Tenor
Dem Großen Senat für Strafsachen wird gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Ergibt sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann aus der Tat (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB), wenn aus dieser konkrete Anhaltspunkte dafür zu erkennen sind, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen – ist somit ein spezifischer Zusammenhang zwischen Anlaßtat und Verkehrssicherheit erforderlich ?
Tatbestand
I.
Beim 4. Strafsenat sind drei – zur Durchführung des Verfahrens nach § 132 GVG verbundene – Revisionsverfahren anhängig, in denen den revisionsführenden Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen worden ist. In allen Fällen hatte der Generalbundesanwalt beantragt, die jeweilige Revision durch Beschluß gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO mit der Maßgabe als unbegründet zu verwerfen, daß der Maßregelausspruch entfällt; denn in den – im übrigen nicht zu beanstandenden – Urteilen sei die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtsfehlerhaft erfolgt, weil es an dem erforderlichen „verkehrsspezifischen Zusammenhang” zwischen den abgeurteilten Straftaten und dem Führen des bei den Taten eingesetzten Kraftfahrzeugs fehle. Dem liegt folgendes zugrunde:
1. In dem Verfahren 4 StR 85/03 hat das Landgericht Essen den Angeklagten A. am 10. Oktober 2002 u.a. wegen Betruges in 75 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren angeordnet. Nach den Feststellungen setzte der Angeklagte ungültige Kreditkarten zu betrügerischen Einkäufen ein, wobei er in den meisten Fällen mit einem Kraftfahrzeug zu Tankstellen fuhr und ein Mittäter eine gesperrte Kreditkarte zur Betankung des Fahrzeugs und zum Kauf von Waren vorlegte.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis begründet das Landgericht wie folgt:
„Daneben [neben der Gesamtstrafe] war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte seinen Pkw bzw. Mietwagen zur Ausführung der Taten verwendet hat, indem er mit dem Pkw zu den Tatorten fuhr. Damit hat sich der Angeklagte als zum Führen von Kraftfahrzeugen charakterlich ungeeignet erwiesen. Die Kammer hält es insofern für angemessen, dem Angeklagten den Führerschein zu entziehen und eine Sperrfrist von zwei Jahren zu verhängen.”
Zu der – einschlägigen – Vorverurteilung, deren Einzelstrafen in das angefochtene Urteil einbezogen wurden, teilt das Landgericht mit, daß sich der Angeklagte in einem Fall von dem damaligen Mittäter zu einer Tankstelle fahren ließ und mit der (gesperrten) Kreditkarte Telefonkarten kaufen wollte. Als die Karte auf ihre Gültigkeit überprüft werden sollte, flüchtete der Angeklagte in den Pkw des Mittäters, der sodann „mit Vollgas” davonfuhr. Das „Fluchtfahrzeug” wurde nach Einleitung einer Nahbereichsfahndung von einem Polizeifahrzeug gestellt.
2. Im Verfahren 4 StR 155/03 hat das Landgericht Essen den Angeklagten C. am 16. Dezember 2002 wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Nach den Feststellungen fuhr der Angeklagte gegen 4.00 Uhr morgens mit seinem Pkw zum Haus einer Tierärztin, um diese mit einem Mittäter zu überfallen und aus dem Haus wertvolle afrikanische Skulpturen zu erbeuten. Er bedrohte die Ärztin mit einem geladenen Revolver, ließ sich Bargeld aushändigen, entwendete Schmuck und stellte mehrere afrikanische Figuren zum Abtransport bereit. Nachdem er die Geschädigte gefesselt hatte, packte er die Figuren in eine Sporttasche und begab sich zu seinem Pkw, wobei ihm der Mittäter beim Abtransport der Beute half. Sodann fuhr er mit dieser zu seiner Wohnung.
Zum Entzug der Fahrerlaubnis findet sich im Urteil folgende Begründung:
„Dem Angeklagten C. war gem. §§ 69, 69 a StGB – wie geschehen – die Fahrerlaubnis zu entziehen. Er ist mit seinem Fahrzeug zum Tatort gefahren und hat es damit zur Tatbegehung benutzt. Damit hat er sich zum Führen von Fahrzeugen als ungeeignet erwiesen, so dass ihm entsprechend die Fahrerlaubnis zu entziehen war.”
3. In dem dritten Verfahren (4 StR 175/03) hat das Landgericht Detmold den Angeklagten O. am 20. November 2002 u.a. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und angeordnet, daß die Verwaltungsbehörde ihm vor Ablauf eines Jahres keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte zum Handeltreiben und Eigenverbrauch in 16 Fällen insgesamt ca. 13 kg Haschisch, wobei er für die einzelnen Beschaffungsfahrten seinen Pkw benutzte. Nach Empfang der letzten Lieferung wurde der Angeklagte festgenommen. Bei der anschließenden Durchsuchung seines Fahrzeugs wurden 975 g Haschisch, das der Angeklagte in einem auf dem Beifahrersitz liegenden Rucksack transportierte, sichergestellt.
Das Landgericht hat die Entziehung der Fahrerlaubnis wie folgt begründet:
„Die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Anordnung einer Sperrfrist für deren Wiedererteilung basiert auf den §§ 69, 69 a StGB. Für seine Taten benutzte der Angeklagte seinen Pkw. Dadurch hat er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr erwiesen. Die charakterliche Ungeeignetheit wiegt so schwer, dass eine Sperrfrist von einem Jahr erforderlich ist.”
Entscheidungsgründe
II.
Nach der Rechtsprechung ist § 69 Abs. 1 StGB nicht nur bei Verkehrsverstößen im engeren Sinne, sondern auch bei sonstigen strafbaren Handlungen anwendbar, sofern sie bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurden (vgl. BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 8; BGH NZV 2003, 199, 200). Dabei wird der Begriff des „Zusammenhangs” weit gefaßt; er wird regelmäßig nur dann verneint, wenn der Täter die Tat lediglich „bei Gelegenheit der Fahrt” begangen hat (vgl. BGHSt 22, 328, 329; Geppert in LK 11. Aufl. § 69 Rdn. 33). Die zur Entziehung der Fahrerlaubnis in § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB geforderte, sich aus der Tat ergebende Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen kann auch auf fehlender charakterlicher Zuverlässigkeit beruhen (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 3, 6, 10, 11, 13).
