Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahren ohne Fahrerlaubnis
Leitsatz (amtlich)
Beruft sich ein Kraftfahrzeugführer auf eine ausländische Fahrerlaubnis, die sich auf Kraftfahrzeuge der geführten Art erstreckt, so setzt, wenn die Aufenthaltsfristen des § 4 IntVO gewahrt sind, seine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG die Überzeugung des Tatrichters davon voraus, daß er über die behauptete ausländische Fahrerlaubnis nicht verfügt. Der Vorwurf strafbaren Verhaltens läßt sich nicht schon darauf stützen, daß er den Nachweis der ausländischen Erlaubnis weder bei der Fahrt noch später erbracht hat.
Normenkette
StVG § 21; InvErlWoBauldG Art. 14
Verfahrensgang
Thüringer OLG |
AG Sonneberg |
Tenor
Beruft sich ein Kraftfahrzeugführer auf eine ausländische Fahrerlaubnis, die sich auf Kraftfahrzeuge der geführten Art erstreckt, so setzt, wenn die Aufenthaltsfristen des § 4 IntVO gewahrt sind, seine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG die Überzeugung des Tatrichters davon voraus, daß er über die behauptete ausländische Fahrerlaubnis nicht verfügt. Der Vorwurf strafbaren Verhaltens läßt sich nicht schon darauf stützen, daß er den Nachweis der ausländischen Erlaubnis weder bei der Fahrt noch später erbracht hat.
Gründe
I.
1. Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 StVG – unter Einbeziehung früher verhängter Strafen – zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht den Schuldspruch „dahingehend präzisiert”, daß er des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig sei, und den Rechtsfolgenausspruch abgeändert.
Nach den Feststellungen des Berufungsurteils führte der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Angeklagte, der am 3. Juni 1997 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war und politisches Asyl beantragt hatte, am 19. März 1998 im öffentlichen Straßenverkehr einen Personenkraftwagen. Eine von einer deutschen Behörde erteilte Fahrerlaubnis hatte er nicht. Ob er eine gültige ausländische Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen hatte, ist nicht festgestellt worden. Einen ausländischen Führerschein konnte er jedenfalls nicht vorweisen. In der Berufungshauptverhandlung hat sich der Angeklagte – wie schon seit Beginn des Ermittlungsverfahrens – auf eine gültige kroatische Fahrerlaubnis berufen und geltend gemacht, daß er seinen kroatischen Führerschein im November 1997 bei einem Unfall verloren habe. Die Strafkammer hat dies als bedeutungslos angesehen und einen vom Verteidiger gestellten Beweisantrag betreffend die Erteilung einer Fahrerlaubnis in Kroatien aus diesem Grunde zurückgewiesen.
Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
2. Das mit der Revision befaßte Thüringer Oberlandesgericht beabsichtigt, das Rechtsmittel zu verwerfen. Zur Begründung führt es aus: Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über den internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IntVO vom 12. November 1934 ≪RGBl. I 1137≫, zuletzt geändert am 18. August 1998 ≪BGBl. I 2214≫, in der zur Tatzeit geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 1 der Dritten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 23. November 1982, BGBl. I 1533, IntVO a.F.) dürfe ein ausländischer Kraftfahrzeugführer ein Kraftfahrzeug auf deutschen Straßen nur dann führen, wenn er eine Fahrerlaubnis der in der Vorschrift zu den Buchstaben a) bis c) genannten Art nachweise. Könne er den Nachweis nicht erbringen, so sei ihm das Führen eines Kraftfahrzeugs hier auch dann verboten, wenn er über eine solche Fahrerlaubnis verfüge. Fahre er dennoch, so verwirkliche er den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG.
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Thüringer Oberlandesgericht durch den Beschuß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 9. August 1991 (NZV 1991, 481) gehindert. Danach handelt ein Kraftfahrzeugführer, der über eine ausländische Fahrerlaubnis verfügt, die nach § 4 Abs. 1 IntVO zum Fahren im Inland berechtigt, auch dann nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 21 StVG, wenn er diese Erlaubnis nicht nachweisen kann. Maßgeblich sei die Erteilung der Erlaubnis. Der Verstoß gegen die Nachweispflicht begründe lediglich eine Ordnungswidrigkeit.
