Leitsatz (amtlich)
›Setzt das Gericht die Hauptverhandlung gegen den zeitweilig abwesenden Angeklagten nach § 231 Abs. 2 StPO fort, muß es ihm das letzte Wort erteilen, wenn er vor Verkündung des Urteils wieder in der Hauptverhandlung anwesend ist; das gilt auch dann, wenn der Mitangeklagte das letzte Wort schon hatte.‹
Verfahrensgang
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Anstiftung zur Untreue und wegen Subventionsbetruges in vier Fällen unter Einbeziehung von Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten St. wegen Subventionsbetruges in zwei Fällen unter Aussetzung der Strafe zur Bewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Mit der Revision rügen die Angeklagten die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts. Beide Angeklagte haben mit ihrem Rechtsmittel Erfolg.
Die Revision des Angeklagten greift mit der Rüge einer Verletzung des § 258 StPO durch.
Das Landgericht beschloß in der Sitzung am 5. Juni 1989, die Hauptverhandlung nach § 231 Abs. 2 StPO in Abwesenheit des Angeklagten M. fortzusetzen, weil dieser durch die Nichteinnahme ärztlich verordneter Medikamente seine Blutdruckwerte in gefährlicher Höhe hatte ansteigen lassen und sich dadurch vorsätzlich in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt hatte. Es setzte die Hauptverhandlung am 16. Juni, 22. Juni und am 4. Juli 1989 mit der Beweisaufnahme fort und gab nach ihrem Abschluß am 4. Juli 1989 der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern Gelegenheit, ihre Ausführungen zu machen sowie ihre Schlußanträge zu stellen; der Mitangeklagte St. erhielt das letzte Wort. Anschließend unterbrach das Landgericht die Hauptverhandlung und ordnete an, daß sie am 17. Juli 1989 fortgesetzt werde. Der Angeklagte M. war über die Termine unterrichtet worden. Während er an den Verhandlungstagen bis zum 4. Juli 1989 nicht erschienen war, war er am 17. Juli 1989 bei Aufruf der Sache anwesend (Bl. VII/329 d.A.). An diesem Tage verkündete das Landgericht das Urteil, ohne dem Angeklagten M. das letzte Wort erteilt zu haben.
Dieses Verfahren entsprach nicht dem Gesetz. Dem Angeklagten gebührt nach § 258 Abs. 2 StPO das letzte Wort. Auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen hat, ist der Angeklagte zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung auszuführen hat (§ 258 Abs. 3 StPO). Daß das Landgericht zeitweise in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt hatte (§ 231 Abs. 2 StPO), enthob es nicht seiner Verpflichtung, dem wieder anwesenden Angeklagten das letzte Wort zu erteilen. Kehrt der Angeklagte in die Hauptverhandlung zurück, nimmt er seine Stellung mit allen seinen Rechten wieder ein. Das Landgericht durfte nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß der erschienene Angeklagte sich weiterhin in einem seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand befand, ohne ihn danach zu befragen, ob er fähig sei, der Verhandlung zu folgen und sich abschließend zur Sache zu äußern. In der Regel gibt der Angeklagte durch sein Wiedererscheinen in der Sitzung zu erkennen, daß es sich verhandlungsfähig fühlt (Treier in KK StPO, 2. Aufl. § 231 a Rdn. 24). Das Recht zur Ausübung des letzten Wortes hat er nicht dadurch verwirkt, daß er während eines Verfahrensabschnittes abwesend war, in dem der Mitangeklagte Gelegenheit zum letzten Wort hatte. Dem Recht des Angeklagten auf das letzte Wort entspricht die Verpflichtung des Gerichts, nach § 258 Abs. 3 StPO dem Angeklagten von Amts wegen Gelegenheit zu geben, sich als Letzter persönlich abschließend zur Sache zu äußern (BGHSt 18, 84, 86, 87; 22, 278, 279). Das ist angesichts der Bedeutung dieses Rechts auch dann erforderlich, wenn das Gericht das Beweisergebnis schon abschließend beraten hat und zur Verkündung des Urteils bereit ist (Senat in NStZ 1986, 372 = StV 1986, 285).
2. Die Revision des Angeklagten St. hat mit der allgemeinen Sachrüge Erfolg.
a) Im Fall III, 2 der Urteilsgründe (UA S. 39 ff.) haben die Angeklagten gegenüber der Nordwestdeutschen Bürgschaftsbank im Rahmen eines Antrags auf Bürgschaftsübernahme unrichtige Angaben gemacht (UA S. 45/46). Bei Antragstellung mußten die Angeklagten eine Erklärung abgeben, in der sie bestätigten, daß alle in dem "Antrag und in den beigefügten Unterlagen enthaltenen Tatsachenangaben sowie die Tatsachenangaben, die in Ergänzung des Antrages und im Zusammenhang mit einer Weitergewährung einer Belastung der Bürgschaft gemacht werden", subventionserhebliche Tatsachen sind (UA S. 40). Aus den Feststellungen ergibt sich jedoch nicht, aufgrund welcher gesetzlichen Regelungen die beantragten Subventionen gewährt werden sollten und weshalb die auf sie bezogenen Tatsachen als subventionserheblich bezeichnet worden sind. Der Senat kann deshalb nicht prüfen, ob die unrichtigen Angaben sich auf subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 Abs. 7 StGB bezogen.
b) Im Fall der Investitionszuschußbewilligung durch die Bezirksregierung W.-E. (Fall III, 3 der Urteilsgründe, UA S. 46 ff.) stellt das Landgericht zwar fest, daß der Angeklagte St. gemeinsam mit dem Angeklagten M. den Investitionszuschußantrag vom 29. Januar 1980 vorgelegt (UA S. 47) und daß er am 22. März 1981 an einer vorbereitenden Besprechung mit dem Buchhalter K. und dem Kreisamtsrat H. teilgenommen hat (UA S. 49). Alle weiteren Verhandlungen mit der Bezirksregierung W.-E. haben aber nur die Angeklagten M. und der Steuerberater Ste. geführt (UA S. 50-54). Die von dem Landgericht als unrichtig bezeichneten Angaben (UA S. 55) hat nach den Feststellungen allein der Angeklagte M. gemacht. Da der Angeklagte St. sich dahin eingelassen hatte, er sei mit diesem Investitionszuschußantrag "nur wenig befaßt gewesen und habe sich auf die von anderen zusammengetragenen Zahlen verlassen" (UA S. 76), hätte es weiterer Feststellungen bedurft, um deutlich zu machen, daß der Angeklagte St. wußte, welche Angaben der Angeklagte M. gegenüber dem Subventionsgeber gemacht hat und ob diese unrichtig waren. Allein der Hinweis des Landgerichts, der Angeklagte St. sei durch den Angeklagten M. "über sämtliche Vorhaben unterrichtet" und habe diese unterstützt (UA S. 76), reicht ohne Feststellung konkreter Tatsachen dazu nicht aus.
In der neuen Verhandlung wird das Landgericht auch hier näher zu prüfen und im Urteil darzulegen haben, ob die von dem Angeklagten M. gegenüber dem Subventionsgeber gemachten Angaben die Voraussetzungen des § 264 Abs. 7 StGB erfüllen. Auch darüber fehlen in dem angefochtenen Urteil Feststellungen, die dem Senat eine sachlichrechtliche Nachprüfung ermöglichen.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das Urteil nur hinsichtlich des Angeklagten M. aufzuheben und die Revision des Angeklagten St. zu verwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993024 |
NJW 1990, 1613 |
DRsp IV(456)147c-d |
NStZ 1990, 291 |
MDR 1990, 561 |
StV 1990, 247 |