Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung zum Notar
Leitsatz (amtlich)
Zum Abbruch der Ausschreibung einer Notarstelle, wenn sich keine Notarassessoren des betreffenden Bundeslandes beworben haben.
Normenkette
BNotO §§ 6b, 7
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Oktober 2000 werden zurückgewiesen.
Jeder Antragsteller hat die durch sein Rechtsmittel entstandenen Gerichtskosten zu tragen und die dem Antragsgegner jeweils entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert jedes Verfahrens (Antrag des Antragstellers zu 1 hinsichtlich der Notarstelle in H.; Antrag des Antragstellers zu 1 hinsichtlich der Notarstelle in W.; Antrag des Antragstellers zu 2 hinsichtlich der Notarstelle in W.) wird für beide Rechtszüge jeweils auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind seit 1998 Notare im Lande Brandenburg. Der 1960 geborene Antragsteller zu 1, der 1993 die Zweite juristische Staatsprüfung in Nordrhein-Westfalen abgelegt hat und nach vorübergehender Tätigkeit in der freien Wirtschaft 1994 in den Notaranwärterdienst des Landes Brandenburg eingetreten ist, hat seinen Amtssitz in Sch./O. Der 1965 geborene Antragsteller zu 2, der 1994 die Zweite juristische Staatsprüfung in Bayern abgelegt hat und nach vorübergehender Tätigkeit als Staatsanwalt in I. 1996 in den Notaranwärterdienst des Landes Brandenburg eingetreten ist, hat seinen Amtssitz in Sch.
Der Antragsgegner schrieb im September 1999 sowohl eine Notarstelle in H. als auch eine neu geschaffene Notarstelle in W. (Amtsgerichtsbezirk M.) aus.
Der Antragsteller zu 1 bewarb sich um beide Stellen, vorrangig um die Stelle in H. Der Antragsteller zu 2 bewarb sich um die Stelle in W. Nachdem weitere Bewerber ihre Bewerbungen zurückgezogen hatten, lag neben den genannten Bewerbungen jeweils nur noch die Bewerbung eines weiteren Notars aus Brandenburg vor.
Am 28. Januar 2000 entschied der Antragsgegner, die Stellen zunächst nicht zu besetzen, da keine Bewerbungen von Notarassessoren seines Anwärterdienstes (im Fall H.: mehr) vorlagen, und die Stellen demnächst neu auszuschreiben. Hiervon unterrichtete er die Antragsteller mit Bescheiden vom 2. Februar 2000.
Gegen diese Bescheide haben die Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Der Antragsteller zu 1 hat beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn zum Notar in H. zu bestellen, hilfsweise ihn zu verpflichten, seine Bewerbung um diese Stelle neu zu bescheiden, sowie (im Ergebnis weiter hilfsweise) ihn zu verpflichten, seine Bewerbung um die Stelle in W. neu zu bescheiden. Der Antragsteller zu 2 hat beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, seine Bewerbung neu zu bescheiden.
Das Oberlandesgericht hat die Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und sämtliche Anträge zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richten sich die sofortigen Beschwerden der Antragsteller.
II.
Die Rechtsmittel, über die auch der Senat aus Gründen der Zweckmäßigkeit gemeinsam entscheidet, bleiben erfolglos.
Eine Ausschreibung kann abgebrochen werden, wenn hierfür ein sachlicher Grund besteht (Senatsbeschluß vom 10. März 1997 – NotZ 44/95 = DNotZ 1997, 889). Dies ist auch dann der Fall, wenn die Landesjustizverwaltung in pflichtgemäßer Ausübung ihr eingeräumten Ermessens keiner der ihr vorliegenden Bewerbungen Folge leisten will.
So verhält es sich hier.
1. Gemäß § 7 Abs. 1 BNotO soll in der Regel zur hauptberuflichen Amtsausübung als Notar nur bestellt werden, wer einen dreijährigen Anwärterdienst als Notarassessor geleistet hat und sich im Anwärterdienst des Landes befindet, in dem er sich um die Bestellung bewirbt. Jedenfalls die letztgenannte Voraussetzung liegt bei den Antragstellern nicht vor. Da aber diese Voraussetzungen nicht zwingend für die Bestellung zum Notar sind, können auch andere im übrigen geeignete Personen („Seiteneinsteiger”) zu Notaren bestellt werden. Daß es sich dabei auch um Notare handeln kann, die bisher in einem anderen Bundesland tätig waren, versteht sich von selbst, ohne daß es darauf ankäme, ob es sich in einem solchen Fall um einen Amtssitzwechsel gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO oder um einen „Bestellungswechsel” (Schippel, BNotO 7. Aufl. Art. 13 des Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998 ≪BGBl. I S. 2585≫ Rn. 10) handeln würde. Es stand im pflichtgemäßen, nur in den Grenzen des § 111 Abs. 1 Satz 3 BNotO gerichtlich überprüfbaren Ermessen des Antragsgegners, hier von der Regel des § 7 Abs. 1 BNotO nicht abzuweichen.
2. Eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt zunächst voraus, daß sich die Landesjustizverwaltung ihres Ermessensspielraums, auch eine Ausnahme von der Regel des § 7 Abs. 1 BNotO machen zu können, bei der Bewerbung eines nicht die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllenden Bewerbers bewußt ist (Senatsbeschluß vom 6. Juli 1970 – NotZ 2/70 = DNotZ 1970, 751, 752; Schippel aaO § 7 Rn. 19). Aus den Bescheiden vom 2. Februar 2000 ergibt sich dies allerdings nicht unmittelbar. Es heißt hier lediglich, es sei beabsichtigt, die Stellen gegenwärtig nicht zu besetzen und sie neu auszuschreiben, da sich kein Notarassessor aus Nordrhein-Westfalen beworben habe. Gleichzeitig wurden den Antragstellern jedoch in diesen Bescheiden jeweils auf entsprechende Anfrage weitere Auskünfte angeboten. Schon dieses Angebot belegt, daß den Entscheidungen des Antragsgegners noch weitere als die aus den angefochtenen Entscheidungen ersichtlichen Erwägungen zugrunde lagen. Bestätigt wird dies durch die dem Senat vorliegenden Besetzungsvorgänge des Antragsgegners, die ergeben, daß er vor seinen Entscheidungen in eingehende Ermessenserwägungen eingetreten ist. Erhärtet wird dies auch dadurch, daß der Antragsgegner zwischen 1996 und 1999 mehrfach Notare bestellt hat, die zuvor nicht in seinem Anwärterdienst standen. Auch dies spricht dagegen, daß er sich dieser Möglichkeit bei den Bewerbungen der Antragsteller nicht bewußt gewesen sein könnte.
3. Dadurch, daß der Antragsgegner in den vergangenen Jahren in einigen Fällen „Seiteneinsteiger” zu Notaren bestellt hat, war er weder unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes noch aus einem anderen rechtlichen Grund in seiner Ermessensausübung eingeschränkt. Wie das Oberlandesgericht festgestellt hat, war es zu den damaligen Ernennungen gekommen, weil damals ein Mißverhältnis zwischen dem Angebot an besetzbaren Stellen und der Zahl ernennungsreifer Notarassessoren bestand. Nunmehr bildet der Antragsgegner nach seinem Vortrag seit Mitte 1999 im Hinblick auf die im Jahre 2003 zu erwartenden verstärkten Abgänge infolge des Erreichens der Altersgrenze Notarassessoren über den gegenwärtigen Bedarf hinaus aus. Eine sachgerechte Personalbedarfsplanung erfordere, so macht er geltend, daß in der Zwischenzeit alle freien Stellen mit Notarassessoren aus dem Lande besetzt werden, da ansonsten 2003 ein Überhang bestehe. Diese Erwägungen sind an den Bedürfnissen der Rechtspflege orientiert und entsprechen der Notwendigkeit vorausschauender Personalplanung. Der Senat braucht der Frage nicht nachzugehen, wie es in den vergangenen Jahren beim Antragsgegner zu einem Mißverhältnis zwischen den zu besetzenden Stellen und der Zahl der ernennungsreifen Notarassessoren gekommen ist. Es ist jedenfalls sachgerecht, daß der Antragsgegner durch seine jetzige Praxis der Einstellung von Notarassessoren Vorkehrungen getroffen hat, daß es künftig zu einem solchen Mißverhältnis nicht mehr kommt. Ein derartiges Mißverhältnis ist nicht geeignet, einen Vertrauensschutz zu begründen. Es ist daher eine sachgerechte, auch Art. 33 Abs. 2 GG nicht verletzende Erwägung, wenn der Antragsgegner in Änderung seiner früheren Praxis – jedenfalls für einen überschaubaren Zeitraum – Bewerber, die nicht in seinem Anwärterdienst stehen, vorübergehend nicht berufen will.
4. Eine Ermessensbegrenzung ergibt sich auch nicht daraus, daß sich für die in Rede stehenden Stellen keine nordrhein-westfälischen Notarassessoren beworben haben. Dieser Gesichtspunkt könnte dann Bedeutung gewinnen, wenn § 7 Abs. 1 BNotO nur die individuellen Belange von Notarassessoren schützen sollte. So verhält es sich jedoch nicht; vielmehr dient diese Bestimmung auch dem Schutz der vom Antragsgegner zu wahrenden Interessen der Rechtspflege (vgl. Schippel aaO, § 7 Rn. 19, 20). Im Hinblick darauf, daß der Antragsgegner beabsichtigt, in seinem Dienst stehende Notarassessoren mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zur Bewerbung um die Notarstellen in H. und W. zu veranlassen, kann der Abbruch der Ausschreibung dieses Mal noch hingenommen werden. Ein Anspruch der Antragsteller, dort zu Notaren bestellt zu werden, läßt sich daraus, daß die Stellen vorübergehend unbesetzt bleiben, nicht herleiten. Dies entspricht der Regelung in § 7 Abs. 1 BNotO. Aus § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO ergibt sich für die Beurteilung des vorliegenden Falles nichts anderes.