Zu den weiteren Erfordernissen der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis bei Straftaten außerhalb des Regelkatalogs des § 69 Abs. 2 StGB ist die bisherige Judikatur uneinheitlich:
1. In einer Vielzahl von Entscheidungen wird ausgeführt, bei schwerwiegenden Straftaten, die unter Benutzung eines Kraftfahrzeugs begangen werden, sei die charakterliche Zuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen regelmäßig zu verneinen; einen „verkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang” zwischen Tat und Verkehrssicherheit müsse der Tatrichter nicht feststellen (BGH, Beschluß vom 14. Mai 2003 – 1 StR 113/03 [S. 3, 7] = NStZ 2003, 658, 659, 660 m.w.N.). Auch wird eine eingehende Würdigung der Täterpersönlichkeit zur Frage der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen bei schwerwiegenden Straftaten oder bei wiederholten Taten unter Benutzung eines Kraftfahrzeuges „nicht zwingend” verlangt, es sei denn, es lägen „besondere Umstände” vor (BGH aaO S. 660; s. auch BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 3, 6, 10 m.w.N.).
a) Für Fälle des Betruges ist die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtsfehlerfrei angesehen worden, wenn der Angeklagte die Straftaten „als reisender Betrüger begangen und sich dabei sowohl aus Gründen der Beweglichkeit wie auch der größeren Kreditwürdigkeit wegen, die der Eigentümer eines Kraftwagens im Wirtschaftsleben nun einmal besitze, eines Kraftwagens (bediente)” (Urteil vom 5. November 1953 – 3 StR 542/53 = BGHSt 5, 179 f.) bzw. wenn der Betrug „dem Täter durch die Fahrerlaubnis erleichtert oder überhaupt erst ermöglicht (wurde)” (Urteil vom 27. Oktober 1955 – 4 StR 370/55; vgl. auch Urteil vom 11. Januar 1966 – 1 StR 487/65 = DAR 1966, 91 f. [Betrug zum Nachteil von Tankstelleninhabern]; Urteil vom 10. März 1976 – 2 StR 782/75 = DAR 1977, 151 [Benutzung eines Pkw, um an weit entfernte Tatorte zu gelangen oder die durch Betrug oder Diebstahl erbeuteten Gegenstände abzutransportieren]; Beschluß vom 23. Januar 2002 – 2 StR 520/01 = NStZ-RR 2002, 137 [Betrug]).
b) Auch in Fällen des (schweren) Raubes bzw. der (schweren) räuberischen Erpressung ist die Entziehung der Fahrerlaubnis schon dann als zulässig erachtet worden, wenn das Kraftfahrzeug zur Ausführung der Tat benutzt wurde (vgl. nur Urteil vom 27. Oktober 1987 – 1 StR 454/87 = DAR 1988, 227 [Raubüberfall]; Urteil vom 25. Mai 2001 – 2 StR 78/01 = NStZ 2002, 364, 366 [Banküberfälle]; Beschluß vom 14. Mai 2003 – 1 StR 113/03 = NStZ 2003, 658 [Überfall auf die Rezeption eines Hotels]; s. auch BGHSt 10, 333, 336 [2. Strafsenat: Flucht nach Raubüberfall]; Urteil vom 5. Juli 1978 – 2 StR 122/78 = DAR 1979, 185 f., Beschluß vom 1. Februar 1994 – 1 StR 845/93 [Aufsuchen der Tatorte; Abtransport der Beute]).
c) Bei der Durchführung von Transporten großer Mengen von Betäubungsmitteln mit einem Kraftfahrzeug ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bisher regelmäßig als rechtsfehlerfrei angesehen worden; nur „unter ganz besonderen Umständen” solle „ausnahmsweise” etwas anderes gelten (vgl. Urteil vom 30. Juli 1991 – 1 StR 404/91 = BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 3; Urteil vom 23. Juni 1992 – 1 StR 211/92 = NStZ 1992, 586; Urteil vom 29. September 1999 – 2 StR 167/99 = NStZ 2000, 26 f.; Beschluß vom 14. Mai 2003 – 1 StR 113/03 [S. 7] = NStZ 2003, 658, 660; s. auch das Urteil vom 21. April 2004 – 1 StR 522/03 sowie Kotz/Rahlf NStZ-RR 2003, 161, 163).
2. Es gibt aber auch dem entgegenstehende Judikate: So hat der 1. Strafsenat in seinem eine Verurteilung wegen (fortgesetzten) sexuellen Mißbrauchs eines Kindes betreffenden Beschluß vom 14. September 1993 – 1 StR 553/93 (= StV 1994, 314, 315) – die Entziehung der Fahrerlaubnis mit der Begründung aufgehoben, daß „vom Täter weitere Verletzungen der Kraftfahrerpflichten zu befürchten (sein müssen)”, was das Landgericht nicht festgestellt habe. Der Angeklagte sei, von der abgeurteilten Tat abgesehen (er hatte u.a. abgelegene Parkplätze angesteuert, um in dem Pkw sexuelle Handlungen vorzunehmen), bisher weder als Kraftfahrer noch sonst nachteilig in Erscheinung getreten. Die Gefahr künftiger solcher Taten liege auch nicht auf der Hand. Das Landgericht hätte daher „anhand konkreter Gesichtspunkte verdeutlichen müssen, worauf sich (seine) Besorgnis (stütze), daß vom Angeklagten künftig weitere Verletzungen seiner Kraftfahrerpflichten zu erwarten (seien)”. Im Beschluß vom 8. August 1994 – 1 StR 278/94 (= BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 5), der die Verurteilung wegen eines Waffentransports in einem Pkw betraf, hat der 1. Strafsenat diese Rechtsprechung bestätigt: „Eine Entziehung der Fahrerlaubnis verlangt …, daß … vom Täter weitere Verletzungen der Kraftfahrerpflichten zu erwarten sind …” (in diesem Sinne auch der 5. Strafsenat in seinem Beschluß vom 12. August 2003 – 5 StR 289/03). Da es nicht „Kraftfahrer-Pflicht” (zu den „Kraftfahrerpflichten” vgl. Geppert in LK aaO § 69 Rdn. 46 f.) sein kann, allgemein keine Straftaten zu begehen, muß damit gemeint sein, daß die Belassung der Fahrerlaubnis Verkehrssicherheitsinteressen berühren würde.