Das Thüringer Oberlandesgericht hat deshalb die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt:
„Kann ein nichtdeutscher Kraftfahrzeugführer, der weniger als ein Jahr in der Bundesrepublik ständig lebt und über eine deutsche Fahrerlaubnis nicht verfügt, wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG verurteilt werden, wenn er lediglich behauptet, einen ausländischen Fahrausweis (Führerschein) zu besitzen, diesen (oder eine Bestätigung der ausländischen Fahrerlaubnisbehörde über die Erteilung eines solchen Fahrausweises) weder bei der polizeilichen Kontrolle noch in der Hauptverhandlung vorlegen kann?”
3. Der Generalbundsanwalt hat sich im Ergebnis der Rechtsauffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts angeschlossen und beantragt zu beschließen:
„Ein ausländischer Kraftfahrzeugführer, der weniger als ein Jahr in der Bundesrepublik Deutschland ständig lebt und über eine deutsche Fahrerlaubnis nicht verfügt, kann nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG verurteilt werden, wenn er einen Führerschein/Fahrausweis (oder eine Bestätigung der ausländischen Fahrerlaubnisbehörde über die Erteilung eines solchen Führerscheines/Fahrausweises) infolge Verlusts zwar weder bei der polizeilichen Kontrolle noch in der Hauptverhandlung vorlegen kann, aber nicht nur pauschal behauptet, eine ausländische Fahrerlaubnis zu besitzen, sondern – beispielsweise im Rahmen eines Beweisantrags – die zuständige, den Führerschein/Fahrausweis ausstellende ausländische Behörde benennt.”
II.
Die Vorlegung ist gemäß § 121 Abs. 2 GVG zulässig.
Das Thüringer Oberlandesgericht ist an der beabsichtigten Entscheidung gehindert, wenn – entsprechend der Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts – eine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht schon deshalb erfolgen kann, weil der Angeklagte die von ihm behauptete kroatische Fahrerlaubnis nicht durch Vorlage eines Führerscheins nachweisen kann. Nach dieser Auffassung kommt es darauf an, ob der Angeklagte über eine kroatische Fahrerlaubnis verfügt. Da das Landgericht dazu keine Feststellung getroffen hat, müßte das Thüringer Oberlandesgericht das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Zulässigkeit der Vorlegung steht nicht entgegen, daß § 4 IntVO – nach der Tat, aber vor der Entscheidung des Landgerichts – durch Art. 3 Nr. 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. August 1998 (BGBl. I 2214) geändert worden ist. Es kann für die Frage der Zulässigkeit der Vorlegung dahingestellt bleiben, ob infolge dieser Änderung der rechtlichen Grundlagen das Thüringer Oberlandesgericht mit der beabsichtigten Entscheidung von der § 4 Abs. 1 Satz 1 IntVO a.F. betreffenden Rechtsauffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts abweichen würde, wenn auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens § 4 Abs. 1 IntVO n.F. Anwendung fände. Dies ist nämlich nicht der Fall. Für die Beurteilung der Strafbarkeit des Angeklagten ist das alte Recht maßgeblich. § 21 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 IntVO n.F. stellt sich für den Angeklagten nicht als milderes Recht dar. Nach diesen Vorschriften wäre die Fahrt am 19. März 1998 schon deswegen tatbestandsmäßig gewesen, weil seine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland – unabhängig von der Bedeutung des Nachweises der ausländischen Erlaubnis für die Berechtigung zum Fahren im Inland – gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 IntVO n.F. auf einen Zeitraum von 6 Monaten nach der Begründung eines Wohnsitzes im Inland befristet wäre, mithin – da der Angeklagte am 6. Juni 1997 in die Bundesrepublik eingereist ist – am Tattag in keinem Fall mehr bestanden hätte.
Zur Klarstellung der Reichweite der Vorlegungsfrage bemerkt der Senat, daß diese nicht nur ausländische Kraftfahrzeugführer betrifft, sondern auch deutsche Kraftfahrer, die sich auf eine im Ausland erworbene Fahrerlaubnis berufen.
III.
