Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Entscheidung vom 16.03.2023; Aktenzeichen 1 Ks 46842/19) |
Tenor
Der Antrag des Angeklagten vom 3. Juli 2023, die Bestellung von Rechtsanwalt Y. zum Pflichtverteidiger aufzuheben, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten im zweiten Rechtsgang durch Urteil vom 16. März 2023 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung schuldig gesprochen und gegen ihn auf eine Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten erkannt, die es mit den bereits in Rechtskraft erwachsenen Einzelfreiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und vier Jahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten zusammengeführt hat. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, das Revisionsverfahren ist seit 15. August 2023 beim Senat anhängig.
Rz. 2
Mit Schreiben vom 12. Juni 2023 hat der Angeklagte die Beiordnung eines neuen Verteidigers beantragt, da sein derzeitiger Verteidiger, dem er „gekündigt“ habe, „untätig“ sei und sich weigere, „eine Revisionsbegründung zu schreiben“. Mit Verfügung vom 16. Juni 2023 hat die Strafkammervorsitzende des Landgerichts die Bestellung eines neuen Verteidigers abgelehnt.
Rz. 3
Der bisherige Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Y. hat gegen das Urteil vom 15. März 2023 fristgerecht Revision eingelegt und diese im Anschluss an die am 16. Mai 2023 erfolgte Urteilszustellung mit Schriftsatz vom 14. Juni 2023 mit der unausgeführten Verfahrens- und Sachrüge begründet.
Rz. 4
Mit Schreiben vom 3. Juli 2023, wiederholt mit Schreiben vom 29. August 2023, hat der Angeklagte erneut beantragt, die Bestellung von Rechtsanwalt Y. zum Pflichtverteidiger aufzuheben.
II.
Rz. 5
Der Antrag ist unbegründet, da die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidigerwechsel gemäß § 143a Abs. 3 und 2 StPO nicht vorliegen.
Rz. 6
Die Regelung des § 143a Abs. 3 StPO, der eine vereinfachte Möglichkeit für den Pflichtverteidigerwechsel im Revisionsverfahren enthält, greift nicht ein. Der Antrag des Angeklagten vom 12. Juni 2023 wurde bereits durch die zuständige Strafkammervorsitzende mit Verfügung vom 14. Juni 2023 beschieden. Bezüglich des hier zu entscheidenden Antrags vom 3. Juli 2023, wiederholt mit Schreiben vom 29. August 2023, ist die Wochenfrist des § 143a Abs. 3 StPO abgelaufen und kein neuer Verteidiger bezeichnet.
Rz. 7
Auch die daneben anwendbaren allgemeinen Tatbestände für einen Wechsel des Pflichtverteidigers gemäß § 143a Abs. 2 StPO liegen nicht vor. Insbesondere ist eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum bisherigen Pflichtverteidiger (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StPO) nicht glaubhaft gemacht.
Rz. 8
Auch sonst ist kein Grund ersichtlich, der einer angemessenen Verteidigung des Angeklagten entgegensteht und einen Wechsel in der Person des Pflichtverteidigers gebietet (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO). Eine offenkundige Untätigkeit des Pflichtverteidigers, durch die dem Angeklagten ein an sich zustehendes Rechtsmittel genommen wird (vgl. hierzu EGMR, Urteil vom 22. März 2007 - 59519/00, NJW 2008, 2317, 2323; BGH, Beschluss vom 7. August 2019 - 3 StR 165/19, NStZ-RR 2019, 349) liegt nicht vor. So hat der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Y. die Revision ordnungsgemäß mit der allgemeinen Sachrüge begründet und damit eine Überprüfung des Urteils durch den Senat ermöglicht.
Dr. Appl
Fundstellen
Dokument-Index HI16142980 |