In seinem Urteil vom 28. August 1996 – 3 StR 241/96 (= BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 6) hat der 3. Strafsenat Bedenken gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geäußert, daß bei der Durchführung von Betäubungsmittelgeschäften unter Benutzung eines Kraftfahrzeuges die charakterliche Zuverlässigkeit „in der Regel” verneint werden müsse. Damit werde nämlich möglicherweise einer weiteren Deliktsgruppe dieselbe Wirkung wie den Katalogstraftaten des § 69 Abs. 2 StGB beigemessen.
Schließlich wird in einer Fülle von Entscheidungen darauf hingewiesen, daß bei anderen als den Katalogstraftaten des § 69 Abs. 2 StGB eine Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit erfolgen müsse (vgl. nur BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 2, 4, 5, 6, 7, 10, 13).
III.
Nach Auffassung des Senats können die Maßregelanordnungen in den angefochtenen Urteilen nicht bestehen bleiben, weil entgegen der Meinung der Landgerichte allein die Benutzung eines Kraftfahrzeugs zur Begehung von Straftaten die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen noch nicht belegt. Der Senat ist vielmehr – anders als es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bislang zum Teil vertreten worden ist (oben II. 1) – der Ansicht, daß sich die (charakterliche) Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann aus der Tat ergibt (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB), wenn aus dieser konkrete Anhaltspunkte dafür zu erkennen sind, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen. Zwischen Tat und Verkehrssicherheit muß somit ein „spezifischer Zusammenhang” bestehen. Dazu verhalten sich die angefochtenen Urteile jedoch nicht; sie müßten daher hinsichtlich der Maßregelanordnungen aufgehoben werden.
Mit Beschluß vom 16. September 2003 (= NStZ 2004, 86) hat der Senat bei den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs gemäß § 132 Abs. 3 GVG angefragt, ob an zu dem oben aufgestellten Rechtssatz entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.
Während der 3. Strafsenat (Beschluß vom 13. Januar 2004 – 3 ARs 30/03) und der 5. Strafsenat (Beschluß vom 28. Oktober 2003 – 5 ARs 67/03) dem in dem Anfragebeschluß formulierten, der Vorlagefrage entsprechenden Rechtssatz zugestimmt bzw. nicht widersprochen haben, hält der 2. Strafsenat (Beschluß vom 21. Januar 2004 – 2 ARs 347/03) eine Befassung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs mit den aufgeworfenen Rechtsfragen für „wünschenswert”. In seinem Urteil vom 26. September 2003 – 2 StR 161/03 – (= NStZ 2004, 144) hat er allerdings die gleiche Rechtsauffassung wie der erkennende Senat vertreten (vgl. – neuestens – auch den Beschluß vom 6. August 2004 – 2 StR 291/04 – sowie Herzog StV 2004, 151, 152; Sowada NStZ 2004, 169, 170). Der 1. Strafsenat (Beschluß vom 13. Mai 2004 – 1 ARs 31/03) hat mitgeteilt, daß er an seiner bisherigen – entgegenstehenden, entscheidungstragenden – Rechtsprechung zur Auslegung und Anwendung des § 69 Abs. 1 StGB festhalte.
Der Senat hat mit Urteilen vom 6. Juli 2004 die Revisionen der Angeklagten zu den Schuldsprüchen und Strafaussprüchen verworfen und die Entscheidung über die Rechtsmittel der Angeklagten gegen die in den angefochtenen Urteilen jeweils angeordnete Maßregel einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Er legt die – streitige – Rechtsfrage dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vor (§ 132 Abs. 2 GVG); nach Auffassung des Senats ist sie auch von grundsätzlicher Bedeutung, so daß die Vorlage sowohl aus Gründen der Divergenz zur Rechtsprechung des 1. Strafsenats (oben II. 1) als auch nach § 132 Abs. 4 GVG erfolgt (vgl. BGHSt 40, 360, 366).
IV.
Wie der Senat in seinem Anfragebeschluß vom 16. September 2003 im einzelnen ausgeführt hat, möchte er – berechtigte Kritik in der Literatur berücksichtigend – unter Aufgabe eigener entgegenstehender Rechtsprechung der ausufernden, uneinheitlichen und weithin konturenlosen Rechtsprechung zur strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis schärfere, dem Sinn und Zweck der Maßregel entsprechende Strukturen geben. Im Hinblick auf die Gesetzessystematik, die Entstehungsgeschichte des § 69 StGB und den Wortlaut der Vorschrift erachtet er eine restriktivere, verfassungskonforme Auslegung der Norm im Sinne der Vorlegungsfrage für geboten (zustimmend Buermeyer HRRS 12/2003, 258 ff. [264]; Burmann in Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht 18. Aufl. [2004] § 69 StGB Rdn. 11; Grohmann VD 2004, 7 ff.; Hentschel NZV 2004, 57 ff. [61]; Herzog aaO S. 151 ff. [153]; Sowada aaO S. 169 ff. [174 f.]; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 69 Rdn. 44 f.; in diesem Sinne auch die Empfehlung Ziff. 1 des Arbeitskreises IV des 42. Deutschen Verkehrsgerichtstages [VGT] 2004). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt er auf die Begründung in seinem Anfragebeschluß Bezug und bemerkt – unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der anderen Strafsenate, insbesondere des 1. Strafsenats – ergänzend folgendes:
1. Die Divergenz zwischen dem 1. Strafsenat und dem vorlegenden Senat besteht darin, daß der Zweck der Maßregel streitig ist. Während der 1. Strafsenat der Meinung ist, zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei „Zusammenhangstaten” (§ 69 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. StGB) genüge die Besorgnis, der Täter werde die Fahrerlaubnis „erneut zu Taten auch nicht-verkehrsrechtlicher Art mißbrauchen” (Antwort-Beschluß S. 4) – die Entziehung der Fahrerlaubnis sei also eine Maßnahme (auch) zur allgemeinen Verbrechensbekämpfung –, vertritt der vorlegende Senat die Auffassung, daß § 69 StGB nur dem Schutz der Verkehrssicherheit diene (so auch der 2. Strafsenat in seinem in NStZ 2004, 144 abgedruckten Urteil vom 26. September 2003 – 2 StR 161/03).
