Leitsatz (amtlich)
Zum Rechtsweg für einen Rechtsstreit zwischen dem Franchisegeber und einer auf Provisionsbasis als Franchisenehmerin tätigen „Marktleiterin”.
Normenkette
GVG §§ 13, 17a; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, § 5 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. September 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 75.592,74 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin betreibt unter dem Namen „T.” eine Kette von Sonderposteneinzelhandelsmärkten. Für einen neuen Markt in B. suchte sie eine „Marktleiterin”, die „selbständig als Franchisenehmer” tätig werden sollte. Die Beklagte meldete sich und schloß mit der Klägerin am 14. Oktober 1996 eine schriftliche Vereinbarung, worin es unter anderem heißt:
„§ 1 Vertragsgegenstand
1. P. (= Klägerin) gewährt dem Unternehmer (= Beklagte) das Recht, einen T.- Markt in B. zu betreiben …
Der Unternehmer führt den Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr als selbständiger Kaufmann … P. wird dem Unternehmer gestatten, einzelne Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag durch geeignete Dritte auszuüben, ohne daß der Unternehmer dadurch aus seiner Verantwortung entlassen würde, sofern dem sachliche Gründe nicht entgegenstehen …
§ 4 Betrieb des T.- Marktes – Pflichten von P.
1. Vertragliche Hauptpflicht von P. ist die Einräumung der in der Präambel genannten Rechte für den Betrieb des Unternehmers. Insbesondere ist P. verpflichtet, dem Unternehmer die in dem Markt zum Verkauf gelangenden Waren zu liefern …
§ 5 Betrieb des Marktes – Pflichten des Unternehmers
1. Der Unternehmer wird den Sonderpostenmarkt sowohl innen, wie auch außen entsprechend dem einheitlichen Erscheinungsbild der T.- Märkte auf seine Kosten unterhalten, um den Betrieb jederzeit in gutem, dem Qualitätsimage des T.- Systems entsprechenden Zustand zu erhalten …
4. Während der Laufzeit des Vertrages ist es dem Unternehmer nicht gestattet, selbst oder durch Dritte ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung von P. ein anderes Unternehmen zu betreiben oder sich daran direkt oder indirekt zu beteiligen. Ihm ist weiter keine unselbständige oder selbständige Tätigkeit für einen Dritten gestattet.
5. Damit die Einheitlichkeit der Geschäftsbetriebe im gesamten Bundesgebiet gewährleistet ist, legen die Vertragsparteien fest, daß ein von P. zu bestimmendes Grundsortiment von Waren geführt wird. Der Unternehmer verpflichtet sich, seine Produkte ausschließlich bei P. zu beziehen.
Bei vorheriger schriftlicher Einwilligung darf der Unternehmer Artikel anderer Firmen in seinem Betrieb verkaufen, insbesondere wenn sie nicht in dem Programmspektrum von P. enthalten sind. Für diesen Fall ist der Unternehmer verpflichtet, alle von ihm in den Verkehr gebrachten Waren mit der Bezeichnung „T.” zu versehen, um das einheitliche Erscheinungsbild der T.- Märkte, das wesentliche Vertragsgrundlage ist, nicht zu gefährden.
6. Der Unternehmer leitet seinen Markt in eigener Verantwortung. In Beachtung des Grundsatzes der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes ist er in der Gestaltung seiner Tätigkeit und seiner Arbeitszeit für seinen Betrieb im wesentlichen frei. P. und der Unternehmer sind sich dabei darüber einig, daß der Grundsatz der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes bei der Führung eines T.-Marktes nur dann gewahrt ist, wenn die Führung des Betriebes stets, insbesondere während der geschäftsüblichen Öffnungszeiten, durch den Unternehmer oder – bei dessen Abwesenheit – durch eine von diesem zu bestimmende Person sichergestellt ist, bei der die Anforderungen an Sachkunde und persönlichem Geschick, die die Partner für die Erfüllung dieses Vertrages in der Person des Unternehmers voraussetzen, ebenfalls uneingeschränkt vorliegen.
Aus dieser Verantwortung heraus trägt ausschließlich der Unternehmer dafür Sorge, daß stets ausreichendes und gut ausgebildetes Personal vorhanden ist, das vom Aussehen, Auftreten, Kleidung und Sachkunde her in der Lage ist, die Kunden entsprechend dem Qualitätsimage des T.-Systems zu bedienen. Anstellungsvereinbarungen mit dem Personal schließt der Unternehmer ausschließlich in eigenem Namen. Er hat sicherzustellen, daß das Personal nicht in einem Anstellungsverhältnis zu P. steht und dies bei der Anstellung gegenüber befugten Dritten in sicherer Weise deutlich zu machen.
