Entscheidungsstichwort (Thema)
sexuelle Nötigung
Tenor
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gewährt.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 18. September 2000 im Ausspruch über die Vollstreckungsreihenfolge aufgehoben, soweit der Vorwegvollzug von einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Dem Angeklagten ist Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung seiner Revision zu gewähren, weil ihn an deren Versäumung kein Verschulden trifft (§ 44 Satz 1, § 45 StPO). Diese beruht vielmehr auf einem Versehen der Kanzlei seines Verteidigers. Das ist durch dessen anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht.
II.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Falle in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, unter Einbeziehung der Strafen aus einer anderweitigen Verurteilung zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Zur Vollstreckungsreihenfolge hat es bestimmt, daß vor dem Vollzug der Maßregel zunächst ein Jahr und zwei Monate der erkannten Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind. Die Revision des Angeklagten rügt allgemein die Verletzung sachlichen Rechts. Sie hat Erfolg, soweit das Landgericht den teilweisen Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die vom Landgericht für die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzuges von Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB gegebene Begründung widerstreitet der vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung (§ 67 Abs. 1 StGB). Tragfähige Gründe dafür, von dieser im Falle des Angeklagten abzuweichen, führt die Strafkammer nicht an; solche liegen auch nicht auf der Hand.
1. Richtschnur für die Frage des Vorwegvollzuges der Strafe ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Rehabilitationsinteresse des Verurteilten. Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67 Abs. 1 StGB soll möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen oder kranken Rechtsbrechers begonnen werden, da dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht. Gerade bei längerer Strafdauer muß es darum gehen, den Angeklagten frühzeitig zu heilen und seine Persönlichkeitsstörung zu behandeln, damit er im Strafvollzug an der Verwirklichung des Vollzugszieles arbeiten kann (vgl. dazu BGHSt 37, 160, 162; BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 4, 10, 11, 12; BGH NStZ-RR 1999, 44; NStZ 1999, 613 f.). Eine Abweichung von der Regelabfolge des Vollzuges bedarf eingehender Begründung (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 10). Will der Tatrichter darauf stützen, daß der an die Maßregel anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg wieder zunichte machen könnte, so müssen dafür überzeugende Gründe vorliegen (BGH NStZ 1986, 428; BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug 7, Vorwegvollzug, teilweiser 13).
2. Diesen Anforderungen wird die vom Landgericht bestimmte Ausnahme nicht gerecht. Das Landgericht führt aus, daß nur durch den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe eine ausreichende Konfrontation des Angeklagten mit den Folgen seiner Straftat erreicht werden könne; denn aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur neige er dazu, die eigenen Straftaten zu bagatellisieren und Verantwortung auf Dritte abzuschieben. Diese Erwägung erhellt nicht, inwiefern eine Konfrontation mit den Folgen seines strafbaren Handelns eher im Strafvollzug als bei der Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus erreicht werden kann oder die Strafhaft als Vorstufe der Behandlung für deren Zwecke erforderlich sein könnte. Dies versteht sich nicht von selbst und wäre deshalb näher zu begründen gewesen. Es liegt nahe, daß der zugrundeliegenden Neigung des Angeklagten im Vollzug der Maßregel besser begegnet werden kann.
Gleiches gilt, soweit die Strafkammer hervorhebt, durch den teilweisen Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe werde vermieden, daß der Angeklagte im Anschluß an eine erfolgreiche Behandlung im psychiatrischen Krankenhaus noch Freiheitsstrafe verbüßen müsse, wodurch der Therapieerfolg gefährdet werde. Da das Landgericht damit von der Grundentscheidung des Gesetzgebers abweichen will (§ 67 Abs. 1 StGB), hätte es auf den Einzelfall bezogener tragfähiger Gründe bedurft, die eine solche Würdigung konkretisieren und nachvollziehbar erscheinen lassen.
3. Der bezeichnete Mangel führt zur Aufhebung des Ausspruchs über den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die zugrunde liegenden Feststellungen können bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler in Rede steht. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind statthaft.
Unterschriften
Schäfer, Nack, Schluckebier, Kolz, Herr RiBGH Schaal ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Schäfer
Fundstellen