In der Sache vermag sich der Senat der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts nicht anzuschließen.
Beruft sich ein Kraftfahrzeugführer auf eine ausländische Fahrerlaubnis, die sich auf Kraftfahrzeuge der geführten Art erstreckt, so setzt, wenn die Aufenthaltsfristen des § 4 IntVO gewahrt sind, seine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG die Überzeugung des Tatrichters davon voraus, daß er über die behauptete ausländische Fahrerlaubnis nicht verfügt. Der Vorwurf strafbaren Verhaltens läßt sich nicht schon darauf stützen, daß er den Nachweis der ausländischen Erlaubnis weder bei der Fahrt noch später erbracht hat.
1. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. StVG macht sich strafbar, wer ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat. Voraussetzung der Strafbarkeit ist danach das Fehlen dererforderlichen Erlaubnis.
a) Mit dem Merkmal der „erforderlichen Erlaubnis” nimmt der Tatbestand Bezug auf § 2 Abs. 1 Satz 1 StVG. Nach dieser Vorschrift bedarf, wer auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ein Kraftfahrzeug führen will, der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Grundsätzlich kann nur eine deutsche Behörde die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland erforderliche Erlaubnis erteilen (vgl. §§ 4, 68 StVZO a.F., §§ 4, 73 FeV; OLG Köln NZV 1996, 289 m.w.N.). Der Kraftfahrzeugführer, der mit einer deutschen Fahrerlaubnis im Inland ein Kraftfahrzeug führt, macht sich auch dann nicht nach § 21 StVG strafbar, wenn er den Führerschein, durch den er die Erlaubnis nachzuweisen hat (§ 2 Abs. 2 StVG a.F.; § 2 Abs. 1 Satz 3 StVG n.F.; § 4 Abs. 2 Satz 1 FeV), entgegen § 4 Abs. 2 Satz 2 StVZO a.F. (§ 4 Abs. 2 1. Halbsatz FeV) während einer Fahrt nicht bei sich führt. Wer die erforderliche Fahrerlaubnis hat, bei einer Fahrt aber den Führerschein nicht bei sich führt oder ihn entgegen § 4 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz StVZO a.F. (heute: § 4 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz FeV) zuständigen Personen auf Verlangen nicht zur Prüfung aushändigt, handelt lediglich ordnungswidrig (§ 69a Abs. 1 Nr. 5a StVZO a.F. ≪heute § 75 Nr. 4 FeV≫ i.V.m. § 24 StVG).
Dementsprechend kann ein Kraftfahrzeugführer, der sich auf eine deutsche Fahrerlaubnis beruft, nur dann wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt werden, wenn das Gericht davon überzeugt ist, daß ihm die behauptete Fahrerlaubnis nicht erteilt wurde oder diese nicht mehr gültig ist. Der Schuldspruch kann nicht allein darauf gestützt werden, daß der Fahrzeugführer die behauptete Fahrerlaubnis nicht nachweist. Eine „Umkehr der Beweislast” findet nicht statt.
b) Daß auch die Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis auf öffentlichen Straßen in Deutschland ein Kraftfahrzeug führen dürfen und unter welchen Voraussetzungen dies gilt, ist in § 4 IntVO geregelt. Die Vorschrift, deren Rechtsgrundlage sich in § 2 Abs. 1 1. Halbsatz StVG a.F. (§ 2 Abs. 11 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j) StVG n.F.) findet, legt Ausnahmen von dem grundsätzlichen Erfordernis der Fahrerlaubnis einer deutschen Behörde fest. Nach der im Sachverhalt des Ausgangsverfahrens einschlägigen Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) IntVO a.F. dürfen „Fahrzeugführer, die eine andere gültige ausländische Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Fahrausweis) nachweisen, … im Umfang der dadurch nachgewiesenen Berechtigung Kraftfahrzeuge” in Deutschland führen, „wenn sie hier keinen ständigen Aufenthalt haben oder wenn seit der Begründung eines ständigen Aufenthalts nicht mehr als 12 Monate verstrichen sind”.