2. Soweit sich der 1. Strafsenat zur Begründung seiner Ansicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruft, kann der Senat dem nicht folgen.
a) Eine Definition des Begriffs der „Geeignetheit” zum Führen von Kraftfahrzeugen findet sich – allerdings negativ – schon in § 3 Abs. 2 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 13. November 1937 (RGBl I 1215). Danach war „ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren … besonders, wer unter erheblicher Wirkung geistiger Getränke oder Rauschgifte am Verkehr teilgenommen oder sonst gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder andere Strafgesetze erheblich verstoßen hat”. Eine ähnliche Begriffsbestimmung enthält – positiv – auch der geltende § 2 Abs. 4 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) idF der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl I 310): „Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat” (vgl. auch § 11 Abs. 1 Satz 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung [FeV] vom 18. August 1998 [BGBl I 2214] idF vom 7. August 2002 [BGBl I 3267]: „Außerdem dürfen die Bewerber nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben, so daß dadurch die Eignung ausgeschlossen wird”; ähnlich: § 46 Abs. 1 FeV zum verwaltungsrechtlichen Entzug der Fahrerlaubnis). In § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV ist geregelt, daß die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln „bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen oder bei denen Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential bestehen”, angeordnet werden kann. Diese Maßnahme ist Teil der umfassenden Prüfung der Geeignetheit von Kraftfahrzeugführern, die ausschließlich der Verwaltungsbehörde vorbehalten ist und die vom Strafrichter weder geleistet werden kann noch geleistet werden darf (vgl. BVerwG NJW 1989, 116, 117). Daß das Straßenverkehrsgesetz und die Fahrerlaubnis-Verordnung ausschließlich der Verkehrssicherheit dienen (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht 37. Aufl. Einl. Rdn. 3, 11), bedarf nach Auffassung des Senats keiner weiteren Erörterung.
b) Das Bundesverwaltungsgericht hat stets betont, daß nach der Begehung nicht verkehrsrechtlicher Straftaten zur Beurteilung der Eignungsfrage darauf abzustellen sei, „ob aus einem Hang des Täters zur Mißachtung der Rechtsordnung die Befürchtung gerechtfertigt ist, daß der Täter auch Verkehrsvorschriften mißachten werde” (BVerwG VRS 32, 479 f.). Es hat allerdings in älteren Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis im Verwaltungsweg genügen lassen, daß die Gefahr bestand, „der Rechtsbrecher” werde ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten verwenden, wobei es von dem „Erfahrungssatz” ausging, bei einem Vorbestraften, dem ein „allgemeiner Hang zur Mißachtung der Rechtsordnung” innewohne, sei zu befürchten, daß er sich auch über Verkehrsvorschriften hinwegsetzen werde (BVerwGE 11, 334, 335 = NJW 1961, 983, 984; BVerwG VRS 20, 392, 393; noch weiter gehend BVerwG VRS 20, 391, 392 [Der Schutzzweck der §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 StVG aF sei auch darauf gerichtet, andere vor Straftaten durch einen Kraftfahrzeugführer zu bewahren]).
In der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet sich dieser – umstrittene – Erfahrungssatz nicht mehr (einschränkend schon BVerwG VRS 32, 479, 480 [”häufig” werde ein derartiger Zusammenhang bestehen]). Sie stellt vielmehr darauf ab, ob bei einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit negative Charakteranlagen „auch im Verkehr eine echte Gefahr darstellen” (BVerwG JZ 1970, 67, 68; vgl. auch BVerwGE 77, 40, 42 f. m.w.N. = NJW 1987, 2246 [Die Eignung beurteile sich auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers, und zwar nach dem Maßstab seiner Gefährlichkeit für den öffentlichen Straßenverkehr; von wesentlichem Gewicht sei die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Kraftfahrer erstmals oder erneut gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen wird]; 99, 249, 250 [Schutz vor ungeeigneten Fahrzeugführern im Straßenverkehr]; BVerwG NJW 1986, 2779 [Straftaten nicht verkehrsrechtlicher Art können bedeutsam sein, wenn die Art und Weise der Straftaten charakterliche Anlagen erkennen lassen, die die Allgemeinheit gefährdeten, wenn sie sich im Straßenverkehr auswirkten]. In seinem – vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligten (NJW 2002, 2378) – Urteil vom 5. Juli 2001 – 3 C 13/01 – (= NJW 2002, 78, 79) hat das Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz betont, daß sich der Eignungsmangel darauf beziehen muß, daß der Betroffene sich als Führer eines Kraftfahrzeuges nicht verkehrsgerecht (umsichtig) verhalten werde. In diesem Sinne hat etwa auch das OVG Koblenz mehrfach (NJW 1994, 2436, 2437; 2000, 2442, 2443) entschieden.
Mit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 (= NJW 2002, 2378, 2380; vgl. den Anfragebeschluß unter Ziff. III 3) ist für die verwaltungsrechtliche Eignungsprüfung aus verfassungsrechtlicher Sicht vorgegeben, daß charakterlich-sittliche Mängel, die die Fahrereignung ausschließen, nur dann vorliegen, „wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen”. Diese Auslegung entspricht der des Senats.
3. Soweit der 1. Strafsenat in seiner Antwort auf die Anfrage des Senats darauf abstellt, daß normübergreifend und systematisch-vergleichend auf das Verständnis vom Begriff der „Zuverlässigkeit” im Luftverkehrsgesetz (LuftVG) hinzuweisen sei (S. 21 des Antwort-Beschlusses), kann der Senat nicht erkennen, daß die Auslegung dieses Begriffes der Rechtsauffassung des Senats entgegenstehen könnte:
Abgesehen davon, daß der Begriff der „Zuverlässigkeit”, der etwa auch in der Gewerbeordnung, im Waffenrecht und im Atomrecht verwendet wird, je nach dem bereichsspezifischen Gefahrenpotential differenziert zu betrachten ist und daher nicht ohne weiteres mit dem der „Geeignetheit” zum Führen von Kraftfahrzeugen gleichgesetzt werden kann, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem in NVwZ 1991, 889 (= NZV 1991, 325) abgedruckten Urteil vom 14. Dezember 1990 – 7 C 20.90 – betont, daß der Begriff der Zuverlässigkeit eines Luftfahrzeugführers mit Blick auf die Sicherheit des Luftverkehrs auszulegen sei (aaO S. 891). In seinem Urteil vom 15. Juli 2004 – 3 C 33.03 – hat der für das Verkehrsrecht zuständige 3. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts zu § 29 d LuftVG (Zuverlässigkeitsüberprüfung von Flughafenbediensteten u.a.) entschieden, daß sich die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit danach bemißt, ob ein Verstoß gerade gegen die Anforderungen an die Sicherheit des Luftverkehrs zu befürchten sei. Das entspricht der Rechtsmeinung des vorlegenden Senats zur Auslegung des § 69 StGB.
