Verfahrensgang
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte B. und den Mitangeklagten A. wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu Freiheitsstrafen von je fünf Jahren verurteilt. Die Revision des Mitangeklagten A. hat der Senat mit Beschluß vom gleichen Tage gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Das Rechtsmittel der Angeklagten B. hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme täterschaftlicher Beteiligung am Handeltreiben und eines sich auf mehr als ein Kilogramm Heroin erstreckenden Vorsatzes.
1. Der Mitangeklagte A. erhielt von seinem Neffen D. den Auftrag, gegen einen Kurierlohn von 2.000 DM "etwa ein Kilogramm" Heroin von Amsterdam nach Berlin zu schmuggeln. Er ließ sich den Pkw der Angeklagten B. unter dem Vorwand aushändigen, er wolle ihn für eine Fahrt von Arnheim zu Verwandten nach Bonn herrichten, damit sie dort ihre persönlichen Probleme lösen könnten. Die zwischen beiden Angeklagten bestehende Liebesbeziehung war nämlich zu dieser Zeit in eine schwere Krise geraten, weil die Angeklagte B. erfahren hatte, daß der Mitangeklagte A. entgegen seinen Erklärungen verheiratet war. Tatsächlich wurden durch die Hintermänner des D. in Abwesenheit des Mitangeklagten A. in dem Pkw 3935 Gramm Heroin versteckt. Die Angeklagte B. fuhr mit dem von ihr gelenkten Fahrzeug und dem Mitangeklagten A. am Grenzübergang Elten/Autobahn in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo das Rauschgift entdeckt wurde. Die Angeklagte bestreitet, von der Existenz des Heroins gewußt zu haben.
2. Ohne Rechtsfehler hat hierbei die Strafkammer aus verschiedenen konkreten Umständen die Feststellung hergeleitet, daß die Angeklagte spätestens bei Fahrtantritt in Arnheim darüber informiert worden war, daß die Fahrt nicht dem Besuch von Verwandten in Bonn, sondern dem Transport von Heroin nach Berlin dienen soll, und daß sie gleichwohl ihr Einverständnis erklärt hat. Dagegen fehlt es für die weitere Feststellung, sie habe an dem Kurierlohn teilhaben wollen (UA S. 20), an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Insbesondere kann die bei einem gewöhnlichen Kurier meist zutreffende Annahme, er werde sich nicht ohne Lohn dem Risiko aussetzen, bei den Besonderheiten dieses Falles nicht herangezogen werden. Es ist ebensogut vorstellbar, daß die Angeklagte ausschließlich aus altruistischen Motiven, um ihrem Freund einen bloßen Gefallen zu erweisen, mitgewirkt hat.
Dann aber würde es an dem für die Annahme von täterschaftlichem Handeltreiben erforderlichen persönlichen Eigennutz fehlen (vgl. BGH GA 1981, 572).
3. Soweit die Strafkammer einen immateriellen Vorteil darin sieht, daß die Angeklagte durch ihre Mitwirkung die Beziehung zu dem Mitangeklagten A. aufrechterhalten wollte, rechtfertigt auch dies die Verurteilung wegen täterschaftlichem, eigennützigem Handeltreiben nicht. Für die Annahme dieses zusätzlichen Motives fehlt es ebenfalls an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Es erscheint zwar möglich, daß die Angeklagte glaubte, bei einer Weigerung ihren Freund zu verlieren, es ist aber auch vorstellbar, daß sie davon ausging, die Frage der Fortdauer der Liebesbeziehung werde hiervon nicht maßgeblich beeinflußt.
Darüber hinaus kann das Bestreben eines Tatbeteiligten, sich durch die Mitwirkung die weitere Gunst des Geliebten zu sichern, nicht als eigennützig gewertet werden. Eigennützig ist eine solche Tätigkeit nur, wenn das Tun des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder wenn er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder - bei entsprechender Sachlage - immateriell besser gestellt wird (BGHSt 34, 124 [126]; BGH GA 1981, 572). Hierbei kann der Vorteil auch in der Vermeidung eines sonst eintretenden Nachteils gesehen werden (BGH, Urteil vom 7. August 1985 - 2 StR 787/84). Ein Vorteil immaterieller Art kommt bei der gebotenen zurückhaltenden Auslegung (vgl. Jescheck in LK 10. Aufl. § 331 Rdn. 9 zur gleichgelagerten Problematik der Vorteilsannahme) nur in Betracht, wenn er einen objektiv meßbaren Inhalt hat und den Empfänger in irgendeiner Weise tatsächlich besser stellt (BGH NJW 1985, 2654 [2656]).
Nach diesen Maßstäben kann in der bloßen Aufrechterhaltung einer Liebesbeziehung kein Vorteil im Sinne eines Eigennutzes gesehen werden. Ob eine solche Beziehung für einen der beteiligten Partner einen "Vorteil" darstellt, entzieht sich einer objektiven Bewertung; dies wird insbesondere im vorliegenden Fall eines problembeladenen Verhältnisses zu einem verheirateten Mann deutlich.
4. Das Landgericht hat auch in rechtlich bedenklicher Weise dem Schuldumfang bei der Angeklagten B. ein bedingt vorsätzliches Handeln hinsichtlich der über ein Kilogramm Heroin hinausgehenden Menge von weiteren knapp drei Kilogramm zugrundegelegt. Die Feststellung, sie habe auch insoweit das gleiche Tatwissen wie der Mitangeklagte A. gehabt, ist durch ausreichende Tatsachen nicht belegt (UA S. 19). Dieser hat nach den Umständen der Beladung, den Sicherheitsvorkehrungen, den ausweichenden Angaben des D. und der Ergebnislosigkeit der Nachsuche mit einer erheblich größeren Menge gerechnet. Diese Beobachtungen konnte die Angeklagte B. nicht machen. Sie könnte nur dann den gleichen Wissensstand wie der Mitangeklagte A. gehabt haben, wenn dieser sie umfassend informiert hätte. Die von der Strafkammer aufgezeigten Indizien belegen lediglich, daß die Angeklagte darüber aufgeklärt worden ist, daß die Fahrt einem Rauschgifttransport nach Berlin und nicht einem Verwandtenbesuch in Bonn galt. Es war nach den Umständen jedenfalls möglich, daß der Mitangeklagte A. lediglich die von D. genannte Gewichtsangabe von einem Kilogramm weitergab und seine Vermutungen nach einer Mehrmenge für sich behielt, um die Angeklagte B. wegen des damit verbundenen höheren Risikos nicht zu verunsichern.
Fundstellen
Haufe-Index 2993148 |
NJW 1993, 76 |
NStZ 1992, 594 |
MDR 1992, 1076 |
EBE 1992, 318 |
StV 1993, 75 |