Der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis, der unter diesen Voraussetzungen auf öffentlichen Wegen oder Plätzen im Inland ein Kraftfahrzeug führt, macht sich – wie aus dem Zusammenwirken der §§ 21, 2 StVG und § 4 IntVO folgt – nicht nach § 21 StVG strafbar. Er hat zwar nicht die nach § 2 StVG (§ 4 FeV) grundsätzlich erforderliche Erlaubnis einer deutschen Behörde. § 4 IntVO befreit ihn aber von diesem Erfordernis mit der Folge, daß der Tatbestand des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 StVG auf ihn nicht Anwendung finden kann.
2. Diese Regelungen lassen für die Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts keinen Raum. Könnten Kraftfahrzeugführer, die sich auf eine ausländische Fahrerlaubnis berufen, schon dann wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt werden, wenn sie den ausländischen Führerschein (oder eine Bestätigung der ausländischen Fahrerlaubnisbehörde über die Erteilung eines solchen Fahrausweises) weder bei der polizeilichen Kontrolle noch in der Hauptverhandlung vorlegen können, so würde dies – im Vergleich zu Kraftfahrern, die sich auf eine deutsche Fahrerlaubnis berufen – eine schwerwiegende Schlechterbehandlung bedeuten. Eine solche Benachteiligung der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis wäre in der Sache nicht gerechtfertigt:
§ 4 IntVO will mit der Gleichstellung von deutschen und ausländischen Fahrerlaubnissen den internationalen Kraftfahrzeugverkehr erleichtern, indem insbesondere ausländischen Fahrzeugführern das Führen von Kraftfahrzeugen im Inland ermöglicht wird. Mit Blick auf die Sicherheit des inländischen Straßenverkehrs, die die Vorschrift mit ihren einschränkenden Voraussetzungen gewährleisten will, ist aber allein maßgeblich, ob der inländische oder ausländische Kraftfahrer über eine Fahrerlaubnis (und damit im allgemeinen auch über die erforderlichen Fahrfähigkeiten und -kenntnisse) verfügt. Der Nachweis dieser Fahrerlaubnis betrifft dagegen lediglich die ordnungsrechtliche Seite; Verstöße gegen die Nachweispflicht können durch die – gesetzlich vorgesehene (§§ 10, 14 IntVO) – Verhängung von Bußgeldern angemessen geahndet werden. Ihre Qualifizierung als kriminelles Unrecht wäre unverhältnismäßig.
3. Die vom vorlegenden Oberlandesgericht für geboten erachtete Ungleichbehandlung findet weder in § 21 StVG noch in § 4 IntVO eine Rechtfertigung. Die für sie angeführten Erwägungen können nicht überzeugen:
a) Allerdings könnte die Fassung des § 4 IntVO auf den ersten Blick die Bejahung der Vorlegungsfrage nahelegen. Die Vorschrift macht – wie dargestellt – die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs aufgrund einer ausländischen Fahrerlaubnis nicht nur davon abhängig, daß diese für ein Kraftfahrzeug der geführten Art gilt (und die Aufenthaltsfrist von 12 Monaten nicht überschritten ist), sondern setzt nach ihrem Wortlaut weiter voraus, daß der Fahrzeugführer die Fahrerlaubnis „nachweist”. Das könnte darauf hindeuten, daß der Verordnungsgeber die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs aufgrund einer ausländischen Fahrerlaubnis an den von dem Kraftfahrer durch Vorlage des ausländischen Führerscheins zu erbringenden Nachweis knüpfen und – in der Konsequenz – § 21 StVG dahin ausfüllen wollte, daß anders als bei Inhabern einer deutschen Fahrerlaubnis allein der fehlende Nachweis der ausländischen Fahrerlaubnis die Strafbarkeit wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis begründet.