7. Zwischen dem Unternehmer und P. besteht Einigkeit darüber, daß die dem Qualitätsimage von P. entsprechende Führung des Betriebes des Unternehmers auch bei dessen etwaiger urlaubs- und/oder krankheitsbedingter Abwesenheit sichergestellt sein muß. Der Unternehmer sorgt deswegen in eigener Verantwortung in derartigen Fällen für eine qualifizierte Vertretung. Dies gilt auch für den Fall urlaubsbedingter und/oder krankheitsbedingter Abwesenheit des Personals des Unternehmers …
§ 6 Allgemeine Verkaufsbedingungen und Provision
1. Preise
Da es zu dem Wesenskern eines T.- Marktes gehört, daß diese Märkte auch hinsichtlich der Preisgestaltung einheitlich gegenüber der Öffentlichkeit auftreten, erteilt P. für die Verkaufspreise des Unternehmers – soweit es sich um Waren handelt, die von P. geliefert werden – verbindliche Preisempfehlungen, von denen nur abgewichen werden kann, wenn dafür ein sachlicher Grund besteht. Will der Unternehmer davon abweichen, hat er dies P. unter Angabe der nach seiner Auffassung in Betracht kommenden sachlichen Gründe mindestens 14 Tage vor dem Verkaufszeitpunkt schriftlich mitzuteilen. P. wird dem Verlangen des Unternehmers folgen, sofern die Preisgestaltung auch von den übrigen Betreibern der T.-Märkte schriftlich gewünscht und das einheitliche Erscheinungsbild des T.-Systems am Markt dadurch nicht beeinträchtigt wird.
2. Provision
Der Unternehmer erhält von P. eine Verkaufsprovision von 9 % vom Netto-Umsatz. Zusätzlich können bei außergewöhnlich guter Führung des Marktes Prämien von 0 – 2 % vom Nettoumsatz gewährt werden …”
In Vollzug der Vereinbarung vom 14. Oktober 1996 war die Beklagte bis zum 24. November 1997 als Marktleiterin tätig. Am 24. November 1997 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Sie verlangt von der Beklagten mit der beim Landgericht erhobenen Klage Erstattung angeblich veruntreuter Tageseinnahmen sowie Ausgleich für Inventurfehlbeträge, Mietneben- und Telekommunikationskosten. Die Beklagte hat Widerklage erhoben; sie begehrt von der Klägerin Schadensersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten.
Auf Rüge der Beklagten hat das Landgericht gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht verwiesen. Im Beschwerdeverfahren hat das Oberlandesgericht den landgerichtlichen Beschluß abgeändert und den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Hiergegen richtet sich die zugelassene weitere sofortige Beschwerde der Beklagten.
II.
1. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat zu Recht den ordentlichen Rechtsweg für eröffnet erachtet. Die vorliegende bürgerliche Rechtsstreitigkeit ist nicht gemäß § 13 2. Halbs. GVG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG den Gerichten für Arbeitssachen zugewiesen.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Für deren Vorliegen kommt es darauf an, ob nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls der Verpflichtete die Dienste in der Stellung eines selbständigen Unternehmers leistet oder ob er diese als Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) oder als arbeitnehmerähnliche Person (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) erbringt (vgl. BGHZ 68, 127, 129 und BGH, Beschluß vom 21. Oktober 1998 – VIII ZB 54/97 = ZIP 1998, 2176, 2178).
2. Die Beklagte war nicht Arbeitnehmerin im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich vom Rechtsverhältnis eines freien „Dienstnehmers” oder Werkunternehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung der Werk- oder Dienstleistung. Arbeitnehmer ist danach, wer weisungsgebunden die vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal, das über den unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus eine allgemeine gesetzgeberische Wertung erkennen läßt. Danach ist derjenige selbständig, der im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist derjenige Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist, weil er hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt oder weil der Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung durch die rechtliche Vertragsgestaltung oder die tatsächliche Vertragsdurchführung stark eingeschränkt ist (BGH, Beschluß vom 21. Oktober 1998 aaO; BAG ZIP 1999, 544, 548 f, jeweils m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieser Abgrenzungsmerkmale war die Beklagte keine Arbeitnehmerin.
Die Klägerin gestattete der Beklagten, einzelne Rechte und Pflichten aus dem Vertrag durch geeignete Dritte auszuüben (§ 1 Nr. 1 Satz 6 der Vereinbarung vom 14. Oktober 1996). Der Beklagten waren weder Dauer noch Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit vorgegeben. Sie leitete den Markt in eigener Verantwortung und war in der Gestaltung ihrer Tätigkeit und ihrer Arbeitszeit für den Betrieb im wesentlichen frei (§ 5 Nr. 6 Satz 1). Die Beklagte konnte selbst Urlaub nehmen und in der Zeit ihrer sonstigen Abwesenheit andere Personen mit der Marktleitung betrauen (§ 5 Nr. 7 Satz 1 und 2, Nr. 6 Satz 2 der Vereinbarung). Ihr war auch die Entscheidung überlassen, wen und wie viele Personen sie als Mitarbeiter im Markt einsetzte, wobei sie Anstellungsverträge mit dem Personal im eigenen Namen schloß (§ 5 Nr. 6 Satz 3 und 4, Nr. 7 Satz 3 der Vereinbarung). Geschuldet war jeweils nur der Einsatz qualifizierten Personals. Damit stand der Beklagten ein eigener Gestaltungsspielraum zu, der mit dem Status eines Arbeitnehmers nicht zu vereinbaren ist.
