Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 19.01.2015) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird
- das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 19. Januar 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist;
- die Urteilsformel hinsichtlich der Einziehungsentscheidung dahin berichtigt, dass eine Patrone Geco 9 mm RB Knall eingezogen ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist, sowie zu einer Berichtigung der Urteilsformel. Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Schuld- und Strafausspruch weisen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
Rz. 3
2. Keinen Bestand haben kann das angefochtene Urteil indes, soweit es das Landgericht unterlassen hat zu prüfen, ob der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist.
Rz. 4
a) Der Angeklagte konsumierte „seit etlichen Jahren” Amphetamin und Cannabis. Seit der Trennung von seiner Ehefrau im Jahre 2012 nahm der Konsum von Alkohol und Betäubungsmitteln zu, so dass er täglich bis zu 20 Dosen Bier, gelegentlich auch Schnaps, zu sich nahm, sowie üblicherweise jeden zweiten Tag Betäubungsmittel konsumierte. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte von Alkohol und Betäubungsmitteln abhängig war.
Rz. 5
Nach seiner Einlassung beging der Angeklagte den Spielhallenüberfall, weil am Vorabend der Tat ein „S.”, der ihn regelmäßig mit Betäubungsmittel belieferte und bei dem er 600 bis 700 EUR Schulden hatte, eine baldige Geldzahlung verlangte und ihn deshalb unter Druck setzte. Die Tatbeute gab er diesem Drogenlieferanten. Vor der Tat nahm er Alkohol, Amphetamin und Cannabis zu sich. Das Landgericht hat sich zwar nicht in der Lage gesehen, diesen Angaben des Angeklagten entsprechende Feststellungen zu treffen, es indes für möglich gehalten, dass sie zutreffen. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt, es sei nicht auszuschließen gewesen, dass der Angeklagte vor der Tat neben Betäubungsmitteln auch Alkohol konsumiert habe sowie von einer Person, von der er Betäubungsmittel bezogen hatte, wegen der Rückzahlung von Schulden unter Druck gesetzt worden „sein mag”.
Rz. 6
b) Vor diesem Hintergrund wäre das Landgericht gehalten gewesen zu prüfen, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist (§ 64 StGB); denn die Urteilsgründe legen nahe, dass der Angeklagte einen Hang zum übermäßigen Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum hat, die begangene besonders schwere räuberische Erpressung von ihm im Rausch begangen wurde und auf seinen Hang zurückgeht sowie die Gefahr besteht, dass er infolge des Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Rz. 7
aa) Der Hang im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 – 3 StR 421/11, NStZ-RR 2012, 204 mwN). Ein solches Verhalten legen die Urteilsfeststellungen nahe, zumal das Landgericht ausdrücklich eine Abhängigkeit des Angeklagten von Alkohol und Betäubungsmitteln angenommen hat.
Rz. 8
bb) Die abgeurteilte Tat beging der Angeklagte unter dem Einfluss von Alkohol und Betäubungsmitteln sowie unwiderlegt, um bestehende Schulden aus Drogenkäufen zu begleichen. Dies legt nahe, dass er die Tat im Rausch begangen hat und sie auf seinen Hang zum Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum zurückging. Obwohl der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist, liegt es angesichts seiner Drogenabhängigkeit und seiner unsicheren sozialen Situation – er ist arbeitslos und lebt von Arbeitslosengeld II – auch nicht fern, dass die von § 64 Satz 1 StGB vorausgesetzte Gefahr erheblicher künftiger Taten infolge seines Hanges gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2009 – 4 StR 288/09, NStZ-RR 2009, 383).
Rz. 9
cc) Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten von seinem Hang zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren, zumal der Angeklagte trotz seiner Abhängigkeit von Alkohol und Betäubungsmitteln noch keinen Versuch einer Therapie unternommen hat.
Rz. 10
3. Über die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362). Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
Rz. 11
4. Die Berichtigung der Einziehungsentscheidung folgt dem Antrag des Generalbundesanwalts. Nach den Feststellungen war die Tatwaffe mit einer Knall- und nicht mit einer Gaspatrone geladen.
Unterschriften
Schäfer, Pfister, Hubert, Gericke, Spaniol
Fundstellen