Dieser maßgeblich auf den Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 IntVO a.F. abstellenden Auslegung könnte indes nicht gefolgt werden. Ihr steht zunächst schon entgegen, daß der Sprachgebrauch der Vorschrift ohnehin nicht präzise war, wie etwa die Gleichstellung von „Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen” und „Fahrausweis” zeigt. Die fehlende Tragfähigkeit des Wortlautarguments wird sodann auch durch die neue Fassung der Vorschrift, mit der eine inhaltliche Änderung nicht beabsichtigt war (vgl. Begründung der FeV – VkBl. 1998, 1100), belegt:
In der Fassung des Art. 3 Nr. 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. August 1998 (BGBl. I 2214) macht § 4 Abs. 1 Satz 1 IntVO die Berechtigung von Inhabern einer ausländischen Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Inland auch schon seinem Wortlaut nach nicht mehr von dem Nachweis dieser Erlaubnis abhängig. Diese dürfen – nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen, die für die Vorlegungsfrage ohne Bedeutung sind – „im Umfang ihrer Berechtigung” (also nicht mehr: „der nachgewiesenen Berechtigung”) im Inland Kraftfahrzeuge führen. Die Verpflichtung zum Nachweis der Fahrerlaubnis ist in § 4 Abs. 2 Satz 1 IntVO n.F. geregelt. Danach ist „die Fahrerlaubnis durch einen gültigen nationalen oder internationalen Führerschein (…) nachzuweisen.” Die Vorschrift unterscheidet damit – in Wortlaut und Aufbau übereinstimmend mit den für die Inhaber einer deutschen Fahrerlaubnis geltenden Regelungen in § 2 StVG und § 4 FeV – zwischen der Fahrerlaubnis, von der die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs abhängt, und ihrem Nachweis. Da mit der Neufassung des § 4 IntVO keine inhaltliche Änderung beabsichtigt war, erweist sich der Schluß von dem Wortlaut des § 4 IntVO a.F. darauf, daß Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis bei Scheitern ihres Nachweises – anders als Inhaber einer deutschen Fahrerlaubnis – strafbar sind, als nicht tragfähig.
b) Daß die sich aus § 4 Abs. 1 IntVO ergebende Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht davon abhängt, daß der Fahrzeugführer seinen ausländischen Führerschein bei der Fahrt mit sich führt, ergibt sich auch aus § 10 Nr. 2 IntVO in Verbindung mit § 14 Nr. 3 IntVO a.F. (§ 14 Nr. 4 IntVO n.F.). Diese Bußgeldvorschriften wären, worauf das Bayerische Oberste Landesgericht zutreffend hinweist (NZV 1991, 482 m.w.N.), sinnlos, wenn das Nichtmitführen des Führerscheins bereits zur Erfüllung des Straftatbestands des § 21 StVG ausreichen würden.
Dem kann nicht überzeugend entgegengehalten werden, daß der genannte Ordnungswidrigkeitentatbestand schon dann erfüllt ist, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs seinen ausländischen Führerschein bei einer Fahrt nicht bei sich führt, wohingegen der Straftatbestand des § 21 StVG nach Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts erst dann eingreift, wenn er seine Fahrerlaubnis auch später – und sei es auch erst in der Hauptverhandlung – nicht nachweist. Eine solche tatbestandsausschließende Berücksichtigung eines späteren Nachweises der ausländischen Fahrerlaubnis ist rechtlich nicht möglich. Geht man mit dem vorlegenden Oberlandesgericht davon aus, daß eine ausländische Fahrerlaubnis deren Inhaber nur dann im Sinne des § 4 IntVO a.F. zum Führen eines Kraftfahrzeugs berechtigt, wenn er sie nachweist, so kann es für die Frage seiner Strafbarkeit nach § 21 StVG nur darauf ankommen, ob er der Nachweispflicht bei der in Rede stehenden Fahrt nachgekommen ist. Ob ein Verhalten die tatbestandlichen Voraussetzungen einer strafrechtlichen Norm erfüllt, muß – schon mit Blick auf die subjektive Tatseite – im Zeitpunkt der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung feststehen. Ziel der Hauptverhandlung und der Beweisaufnahme ist es, gegebenenfalls die Tatsachen festzustellen, die den gesetzlichen Merkmalen der Straftat entsprechen. Ihr Gang und ihr Ergebnis können aber nicht materiell-rechtlich darüber entscheiden, ob ein angeklagtes und in der Beweisaufnahme entsprechend festgestelltes Verhalten des Angeklagten überhaupt tatbestandsmäßig ist.
c) Entgegen der Befürchtung des vorlegenden Gerichts führt die Rechtsauffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, die sich der Senat zu eigen macht, auch nicht zu unerträglichen Ergebnissen.
