, daß sie darauf vertrauen konnten, daß ihnen die Prüfung den gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt eröffnen werde wie die herkömmliche Zweite juristische Staatsprüfung. § 109 DRiG bekräftigt dies. Durch diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit der Aufhebung des § 5 b DRiG a.F. durch das Gesetz vom 25. Juli 1984 (BGBl. I, 995) klargestellt worden, daß derjenige, der im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Gesetzesänderung zum Richteramt befähigt war, diese Befähigung behält. Letztere gilt im übrigen für jedes Bundesland (§ 6 Abs. 2 DRiG).
bb) Es ist auch nicht so, daß es für die nachträgliche Einstufung der Abschlußprüfung nach dem Bremischen Juristenausbildungsgesetz im Falle der Bewerbung für das Notaramt keine hinreichende tatsächliche Grundlage mehr gäbe. Die zur Abschlußprüfung gehörenden Prüfungen (§§ 33 ff BremJAG) waren zwar im Ergebnis lediglich mit „bestanden”, andernfalls mit „nicht bestanden” zu bewerten. Die Prüfer hatten jedoch die jeweilige Prüfungsleistung des Rechtspraktikanten im einzelnen zu würdigen und diese Würdigung in einem schriftlichen Votum festzuhalten (vgl. §§ 10, 18 Abs. 2, 25 Abs. 3 EJAPO). Dem Zeugnis über das Ergebnis der Abschlußprüfung war ein besonderes Nachweisheft beizufügen, das mindestens die Voten hinsichtlich der abgeschichteten Prüfungen und die Begründungen der Bewertungen der wissenschaftlichen Arbeit sowie der exemplarischen Prüfung enthielt (§ 44 BremJAG). Gewisse Unwägbarkeiten, die in einer solchen Nachbewertung naturgemäß liegen – insbesondere im Hinblick auf die erhebliche Bandbreite der denkbaren Ergebnisse einer Auswertung von Prüferbeurteilungen, die ihrerseits schon weiträumigen Wertungsspielräumen entstammen –, müssen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hingenommen werden.
c) Obwohl das Oberlandesgericht im wesentlichen in Übereinstimmung mit den vorstehenden Ausführungen die allgemeine Verwaltungsanweisung des Antragsgegners über die nachträgliche Einstufung der Abschlußprüfungen der Notarbewerber mit einer juristischen Ausbildung nach dem Bremischen Juristenausbildungsgesetz (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 AVNot) für rechtmäßig hält und auch die einzelnen Ergebnisse der Nachbewertung der im vorliegenden Fall vorrangigen Mitbewerber als rechtsfehlerfrei ansieht, ist es der Auffassung, die Auswahlentscheidung des Antragsgegners sei rechtswidrig. Es meint, es verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn die Ergebnisse der juristischen Abschlußprüfung bei der einstufigen Juristenausbildung ebenso wie die Ergebnisse der zweiten Staatsprüfung bei der herkömmlichen Juristenausbildung, wie in § 3 Abs. 2 Nr. 1 AVNot allgemein vorgesehen, mit dem Faktor 5 multipliziert würden; unter Berücksichtigung der Strukturunterschiede zwischen den beiden Ausbildungsformen müsse der Multiplikationsfaktor bei der Abschlußprüfung der einstufigen Juristenausbildung im Wege einer „adäquaten Reduktion” halbiert werden. Im Gegensatz zur zweistufigen Juristenausbildung, deren Abschlußprüfung nach ihrem Anforderungsbild, ihrer Praxisbezogenheit und der bei ihr gewährleisteten Kontrolle der Selbständigkeit der Leistungen in besonderer Weise geeignet sei, den fachlichen Eignungsnachweis zu erbringen, enthalte die einstufige Juristenausbildung stärker theoretisch-wissenschaftliche Gehalte, die keine geeigneten Kriterien für eine Auswahl unter den Bewerbern für das Amt des Notars hergäben. Die gewollte Zusammenfassung einer Universitätsausbildung und einer praktischen Ausbildung