Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Entziehung der elterlichen Sorge. Beschwerdeberechtigung des Vaters, der selbst keine Sorgeberechtigung hat, gegen eine Entscheidung zur Sorgeberechtigung der Mutter. Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
a) Einem Vater, der nie zuvor sorgeberechtigt war, steht gegen eine Entscheidung des FamG, die einen Entzug des Sorgerechts der Mutter ablehnt, keine Beschwerdeberechtigung zu.
b) Auch die Rechtsbeschwerde gegen einen die Beschwerde verwerfenden Beschluss des OLG ist nur unter den Zulassungsvoraussetzungen gem. §§ 621e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO zulässig.
Normenkette
ZPO §§ 621e, 543; FGG § 20; BGB § 1666
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des OLG Brandenburg vom 20.5.2008 wird auf Kosten des Antragstellers als unzulässig verworfen.
Wert: 3.000 EUR
Gründe
I.
[1] Der Antragsteller ist der Vater des Kindes Yann Niklas, das im April 2004 geboren wurde. Das Kind lebt bei der Antragsgegnerin, seiner Mutter. Die Eltern sind und waren nicht miteinander verheiratet. Die Antragsgegnerin ist alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge.
[2] Zwischen dem Antragsteller, der in die Nachbarschaft der Antragsgegnerin umgezogen ist, und dem Sohn finden regelmäßige Umgangskontakte statt. Die Eltern sind zerstritten. Sie sind sich insb. uneinig hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge. Der Antragsteller wirft der Antragsgegnerin ferner eine Bindungsintoleranz vor.
[3] Der Antragsteller hat vor dem FamG in der Hauptsache beantragt, der Antragsgegnerin die elterliche Sorge zu entziehen und diese auf ihn zu übertragen, hilfsweise festzustellen, dass eine gemeinsame elterliche Sorge besteht.
[4] Das FamG hat die Anträge zurückgewiesen. Es hat auf die mangelnde Zustimmung der Antragsgegnerin verwiesen. Die Entziehung der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB komme nicht in Betracht, weil keinerlei Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bestünden. Das OLG hat die Beschwerde des Antragstellers als unzulässig verworfen.
[5] Dagegen richtet sich die vom Antragsteller eingelegte Rechtsbeschwerde.
II.
[6] Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist zwar nach §§ 621 Abs. 1 Nr. 2, 621e Abs. 2, Abs. 3 Satz 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Es fehlt aber an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen gem. §§ 621e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO.
[7] 1. Wegen der Verweisung in § 621e Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO ist auch die Rechtsbeschwerde gegen eine die Beschwerde als unzulässig verwerfende Endentscheidung in einer Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO zulässig. Erforderlich ist somit, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (BGH BGHZ 155, 21, 22 = FamRZ 2003, 1093; v. 13.4.2005 - XII ZB 54/03, FamRZ 2005, 975).
[8] 2. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.
[9] a) Das OLG hat ausgeführt, dass eine Beschwerdeberechtigung des Antragstellers nicht aus § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG folge. Auch aus § 20 Abs. 1 FGG ergebe sie sich nicht, weil der Antragsteller als nicht sorgeberechtigter Elternteil nicht in seinen Rechten beeinträchtigt sei. Eine Beschwerdebefugnis kraft eigenen Antragsrechts i.S.v. § 20 Abs. 2 FGG bestehe ebenfalls nicht, weil Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht "nur auf Antrag" ergingen.
[10] b) Das OLG weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Senats ab und befindet sich auch nicht im Widerspruch zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen.
[11] Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die Beschwerdeberechtigung von der materiell-rechtlichen Rechtsstellung des Beschwerdeführers abhängig ist.
[12] aa) Die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG gilt nicht für Endentscheidungen in Sorgerechtsverfahren, wie das OLG zutreffend ausgeführt hat (§§ 64 Abs. 3 Satz 3, 57 Abs. 2 FGG; vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt FGG, 15. Aufl., § 57 Rz. 31). Die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG ist ebenfalls gem. § 64 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 57 Abs. 2 FGG für Familiensachen ausdrücklich ausgeschlossen (BGH v. 13.4.2005 - XII ZB 54/03, FamRZ 2005, 975, 976 m.w.N.).