4. Zu den Einwendungen des 1. Strafsenats gegen die in dem Anfragebeschluß angeführten Argumente des Senats zur Neustrukturierung der Rechtsprechung ist zu bemerken:
a) Wortlaut des § 69 Abs. 1 StGB
Wie im Senatsbeschluß vom 16. September 2003 (NStZ 2004, 86, 88) dargelegt wurde, hat der Tatrichter nach dem Wortlaut des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB zwei Prüfungsschritte vorzunehmen: Er hat zum einen zu prüfen, ob die rechtswidrige (Anlaß-)Tat bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, und er hat zum anderen zu bewerten, ob sich aus der Tat (im Sinne des § 264 StPO – vgl. BGH NStZ 2004, 144, 145; Herzog aaO S. 153; aA Kühl JR 2004, 125, 127) ergibt, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.
Entgegen der Ansicht des 1. Strafsenats, der meint, daß bei „Zusammenhangstaten” eine „ungünstige ‚Verkehrssicherheitsbewertung'” nicht vorzunehmen sei, ist nach Auffassung des vorlegenden Senats bei der Eignungsbeurteilung (2. Prüfungsschritt) zu entscheiden, ob der Täter bereit ist, Verkehrssicherheitsbelange zu mißachten. Die Rechtsprechung, die – wie der 1. Strafsenat – schon aus dem bloßen „Mißbrauch” eines Kraftfahrzeugs zur Begehung einer verkehrsfremden („Zusammenhangs”-) Tat unmittelbar auf die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen schließt, verkennt die Struktur des § 69 StGB. Wie der 3. Strafsenat in seiner in BGHSt 7, 165, 173 abgedruckten Entscheidung vom 14. Dezember 1954 – 3 StR 330/54 – zutreffend ausgeführt hat, bedürfte es des Begriffs der mangelnden Eignung nicht, wenn man für die Entziehung der Fahrerlaubnis allein das bei der abgeurteilten Straftat zutage getretene vorwerfbare Verhalten genügen ließe: „Der Gesetzgeber hätte sich in diesem Falle darauf beschränken können, die Anordnung der Sicherungsmaßregel an die Begehung einer mit der Führung eines Kraftfahrzeugs zusammenhängenden Straftat von bestimmter Schwere zu knüpfen, womit die Anordnung allerdings die Natur einer Strafmaßregel erhalten hätte”. Daß sich die Ungeeignetheit auf die Bereitschaft, Verkehrssicherheitsbelange zu mißachten, beziehen muß, ergibt sich ebenfalls aus der Struktur des § 69 StGB – insbesondere aus § 69 Abs. 2 StGB – und daraus, daß der Begriff der Geeignetheit in § 69 StGB nicht anders ausgelegt werden kann, als in § 2 Abs. 4 StVG (s. oben IV. 2 und Geppert in LK aaO § 69 Rdn. 49).
b) Gesetzesmaterialien
Der Senat hat in seinem Anfragebeschluß (dort Ziff. III 1 b) ausführlich dargelegt, daß die Entstehungsgeschichte des § 69 StGB den geforderten spezifischen Zusammenhang zwischen rechtswidriger Tat und der Sicherheit des Straßenverkehrs stützt (in diesem Sinne auch BGH NStZ 2004, 144, 145 f. [2. Strafsenat]; Buermeyer aaO S. 260; Hentschel NZV 2004, 57, 58; Herzog aaO S. 153; Sowada aaO S. 171). Er nimmt hierauf Bezug. Zu den Einwendungen des 1. Strafsenats hiergegen ist zu bemerken:
aa) Zu Ziff. B II 2 a des Antwort-Beschlusses
Der 1. Strafsenat meint, die Änderung der Gesetzesüberschrift – von: „Gesetz zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr” in: „Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs” – zeige, daß Gesetzeszweck des Ersten Straßenverkehrssicherungsgesetzes nicht nur die Bekämpfung von Verkehrsunfällen gewesen sei, sondern daß mit dem Gesetz auch die allgemeine Kriminalität habe bekämpft werden sollen. Zur Begründung verweist er auf den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (BTDrucks. [1. Wahlp.] Nr. 3774 S. 1), in dem es u.a. heißt:
„Dabei erwies es sich als notwendig, auch besondere Maßnahmen gegen Verbrechertum und Rowdytum auf den Straßen zu erlassen, wodurch der Gesetzentwurf über den von der Bundesregierung vorgesehenen Rahmen eines lediglich der Bekämpfung von Unfällen dienenden Gesetzes hinausgewachsen ist.”
Im vorhergehenden Satz dieses Absatzes heißt es jedoch:
„Aus der Tatsache, daß die Zahl der Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland bereits die Drei-Millionengrenze überschritten und daß dementsprechend die Zahl der Verkehrsunfälle bedeutend zugenommen hat, ergab sich die Aufgabe, diejenigen gesetzgeberischen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Hebung der Verkehrssicherheit auf den Straßen und zum Kampf gegen die Verkehrsunfälle erforderlich sind.”
Gesetzeszweck des § 69 StGB (= § 42 m StGB aF) war somit – wie in dem Anfragebeschluß (Ziff. III. 1 b aa) im einzelnen ausgeführt wurde – die Hebung der Verkehrssicherheit auf den Straßen. Die Erweiterung der Gesetzesüberschrift war insbesondere deswegen veranlaßt, weil – über den ursprünglichen Gesetzesentwurf hinaus – auch § 316 a StGB (räuberischer Angriff auf Kraftfahrer) in das StGB eingefügt werden sollte (BTDrucks. aaO S. 6, 12).