zu einem einheitlichen Ausbildungsgang sei vor allem dadurch zum Ausdruck gekommen, daß die Abschlußprüfung neben den abgeschichteten Prüfungen bei der Staatsanwaltschaft, einem Zivil- oder Arbeitsgericht, in der Verwaltung und innerhalb des Begleitprogramms zur Stationsausbildung die wissenschaftliche Arbeit über das von den Absolventen vorgeschlagene Thema und ihre Verteidigung umfaßt habe. Daraus ergebe sich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den Bewerbern mit zweistufiger Juristenausbildung, bei denen nur die Ergebnisse der Zweiten juristischen Staatsprüfung zählten und die etwaige Defizite in dieser Prüfung auch nicht durch die Ergebnisse eines wesentlich besseren ersten Examens ausgleichen könnten. Die Halbierung des Multiplikationsfaktors der Absolventen der einstufigen Juristenausbildung sieht das Oberlandesgericht auch im Hinblick auf den Vorteil als geboten an, der darin gelegen habe, daß diese das Thema ihrer wissenschaftlichen Abschlußarbeit vorschlagen und während einer Bearbeitungszeit bis zu fünf Monaten vertieft hätten bearbeiten können, so daß aufgrund der Nähe zum Thema und der möglichen Intensität der Durchdringung besonders fundierte Arbeiten mit überdurchschnittlichem Prüfungsergebnis hätten erstellt werden können.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Es gibt keinen rechtlichen Grund, die (nachträglich mit Punktzahlen versehenen) Ergebnisse der Abschlußprüfung der einstufigen Juristenausbildung bei der Auswahl mehrerer geeigneter Bewerber für das Notaramt mit einem geringeren Gewicht (Multiplikationsfaktor) zu berücksichtigen als die Ergebnisse der Zweiten juristischen Staatsprüfung anderer Bewerber. Das Gesetz (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO) läßt für eine derartige Differenzierung zwischen die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfungen, durch die die Bewerber gleichermaßen die Befähigung zum Richteramt wie auch den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts erlangt haben, keinen Raum. Es handelt sich hier wie dort um die juristische Ausbildung abschließende Staatsprüfungen. Mit der im Gesetz geforderten „Berücksichtigung” der betreffenden Abschlußprüfungen ist nach dem Regelungszusammenhang der gleichwertige Ansatz der – gegebenenfalls nach der Verordnung über eine Noten- und Punkteskala für die Erste und Zweite juristische Staatsprüfung vom 3. Dezember 1981 (BGBl. I, 1243) umzurechnenden – Examensnoten gemeint. Der Senat hat bereits mehrfach betont, daß die Gleichwertigkeit der Staatsprüfungen in den einzelnen Bundesländern durch gewisse, innerhalb bestimmter Bandbreite zugelassene Unterschiede im Prüfungsverfahren und im Laufe der Jahre eingetretene Veränderungen nicht in Frage gestellt wird und eine Differenzierung – etwa nach dem Schwierigkeitsgrad der konkreten Prüfungsanforderungen – weder geboten noch praktisch möglich ist (Beschlüsse vom 25. April 1994 aaO S. 332, vom 24. November 1997 – NotZ 11/97 – DNotZ 1999, 241 und vom 16. März 1998 – NotZ 25/97 – NJW-RR 1998, 1596). Diese Entscheidungen betreffen zwar Sachverhalte, in denen es um die Art der Berücksichtigung des Ergebnisses der Zweiten juristischen Staatsprüfung ging. Für den in allen maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften als gleichwertig behandelten Abschluß der einstufigen juristischen Ausbildung kann jedoch nichts anderes gelten. Die Aussage (Senatsbeschluß vom 25. April 1994 aaO S. 332), daß „die abschließende juristische Staatsprüfung … nach ihrem Anforderungsbild, ihrer Praxisbezogenheit und der bei