3. Die Beklagte ist auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen.
Arbeitnehmerähnliche Personen sind wegen ihrer fehlenden Eingliederung in eine betriebliche Organisation und im wesentlichen freier Zeitbestimmung nicht in gleichem Maße persönlich abhängig wie Arbeitnehmer; an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Unselbständigkeit. Zudem muß der wirtschaftlich Abhängige seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein (vgl. § 12 a Abs. 1 TVG; BGHZ 140, 11, 20 und BGH, Beschluß vom 21. Oktober 1998 aaO S. 2179; BAG NJW 1997, 2973, 2974). Der Beurteilung als arbeitnehmerähnliche Person steht nicht entgegen, daß – wie beim Kommissionsgeschäft (§ 383 HGB) – eine Verkaufstätigkeit im eigenen Namen vereinbart ist (BAG NJW 1998, 701).
a) Wirtschaftliche Unselbständigkeit setzt voraus, daß der Abhängige auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen ist und daß er sich in der Regel an eine einzige Person gebunden hat, so daß ohne deren Aufträge seine wirtschaftliche Existenzgrundlage entfiele (BGH, Beschluß vom 21. Oktober 1998 aaO).
Im Fall der Beklagten spricht viel für die Annahme wirtschaftlicher Unselbständigkeit. Während der Laufzeit des Vertrages war es der Beklagten grundsätzlich nicht gestattet, selbst oder durch Dritte ein anderes Unternehmen zu betreiben oder sich daran direkt oder indirekt zu beteiligten; sie durfte keine unselbständige oder selbständige Tätigkeit für einen Dritten ausüben (§ 5 Nr. 4 der Vereinbarung). Das Grundsortiment wurde ihr von der Klägerin vorgeschrieben, von der sie auch die Produkte ausschließlich beziehen mußte (§ 5 Nr. 5 Satz 1 und 2 der Vereinbarung). Nur mit vorheriger schriftlicher Einwilligung durfte die Beklagte Artikel anderer Firmen verkaufen; dies wurde zusätzlich erschwert durch die Verpflichtung der Beklagten, alle, also auch die ausnahmsweise von Dritten bezogenen, Waren mit der Bezeichnung „T.” zu versehen (§ 5 Nr. 5 Satz 3 und 4 der Vereinbarung). Vorgegeben war ferner die Preispolitik: Die Klägerin gab der Beklagten für die von ihr gelieferten Waren, also im Grundsatz für alle Waren, „verbindliche Preisempfehlungen” (§ 6 Nr. 1 Satz 1 der Vereinbarung). Es war zwar nicht völlig ausgeschlossen, hiervon abzuweichen. Die Bedingungen und das dafür einzuhaltende Verfahren waren aber so geregelt (vgl. § 6 Nr. 1 Satz 2 und 3 der Vereinbarung), daß die Beklagte im Grunde keine Chance hatte, auf ihre Verkaufspreise Einfluß zu nehmen. In gewissem Umfang disponibel waren für die Beklagte allerdings die Löhne und Gehälter, die Energiekosten sowie die Aufwendungen für die Telekommunikation (vgl. § 6 Nr. 2 letzter Absatz der Vereinbarung).
b) Letztlich kann die Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit aber dahingestellt bleiben. Die Beklagte war, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, jedenfalls deshalb keine arbeitnehmerähnliche Person, weil sie nicht wie ein Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig war. Eine derartige Schutzbedürftigkeit setzt voraus, daß das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er im allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und daß die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind (BGH, Beschluß vom 21. Oktober 1998 aaO). Hiervon kann bei der Beklagten nicht ausgegangen werden.
Gemäß § 5 Nr. 6 Satz 3 der Vereinbarung hatte ausschließlich die Beklagte dafür Sorge zu tragen, daß im Markt genügend qualifiziertes Personal vorhanden war. Anstellungsvereinbarungen mit dem Personal hatte sie im eigenen Namen zu schließen (§ 5 Nr. 6 Satz 4 der Vereinbarung). Die Beklagte war Arbeitgeber der im Markt tätigen Beschäftigten. Das spricht entscheidend für selbständiges Unternehmertum (vgl. BAG NZA 1998, 368, 369), schließt also eine arbeitnehmerähnliche Stellung der Beklagten aus.
III.
Der Senat hat den Wert des Beschwerdegegenstandes auf ein Fünftel des sich aus Klage und Widerklage ergebenden Hauptsachewertes (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG) festgesetzt (vgl. Senatsbeschluß vom 19. Dezember 1996 – III ZB 105/96 = BGHR GVG § 17a Streitwert 1 = NJW 1998, 909, 910).
Unterschriften
Rinne, Schlick, Kapsa, Dörr, Galke
Fundstellen
BB 2000, 483 |
HFR 2001, 375 |
BGHR |
NJW-RR 2000, 1436 |
NZA 2000, 390 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 638 |
GewArch 2000, 204 |
MDR 2000, 470 |