bb) Zu Ziff. B II 2 b des Antwort-Beschlusses
Auch aus der Neufassung des § 111 a StPO durch das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs läßt sich ein erweiterter Gesetzeszweck, wie ihn der 1. Strafsenat sieht, nicht herleiten. Die Änderung der Vorschrift erfolgte lediglich, um eine „gesetzliche Klärung” zu deren (in der Praxis unterschiedlich gehandhabter) Auslegung herbeizuführen (BTDrucks. IV/651 S. 30). Soweit in der Gesetzesbegründung (BTDrucks. aaO S. 31) am Ende des Satzes, „die Feststellung, daß jemand zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei, (enthalte) regelmäßig auch die Feststellung seiner Gefährlichkeit für den Kraftverkehr”, auf BGHSt 7, 165 Bezug genommen wurde, läßt dies nach Auffassung des Senats – entgegen der Ansicht des 1. Strafsenats – nicht den Schluß zu, Gesetzeszweck der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis sei die allgemeine Verbrechensbekämpfung. Der in BGHSt 7, 165 abgedruckten Entscheidung lag zugrunde, daß der Täter eine 16jährige Angestellte bei Fahrpausen und während des Fahrens mit dem Kraftfahrzeug „unzüchtig berührte”, wobei er beim Fahren seine rechte Hand zwischen die Beine des Mädchens führte, das Fahrzeug mit einer Hand steuerte und Abwehrversuche der Geschädigten mit den Worten beantwortete, er könne auch einhändig fahren. Dieser Sachverhalt würde auch nach Auffassung des Senats die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen, weil nämlich der Täter „mehrfach die verkehrssichere Führung seines Wagens außer acht gelassen (hatte)” und von ihm eine „Verkehrsgefahr” ausging (BGHSt aaO S. 167/178, s. auch S. 178, 1. Absatz aE: „… seine geschlechtliche Unbeherrschtheit (könnte ihn) zu fahrtechnischen Fahrlässigkeiten und groben Unachtsamkeiten bei der Führung des Kraftwagens hinreißen”).
cc) Zu Ziff. B II 2 b (2. Teil) des Antwort-Beschlusses
Daß spätestens mit dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs die Entscheidung BGHSt 5, 179 ff., wonach die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis (auch) andere Rechtsgüter als die Verkehrssicherheit schütze, überholt sein dürfte, hat der Senat in seinem Anfragebeschluß (dort Ziff. III. 1 b bb, cc) eingehend erörtert (zustimmend BGH NStZ 2004, 144, 145 f. [2. Strafsenat]; Buermeyer aaO S. 260; Sowada aaO S. 171). Die abweichende Meinung des 1. Strafsenats überzeugt nicht. Soweit er einzelne Sätze aus einem Abschnitt der Gesetzesbegründung zur Stützung seiner Ansicht heranzieht, ergibt die gesamte Passage ein anderes Bild. Dort heißt es nämlich (BTDrucks. IV/651 S. 18):
„Liegen im Einzelfall die Voraussetzungen des [§ 42 m = § 69 StGB] Abs. 2 nicht vor, so ist die Eignungsfrage ebenso wie im geltenden Recht auf Grund einer Würdigung der Tat und der mit ihr zusammenhängenden Züge der Täterpersönlichkeit zu prüfen. Dabei kann der aus dem Zusammenhang der Beispielsfälle [= „Regelfälle” des (§ 42 m =) § 69 Abs. 2 StGB] erkennbare Bewertungsmaßstab nur Anhaltspunkte bieten und nicht etwa bestimmte Ergebnisse erzwingen. Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum zu glauben, daß dem Katalog nach irgendeiner Richtung abschließende Wirkung zukäme und daß die Maßregel im allgemeinen nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 angeordnet werden dürfte. Eine solche Annahme wird durch den Zusammenhang der Absätze 1 und 2 widerlegt. Sie hätte ein angesichts der gegenwärtigen Verkehrsverhältnisse nicht vertretbares Erstarren der Praxis und eine gefährliche Schwächung des Kampfes gegen ungeeignete Kraftfahrer zur Folge. Für die Durchsetzung des Grundsatzes, daß außerhalb des Absatzes 2 keine gegenüber dem geltenden Recht strengeren Anforderungen an den Eignungsmangel gestellt werden dürfen, werden notfalls die Rechtsmittelgerichte mit Nachdruck zu sorgen haben. Dabei wird Wert darauf zu legen sein, daß die Eignung vor allem bei den Tätern gründlich nachgeprüft wird, die gehäuft kleinere Verkehrszuwiderhandlungen begehen. …”
Daraus ergibt sich, daß § 69 Abs. 2 StGB (= § 42 m Abs. 2 StGB aF) als Bewertungsmaßstab Anhaltspunkte dafür geben soll, wann ein Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, daß aber die Maßregel nicht nur unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 StGB angeordnet werden darf. Daß hieraus ein anderer Gesetzeszweck als der Schutz der Verkehrssicherheit herzuleiten sei, erschließt sich nicht.
dd) Zu Ziff. B II 2 c des Antwort-Beschlusses
Die Neufassung des § 69 b StGB (Wirkung der Entziehung bei einer ausländischen Fahrerlaubnis) durch das 32. Strafrechtsänderungsgesetz vom 1. Juni 1995 (BGBl I 747) hat lediglich die Inhaber ausländischer Fahrberechtigungen mit den Inhabern deutscher Fahrerlaubnisse bei der Fahrerlaubnisentziehung und dem Fahrverbot wegen Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangen worden sind, gleichgestellt (vgl. BTDrucks. 12/5053 S. 1, 4, 5; 13/198 S. 1, 4, 5; 13/635 S. 1, 3). Der Zweck der Maßregel wurde durch diese Gesetzesänderung nicht berührt.
ee) Zu Ziff. B II 2 d des Antwort-Beschlusses
Auch durch den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts (BRDrucks. 3/04; neuestens BTDrucks. 15/2725 vom 17. März 2004) wird der Zweck der Maßregel nach § 69 StGB nicht berührt. Eine Änderung dieser Vorschrift ist hier nicht vorgesehen. Durch die beabsichtigte Erweiterung der Möglichkeit zur Verhängung eines Fahrverbots (§ 44 idF des Entwurfs), dessen zeitliche Dauer – von bisher drei Monaten – auf sechs Monate (bzw. ein Jahr: BTDrucks. aaO S. 40 [Bundesrat]) ausgedehnt werden soll, soll eine (zeitliche) „Lücke” zwischen der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verhängung eines Fahrverbots geschlossen werden, wobei in dem Gesetzesentwurf – zu Recht (vgl. den Anfragebeschluß Ziff. III. 1 a) – ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß es sich bei dem Fahrverbot und der Entziehung der Fahrerlaubnis um zwei völlig unterschiedliche strafrechtliche Instrumentarien handelt (vgl. BTDrucks. aaO S. 18, 22).