ihr gewährleisteten Kontrolle der Selbständigkeit der Leistungen in besonderer Weise geeignet (ist), das juristische Grundverständnis sowie das juristische Denkvermögen und damit Eignungsmerkmale des einzelnen Bewerbers auszuweisen, die wesentliche Aussagekraft für alle qualifizierten juristischen Berufe und damit auch für das Notaramt besitzen”, kann nicht für diese nach dem Willen des damaligen Gesetzgebers von der Justizverwaltung – wenn auch im Sinne einer Erprobungsphase – eingerichteten und praktizierten Art der Juristenausbildung und die auf ihren Gesamtcharakter abgestimmte Abschlußprüfung nachträglich grundlegend in Frage gestellt werden. Die Besonderheit dieser Ausbildung lag abgesehen von ihrer starken sozialwissenschaftlichen Ausrichtung darin, daß Universitätsausbildung und praktische Ausbildung zu einem einheitlichen Ausbildungsgang zusammengefaßt wurden, was bedeutete, daß einerseits die Universitätsausbildung praxisbezogen zu gestalten war, andererseits zur praktischen Ausbildung die wissenschaftliche Reflexion des berufspraktischen Handelns von Juristen gehörte (§ 4 JAG). Wenn in Verfolgung dieses Ausbildungsgangs einer der Schwerpunkte der Abschlußprüfung in einer „wissenschaftlichen Arbeit” und (als Teil der mündlichen Prüfung) ihrer Verteidigung lag (§§ 38 Abs. 1, 39, 40 JAG), so ist damit nicht gesagt, dieser Teil der Abschlußprüfung habe keinen Praxisbezug gehabt, und dieser Prüfungsteil läßt sich nicht – wie es das Oberlandesgericht der Sache nach vertritt – bezogen auf eine spätere Notartätigkeit als „nicht eignungsrelevant” aus dem Gesamtergebnis der einheitlichen Abschlußprüfung eliminieren. Dem steht bereits entgegen, daß das Thema der wissenschaftlichen Arbeit so zu wählen war, daß der Rechtspraktikant seine Fähigkeit (u.a.) zu „selbständiger, problemorientierter und praxisbezogener” wissenschaftlicher Arbeit nachweisen konnte (§ 39 Abs. 2 Satz 1 JAG) und die Verteidigung der wissenschaftlichen Arbeit (u.a.) Aufschluß über „die Eigenständigkeit der Leistungen” geben sollte (§ 40 JAG).
Schon aus diesen Zusammenhängen verliert auch die Argumentation des Oberlandesgerichts, die gleichwertige Anrechnung der Prüfungsergebnisse der einstufigen Juristenausbildung führe zu einer ungerechtfertigen Ungleichbehandlung der Bewerber mit einer Zweiten juristischen Staatsprüfung, ihre Grundlage. Der „Stoff” der wissenschaftlichen Arbeit und ihrer Verteidigung in der Abschlußprüfung der einstufigen Juristenausbildung läßt sich nicht ohne weiteres mit demjenigen des ersten Examens der herkömmlichen Juristenausbildung vergleichen. Es gibt mithin auch keine Notwendigkeit im Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG, eine bei den Bewerbern mit Zweiter juristischer Staatsprüfung – wegen der Nichtberücksichtigung des Ergebnisses der Ersten juristischen Staatsprüfung – nicht gegebene „Kompensationsmöglichkeit” durch Herabsetzung des Multiplikators nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 AVNot auszugleichen. Im übrigen braucht sich die Nichtberücksichtigung der Ersten juristischen Staatsprüfung für die Absolventen der zweistufigen Ausbildung im Vergleich zu denjenigen, die einstufig ausgebildet worden sind, auch keineswegs nachteilig auszuwirken. Dies hängt vielmehr im Einzelfall davon ab, mit welchem Erfolg die Erste juristische Staatsprüfung bestanden worden ist.
Unterschriften
Rinne, Wahl, Streck, Doyé, Toussaint
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.03.2001 durch Fitterer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584905 |
NJOZ 2001, 849 |