5. Es verbleibt nach alledem bei dem Regelfall des § 7 Abs. 1 BNotO. Der Antragsgegner ist zu einer Abweichung auch nicht deshalb gezwungen, weil sachliche Gesichtspunkte eine Ausnahme rechtfertigen könnten (Senatsbeschluß vom 17. Januar 1983 – NotZ 19/82 = DNotZ 1983, 448), jedenfalls solange die ordnungsgemäße Abwicklung der anfallenden Notariatsgeschäfte in angemessener Zeit durch die bereits vorhandenen Notare und Notarverwalter noch gewährleistet ist (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 73, 54, 57; Schippel aaO Rn. 19). Es ist nicht ersichtlich, daß dies nicht der Fall wäre. Die Notariatsgeschäfte in H. werden von einem Notariatsverwalter wahrgenommen. Daß dies zu Unzuträglichkeiten führe, ist weder vom Antragsteller zu 1 konkret behauptet, noch sonst ersichtlich.
Für die Stelle in W. gilt im Ergebnis nichts anderes. Zwar hat der Antragsgegner zunächst die Notwendigkeit gesehen, eine neue Notarstelle zu schaffen, hat dann aber deren Besetzung einstweilen zurückgestellt. Dies belegt für sich genommen noch nicht, daß er im Hinblick auf die Belange der Rechtspflege die Grenzen seines Ermessens überschritten hätte (Senatsbeschluß vom 17. Januar 1983 aaO m.w.N.). Wie das Oberlandesgericht zutreffend im einzelnen dargelegt hat, führen auch die konkreten örtlichen Gegebenheiten in W. zu keinem anderen Ergebnis. Allerdings ist dabei nicht ausschließlich auf die freien Notariatskapazitäten im Amtsgerichtsbezirk M., sondern ergänzend auch auf die freien Kapazitäten der Notariate in Wu. und V. abgestellt, die ihren Sitz in an den Amtsgerichtsbezirk M. unmittelbar angrenzenden Amtsgerichtsbezirken haben. Amtsbereich eines Notars ist grundsätzlich ein Amtsgerichtsbezirk (§ 10 a Abs. 1 Satz 1 BNotO). Dementsprechend ist bei der Beurteilung des Bedarfs für die Neuschaffung einer Notarstelle jedenfalls grundsätzlich auf den Bedarf im Amtsgerichtsbezirk abzustellen (vgl. Vetter in Schippel aaO § 4 Rn. 5). Ebenso ist bei der Prüfung der – damit nicht identischen – Frage, ob die Besetzung einer neu geschaffenen Notarstelle aus sonstigen Gründen deshalb zurückgestellt werden kann, weil die anfallenden Geschäfte von den vorhandenen Notaren und Notarverwaltern noch erledigt werden können, vorrangig auf die Möglichkeiten der im Amtsgerichtsbezirk vorhandenen Notare und Notarverwalter abzustellen. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Aus § 10 a Abs. 1 Satz 2 BNotO ergibt sich, daß die Landesjustizverwaltung im Interesse geordneter Rechtspflege die Grenzen des Amtsbereichs auch abweichend von den Grenzen des Amtsgerichtsbezirks bestimmen kann (vgl. hierzu Schippel aaO § 10 a Rn. 3). Nach dem Grundgedanken dieser Bestimmung ist die Landesjustizverwaltung bei ihrer Ermessensausübung hinsichtlich der Frage, ob die Bedürfnisse geordneter Rechtspflege die alsbaldige Besetzung einer neugeschaffenen Notarstelle zwingend gebieten oder ob dies im Hinblick auf die Möglichkeit der Erledigung der anfallenden Geschäfte durch bereits vorhandene Notare und Notarverwalter vorübergehend noch zurückgestellt werden kann, nicht ausschließlich an die Grenzen der Amtsgerichtsbezirke gebunden. Konkrete Gesichtspunkte, die hier zu einem anderen Ergebnis führen müßten, sind nicht ersichtlich. Wie auch das Oberlandesgericht festgestellt hat, liegt zwischen W. einerseits und den Notariaten in V. und Wu. andererseits keine unzumutbare Entfernung, und es besteht eine genügende Verkehrsanbindung. Darüber hinaus belegt ein in seinem Besetzungsvorgang befindlicher Vermerk des Antragsgegners vom 27. Januar 2000, daß die betroffene Bevölkerung schon bisher die Dienste der genannten Notariate in Anspruch nimmt. Daß dies zu nicht hinnehmbaren Unzuträglichkeiten geführt hätte, die jedenfalls die umgehende Besetzung der Stelle in W. unumgänglich machte, ist nicht ersichtlich.
Unterschriften
Rinne, Wahl, Streck, Doyé, Toussaint
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.03.2001 durch Fitterer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584909 |
BGHR 2001, 441 |
BGHR |
NJW-RR 2001, 1136 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 2001, 731 |
MDR 2001, 839 |
ZNotP 2001, 281 |