Durch die vorgesehene neue Regelvorschrift (§ 44 Abs. 2 idF des Entwurfs) soll das Fahrverbot bei allgemeinen Straftaten, bei denen ein Kraftfahrzeug als Tatmittel eingesetzt worden ist, häufiger als bisher angeordnet werden können, so vor allem, wenn der Täter das Kraftfahrzeug zur Vorbereitung (Fahrt zum Tatort) oder Durchführung (Transport der Beute) von Straftaten mißbraucht hat (BTDrucks. aaO S. 18, 23) – also bei „Zusammenhangs-Taten”, um die die Divergenz zur Anwendbarkeit des § 69 StGB geht.
Der Gesetzesentwurf deckt sich mit der Vorstellung des vorlegenden Senats, einem Mißbrauch der Fahrerlaubnis durch ein fühlbares Fahrverbot – als (Neben-) Strafe – wirkungsvoll zu begegnen. Entgegen der Auffassung des 1. Strafsenats zeigen die gesetzgeberischen Überlegungen gerade auf, daß es keiner ausufernden, systemfremden Auslegung zur Anwendung der Maßregel des Entzugs der Fahrerlaubnis bedarf, um dem Schuldgehalt einer „Zusammenhangstat” angemessen Rechnung zu tragen. Der Gesetzentwurf steht damit nicht im Widerspruch zu der vom 4. Strafsenat vorgeschlagenen Auslegung des § 69 Abs. 1 StGB, sondern geht – ohne jeden Bruch – mit einer solchen Auslegung konform. Bei der Frage des Höchstmaßes des neu konzipierten Fahrverbots spielt im Gesetzgebungsverfahren eine wesentliche Rolle, wie der Große Senat auf die Vorlage hier entscheiden wird (vgl. BTDrucks. aaO S. 40, 48).
c) Gesetzessystematik
aa) Zuzustimmen ist dem 1. Strafsenat, daß – konsequenterweise – auch bei der 2. Alternative des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB (… unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers …) für die Entziehung der Fahrerlaubnis ein spezifischer Zusammenhang zwischen der Anlaßtat und der Verkehrssicherheit zu fordern ist. Verkehrssicherheit ist jedoch auch nach Auffassung des vorlegenden Senats nicht mit Unfall oder Unfallrisiko gleichzusetzen. Vielmehr genügt es, wenn sich aus den Umständen der Tat und der Täterpersönlichkeit ergibt, daß sich der Täter in seiner Eigenschaft als Kraftfahrer als unzuverlässig erwiesen und er die Bereitschaft gezeigt hat, sich über die im Verkehr gebotene Sorgfalt und Rücksichtnahme hinwegzusetzen. Daß dies bei dem vom 1. Strafsenat angeführten unerlaubten Entfernen vom Unfallort zutreffen kann, versteht sich von selbst; dem entspricht auch § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB (Regelbeispiel bei schweren Folgen).
bb) Die Ansicht des 1. Strafsenats, die systematische Stellung des § 69 StGB spreche für die Annahme, die Maßregel diene einem allgemeinen Schutz vor rechtswidrigen Taten (vgl. auch den Beschluß des 1. Strafsenats vom 14. Mai 2003 – 1 StR 113/03 = NStZ 2003, 658, 659), teilt der Senat – mit dem 2. Strafsenat (NStZ 2004, 144, 146, 147) – nicht. Wie in dem Anfragebeschluß im einzelnen dargelegt wurde (dort Ziff. III 1 a), steht die Maßregel in ihrer Struktur der Maßregel des Berufsverbots (§ 70 StGB) nahe (vgl. auch Sowada aaO S. 172); sie hat ihre Rechtfertigung allein im Sicherungsbedürfnis der Verkehrsgemeinschaft. Daß deswegen, weil in § 70 StGB „Zusammenhangstaten” nicht genannt sind, die Materie in § 69 StGB nicht (verkehrs)spezifisch geregelt sei – wie der 1. Strafsenat meint – kann der Senat nicht erkennen.
cc) Gesetzessystematisch ist insbesondere auf die Regelung des Fahrverbots (§ 44 StGB) hinzuweisen: Das Fahrverbot ist Nebenstrafe. Seine Anordnung knüpft – genau wie § 69 Abs. 1 StGB – daran an, daß der Täter eine Straftat „bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat”. Die Verwendung eines Kraftfahrzeugs bei Begehung einer (auch schwerwiegenden) allgemeinen Straftat – und damit ein in der Straftat zum Ausdruck kommender „allgemeiner Charaktermangel” – begründet somit für sich allein noch nicht die für die Maßregel nach § 69 Abs. 1 StGB – über § 44 StGB hinausgehende – weiter vorausgesetzte fehlende Eignung. Diese ist vielmehr erst in einem „zweiten Prüfungsschritt” (s.o. IV 4 a) vom Tatrichter gesondert festzustellen.
d) Verfassungskonforme Auslegung
Der Senat hat in seinem Anfragebeschluß vom 16. September 2003 dargelegt, daß eine Beschränkung der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB auf die Fälle einer Negativprognose in Bezug auf Verkehrssicherheitsbelange auch mit Blick auf die Bedeutung der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr in einer auf Mobilität angelegten Gesellschaft aus verfassungsrechtlichen Gründen angezeigt erscheint. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechtssphäre des einzelnen. Sie kann, insbesondere wenn sie dazu führt, daß die Ausübung des Berufs eingeschränkt oder ganz aufgegeben werden muß, existenzvernichtend wirken. Bei einem Straftäter kann sie dessen Resozialisierung nachhaltig stören. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur – verwaltungsrechtlichen – Entziehung der Fahrerlaubnis (NJW 2002, 2378, 2380) zu sehen, daß ein diese Maßnahme rechtfertigender charakterlich-sittlicher Mangel nur dann vorliegt, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den eigenen Interessen unterzuordnen und daraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen (vgl. oben IV 2 b). Wenn dieser verfassungsrechtliche Gesichtspunkt für die umfassende Prüfung der Ungeeignetheit durch die Verwaltungsbehörde gilt, ist kein Grund ersichtlich, warum er nicht auch auf die strafrechtliche Maßregel nach § 69 StGB Anwendung finden soll.