[13] bb) Auch nach der allgemeinen Regelung in § 20 FGG steht dem von vornherein nicht sorgeberechtigten Vater kein Beschwerderecht gegen den Maßnahmen nach § 1666 BGB ablehnenden Beschluss des AG zu. Nach § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedem zu, "dessen Recht" durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Wie ein Vergleich mit § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG zeigt, der "unbeschadet der Vorschrift des § 20" für Vormundschaftssachen eine weitergehende Beschwerdeberechtigung festlegt, erfordert die allgemeine Regelung einen unmittelbaren Eingriff in ein im Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht des Beschwerdeführers. Dass er ein berechtigtes Interesse an der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung haben mag, genügt hingegen nicht (BGH v. 13.4.2005 - XII ZB 54/03, FamRZ 2005, 975, 976 m.w.N.). Ebenso wenig genügt es in diesem Zusammenhang, dass der Antragsteller neben der Mutter Träger des Elternrechts gem. § 6 Abs. 2 GG ist.
[14] In eigener Rechtsstellung ist der Antragsteller nicht betroffen. Da der nicht mit der Mutter verheiratete Vater nicht schon kraft Gesetzes (Mit-)Inhaber der elterlichen Sorge wird und ihm eine Beteiligung am Sorgerecht nach §§ 1626a, 1672 Abs. 1 Satz 1 BGB nur mit Zustimmung der Mutter offen steht, mangelt es insoweit an einer Beeinträchtigung seiner materiellen Rechtsstellung. Das Elternrecht begründet für sich genommen noch keine gleichwertige Rechtsstellung für beide Eltern, sondern bedarf der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber (BVerfG FamRZ 2003, 285, 287; FamRZ 2003, 1447, 1448). Das BVerfG hat es in den genannten Entscheidungen nicht beanstandet, dass der Gesetzgeber die Beteiligung des Vaters am Sorgerecht vom Willen der Mutter abhängig macht, welcher entweder in einer Sorgeerklärung nach § 1626a BGB oder in ihrer Zustimmung nach § 1672 Abs. 1 Satz 1 BGB seinen Ausdruck finden kann.
[15] Ob der nicht sorgeberechtigte Vater in anderen Fällen beschwerdeberechtigt sein kann, wenn er etwa ursprünglich Inhaber des Sorgerechts war, dieses aber entzogen worden ist (vgl. Jansen/Wick FGG, 3. Aufl., § 64 Rz. 167), oder aber nachdem das FamG der Mutter das Sorgerecht nach § 1666 BGB entzogen hat (vgl. § 1680 Abs. 3 BGB und hierzu Orgis JAmt 2008, 243), bedarf hier keiner Entscheidung.
[16] Weil die für die Beschwerdeberechtigung maßgeblichen Aspekte in der Rechtsprechung des BGH wie auch - soweit ersichtlich - der OLG nicht unterschiedlich beurteilt werden (vgl. auch Jansen/Wick FGG, 3. Aufl., § 64 Rz. 167; Zöller/Philippi ZPO, 27. Aufl., § 621e Rz. 14a m.w.N.) und auch die Rechtsbeschwerde abweichende Entscheidungen nicht aufzeigt, kann die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht begründen.
[17] c) Auch die Fortbildung des Rechts oder eine grundsätzliche Bedeutung erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
[18] Dem Senat ist es verwehrt, die der Beschwerdeberechtigung zugrunde liegende Ausgangsfrage anders zu beantworten als die insoweit eindeutige Gesetzeslage, an die die Gerichte gebunden sind.
[19] Eine Verfassungswidrigkeit der §§ 1626a, 1672 BGB hat das BVerfG verneint (BVerfG FamRZ 2003, 285, 287; FamRZ 2003, 1447, 1448). Zwar hat das BVerfG insoweit dem Gesetzgeber aufgegeben, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob dessen dem geltenden Recht zugrunde liegende Annahme, dass die an die Zustimmung der Mutter gebundene Beteiligung des Vaters am Sorgerecht dem Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG ausreichend Rechnung trägt, vor der Wirklichkeit Bestand hat. Dass der Gesetzgeber diese Verpflichtung verletzt hätte, ist indessen nicht ersichtlich.
[20] Auch wenn schließlich - abgesehen von den Besonderheiten des vorliegenden Falles - rechtspolitisch durchaus Gründe für eine erleichterte Beteiligung des Vaters am Sorgerecht sprechen dürften (vgl. dazu etwa Coester FamRZ 2007, 1137), besteht aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage jedenfalls kein Interpretationsspielraum, der etwa ein Antragsrecht des Vaters und seine dem folgende Beschwerdeberechtigung eröffnen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 2093490 |
BGHR 2009, 344 |
EBE/BGH 2009 |
FamRZ 2009, 220 |
FuR 2009, 165 |
NJW-RR 2009, 436 |
MDR 2009, 206 |
FF 2009, 131 |
FamRB 2009, 74 |
NJW-Spezial 2009, 133 |
ZFE 2009, 107 |
FK 2009, 61 |
JAmt 2009, 148 |