Allerdings ist einzuräumen, daß die Notwendigkeit, dem Kraftfahrzeugführer, der sich auf eine ausländische Fahrerlaubnis beruft, diese Einlassung zu widerlegen, die Arbeit der Behörden der Verkehrsüberwachung und der Gerichte erschweren wird; in Einzelfällen, insbesondere bei Kraftfahrzeugführern, die nicht aus Staaten der Europäischen Union stammen, mögen die erforderlichen Ermittlungen einen nicht unerheblichen Aufwand erfordern; je nach der Organisation des Staates, der die Erlaubnis angeblich oder tatsächlich erteilt hat, und den sein Verwaltungshandeln prägenden Bedingungen könnten sie auf unüberwindbare Schwierigkeiten stoßen. Das kann eine andere Beantwortung der Vorlegungsfrage aber nicht rechtfertigen:
Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Folgenbetrachtung nicht eher gegen die Strafbewehrung eines Verstoßes gegen die Nachweispflicht spricht: Von den Kraftfahrern, die auf Straßen im Inland unter Berufung auf eine (tatsächlich oder angeblich erteilte) ausländische Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug führen, dürfte – zumal in grenznahen Regionen – eine große, wenn nicht die weit überwiegende Zahl aus Nachbarstaaten stammen. Werden Angehörige der Nachbarstaaten bei einer Verkehrskontrolle ohne ihren Führerschein angetroffen, so wird die Überprüfung, ob sie über die behauptete Fahrerlaubnis verfügen, im allgemeinen aber keinen sonderlichen Aufwand bedeuten. Gründe, auch diesen Kraftfahrzeugführern – anders als deutschen Fahrern – zur Vermeidung einer strafrechtlichen Verurteilung den Nachweis ihrer Fahrerlaubnis aufzugeben, sind nicht ersichtlich, weshalb die Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts auch mit Blick auf das europäische Recht nicht unproblematisch erscheint (vgl. auch EuGH NZV 1996, 242). Für eine Differenzierung nach dem Herkunftsland des ausländischen Kraftfahrers läßt § 4 IntVO a.F. aber, jedenfalls soweit es die Nachweispflicht anbelangt, keinen Raum.
Im übrigen darf der Aufwand für die Verkehrsüberwachungsbehörden und Gerichte nicht überschätzt werden. Auch erscheint die Sorge, daß sich ein ausländischer Kraftfahrzeugführer schon durch die schlichte Berufung auf eine angebliche ausländische Fahrerlaubnis der Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis entziehen könnte, nicht begründet. Je nach den Umständen und den Einzelheiten der Einlassung kann es geboten sein, der Behauptung einer ausländischen Fahrerlaubnis mit erheblicher Vorsicht zu begegnen. Für die erforderliche Feststellung, daß der Angeklagte die behauptete ausländische Fahrerlaubnis nicht hat, gelten § 261 StPO und die von der Rechtsprechung zur freien richterlichen Beweiswürdigung sowie deren Grenzen entwickelten Grundsätze. Danach ist der Strafrichter keineswegs gezwungen, die Behauptung einer ausländischen Fahrerlaubnis schlechthin hinzunehmen. Beschränkt sich der Angeklagte auf vage oder widersprüchliche Angaben, die eine Überprüfung nicht ermöglichen, so ist der Tatrichter auch aufgrund der allgemeinen Aufklärungspflicht nicht gehalten, dem durch Ausdehnung der Beweisaufnahme in unbestimmte Richtungen nachzugehen. Sind die Angaben des Angeklagten zu der behaupteten Fahrerlaubnis, insbesondere zur erteilenden Stelle und zum Zeitpunkt der Erteilung, aber detailliert und präzise, so wird es regelmäßig auch keine übermäßigen Schwierigkeiten bereiten, die Richtigkeit der Einlassung zu überprüfen.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Tolksdorf, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 625293 |
BGHSt |
BGHSt, 89 |
NJW 2001, 3347 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2001, 1130 |
DAR 2002, 35 |
NZV 2002, 45 |
VersR 2002, 454 |
ZfS 2001, 563 |
PVR 2002, 273 |
StV 2002, 363 |
BA 2003, 52 |