Entgegen der Auffassung des 1. Strafsenats (Ziff. B II 4 des Antwort-Beschlusses) steht § 69 Abs. 1 Satz 2 StGB der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, daß es nämlich einer weiteren Prüfung nach § 62 StGB (Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit) nicht bedarf, ergibt sich, daß die Einschränkung erst dann eingreift, wenn die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen geprüft und festgestellt ist. Bei der Feststellung der Ungeeignetheit ist dagegen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – wie der Senat meint: im Sinne der Vorlagefrage, indem der Gefahrbegriff auf das Verkehrsspezifische beschränkt wird – ohne Einschränkung zu berücksichtigen; denn eine unverhältnismäßige Entziehung der Fahrerlaubnis ist ebenso unzulässig wie jede andere unverhältnismäßige staatliche Zwangsmaßnahme (Tröndle/Fischer aaO § 69 Rdn. 50).
§ 69 Abs. 1 Satz 2 StGB kann daher nur dahin verstanden werden, daß persönliche Belastungen, die sich für den ungeeigneten Kraftfahrer aus der Entziehung der Fahrerlaubnis ergeben, für die Entscheidung, ob die Maßregel angeordnet wird, im Interesse der Verkehrssicherheit außer Betracht zu bleiben haben. Grundsätzlich keinen Raum haben Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte daher etwa, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis schwerwiegende wirtschaftliche Folgen (z.B. den Verlust des Arbeitsplatzes) nach sich zieht; auch in diesen Fällen ist die Fahrerlaubnis bei festgestellter Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen regelmäßig zu entziehen (vgl. Geppert in LK aaO Rdn. 67).
5. Die vom 1. Strafsenat geäußerte Befürchtung (Ziff. B II 5 des Antwort-Beschlusses), die Anforderungen des Senats an die Feststellung der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gäben dem Tatrichter keine für die Praxis handhabbare Vorgaben, teilt der Senat nicht. Vom Tatrichter wird an Begründungsaufwand nicht mehr verlangt als bei jeder anderen Maßregel-Entscheidung. Auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung verlangt eine – in Bezug auf die Entziehung der Fahrerlaubnis vom 1. Strafsenat kritisierte (S. 20 des Antwort-Beschlusses) – „subjektivistische” Betrachtungsweise mit Blick auf die Beurteilung künftigen Täterverhaltens. Häufig wird – wie der 5. Strafsenat in seinem Antwort-Beschluß, etwa am Beispiel einer Fluchtfahrt, zutreffend bemerkt hat – der spezifische Zusammenhang zwischen Tat und Verkehrssicherheit schon nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe eindeutig belegt und daher der Begründungsaufwand des Tatrichters minimal sein.
6. Schlußbemerkung
Der Senat ist sich bewußt, daß mit der erwogenen Änderung der Rechtsprechung die bisher praktizierte strafrechtliche Entziehung der Fahrerlaubnis eingeschränkt wird. Das ist berechtigt, weil die Praxis der Entziehung der Fahrerlaubnis dahin geführt hat, daß die Grenze zwischen Strafe und Maßregel nicht mehr konsequent beachtet wird; die Maßregel hat häufig Strafcharakter erhalten, den sie nach dem Willen des historischen Gesetzgebers ausdrücklich nicht haben sollte (vgl. BTDrucks. IV/651 S. 16). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist uneinheitlich und nicht berechenbar. Sie bedarf der Korrektur im Sinne einer dem Sinn und Zweck der Maßregel entsprechenden Strukturierung, die der Senat versucht hat, vorzunehmen. Wie in dem Anfragebeschluß (dort Ziff. V) ausgeführt wurde, ergeben sich durch die beabsichtigte einengende Auslegung des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB keine beachtlichen Verkehrssicherheitslücken; denn die Fahrerlaubnisbehörde ist zwar an die eine bestimmte Tat oder bestimmte Taten betreffende strafgerichtliche Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gebunden (§ 3 Abs. 4 Satz 1 StVG), sie hat aber – anders als das Strafgericht – die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln (vgl. §§ 3 StVG, 11 ff., 46 FeV) umfassend zu prüfen. Deshalb darf sie auch eine abgeurteilte Straftat, die für sich allein dem Strafrichter nicht ausgereicht hat, die Ungeeignetheit festzustellen, zur Unterstützung außerhalb des abgeurteilten Sachverhalts liegender Entziehungsgründe mit heranziehen. Zur Entscheidung, ob der Betroffene zum Führen von Kraftfahrzeugen charakterlich ungeeignet ist, wird sie regelmäßig ein medizinisch-psychologisches Gutachten heranziehen (vgl. §§ 11 Abs. 3, 46 Abs. 3 FeV; Burmann, 42. VGT 2004, IV/3 S. 154, 155; Hentschel, Straßenverkehrsrecht aaO § 11 FeV Rdn. 4, 12 ff.). Wollte der Strafrichter ohne konkret sich aus der Tat ergebende Anhaltspunkte eine vergleichsweise verläßliche Prognose abgeben, ob von dem Täter eine Gefahr für die Verkehrssicherheit ausgeht, müßte er jeweils einen Sachverständigen hinzuziehen, der den Täter eingehend exploriert. Damit wäre er jedoch überfordert. Die ihm vom Gesetzgeber übertragene Befugnis, in beschränktem Umfang die zuvor allein den Verwaltungsbehörden vorbehaltene Entziehung der Fahrerlaubnis aussprechen zu können, sollte zu einer Vereinfachung des Verfahrens führen, ohne den Täter zu benachteiligen, nicht aber zu einer Komplizierung.
Die vom 1. Strafsenat in seinem Antwort-Beschluß mehrfach angeführten kriminalpolitischen Gründe, die es angezeigt erschienen ließen, die Entziehung der Fahrerlaubnis als Mittel der allgemeinen Verbrechensbekämpfung zu betrachten, finden nach Auffassung des Senats im geltenden Recht keine Stütze. Wenn der Gesetzgeber solche kriminalpolitischen Gründe für durchgreifend erachtete, müßte er das Gesetz ändern (vgl. hierzu die Empfehlung Ziff. 2 des Arbeitskreises IV des 42. VGT 2004 ; Buermeyer aaO S. 264; Geppert NStZ 2003, 288, 289, 290; Sowada, 42. VGT 2004, IV/2 S. 142, 151 ff.).
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Kuckein, Athing, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2558018 |
ZAP 2004, 1271 |