Leitsatz (amtlich)
Legt der Bauherr gegen die auf § 15 BauGB gestützte Zurückstellung seines Baugesuchs Widerspruch ein, so hat die Bauaufsichtsbehörde mit Rücksicht auf dessen aufschiebende Wirkung die Amtspflicht, die Bearbeitung fortzusetzen, solange kein Sofortvollzug angeordnet wird.
Normenkette
BGB § 839; BauGB § 15
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 31. Juli 2000 – 6 U 128/00 – wird nicht angenommen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 1.278.677,00 DM.
Gründe
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO). Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54, 277).
Das Berufungsurteil wird bereits durch seine Hauptbegründung getragen.
1. Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß das Bauvorhaben der Kläger als ein solches im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Zeitpunkt der Antragstellung planungsrechtlich zulässig war, läßt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.
2. Dementsprechend hängt die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, das im positiven Sinne entscheidungsreife Baugesuch der Kläger nicht weiter zu bearbeiten, davon ab, ob der Zurückstellungsbescheid nach § 15 BauGB ihr trotz der aufschiebenden Wirkung des von den Klägern eingelegten Widerspruchs dafür eine hinreichende Grundlage geboten hatte. Diese Frage ist in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht und der Entscheidung des OVG Berlin NVwZ 1995, 399 zu verneinen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Zurückstellungsbescheid nach § 15 BauGB haben gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Eine dem § 212 a BauGB vergleichbare Regelung gibt es für den Zurückstellungsbescheid nicht. Daher gilt – entgegen der Auffassung der Revision – insoweit der allgemeine verwaltungsprozessuale Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO (so auch Lemmel in BerlKomm BauGB 2. Aufl. 1995 § 15 Rn. 18 m.w.N.). Es wäre Sache der Baugenehmigungsbehörde gewesen, insoweit den Sofortvollzug anzuordnen, an dessen Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (OVG Berlin aaO). Solange dies nicht geschieht, ist die Behörde aufgrund des Eintritts der aufschiebenden Wirkung zur unverzüglichen Weiterbearbeitung des Baugenehmigungsantrags verpflichtet (OVG Berlin aaO).
3. Ebenso zutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Beklagte sich hier nicht auf rechtmäßiges Alternativverhalten berufen kann. Insbesondere ist der vorliegende Sachverhalt nicht mit demjenigen vergleichbar, der dem Senatsbeschluß vom 26. September 1996 (III ZR 244/95 = BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Kausalität 10) zugrunde gelegen hatte: Zwar hätte auch dort die korrekte Handlungsform den Erlaß eines mit der Anordnung sofortiger Vollziehbarkeit versehenen Verwaltungsaktes erfordert. Im Unterschied zu hier standen dort aber die Gefahrenlage und die zu ihrer Bekämpfung notwendigen Maßnahmen unter allen Beteiligten außer Zweifel. Es wurde auch die Rechtsverteidigung des Betroffenen durch die Wahl der möglicherweise unkorrekten Handlungsform nicht beeinträchtigt. Von alledem kann hier keine Rede sein: Die Anordnung des Sofortvollzugs stand im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Wenn sie – trotz entsprechender Hinweise der Kläger auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs – darauf verzichtete, von diesem ihr zur Verfügung stehenden Instrument Gebrauch zu machen, besteht keine innere Rechtfertigung dafür, ihr den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens zugute kommen zu lassen. Der Bürger hat einen aus seinem Eigentum hergeleiteten Anspruch darauf, sein Grundstück im Rahmen der Rechtsordnung bebauen zu dürfen. Ein Eingriff in dieses Recht ist nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen zulässig, zu denen auch die Einhaltung der für etwaige Beschränkungen erforderlichen formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen gehört. Insoweit bestehen hier Berührungspunkte zu dem Senatsurteil vom 12. Juli 2001 (III ZR 282/00), wo der Senat dem Aufstellungsbeschluß nach § 2 Abs. 1 BauGB vor dessen Bekanntmachung ebenfalls keine die Zurückstellung einer entscheidungsreifen Bauvoranfrage rechtfertigende Wirkung beigemessen hat, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens.
4. Auch im übrigen läßt das Berufungsurteil keine entscheidungserheblichen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten erkennen. Auf die Hilfsbegründung kommt es daher nicht an.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Fundstellen
Haufe-Index 625115 |
BGHR 2001, 773 |
BGHR |
BauR 2001, 1887 |
BauR 2002, 135 |
BauR 2002, 529 |
NVwZ 2002, 123 |
IBR 2001, 581 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1961 |
ZfIR 2001, 1016 |
DÖV 2002, 89 |
NJ 2002, 41 |
VersR 2002, 1237 |
ZfBR 2001, 435 |
ZfBR 2001, 557 |
BRS 2002, 617 |
BayVBl. 2002, 56 |
DVBl. 2001, 1626 |
GV/RP 2002, 150 |
UPR 2002, 25 |
BRS-ID 2002, 17 |
FSt 2002, 445 |
FuBW 2002, 18 |
FuHe 2002, 207 |
FuNds 2002, 364 |