Leitsatz (amtlich)
Eine Grundschuld ist in den nach § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG aufzustellenden fiktiven Verteilungsplan mit ihrem Nominalbetrag (Kapital nebst Zinsen und anderen Nebenleistungen) einzustellen.
Normenkette
ZVG § 74a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Kiel (Beschluss vom 04.03.2003) |
AG Plön |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Kiel v. 4.3.2003 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 994.200 EUR.
Gründe
I.
Die Schuldnerin ist als Eigentümerin des im Rubrum genannten Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Die Beteiligte zu 3) (fortan Gläubigerin) betreibt aus vollstreckbaren Urkunden wegen persönlicher Ansprüche und wegen dinglicher Ansprüche aus einer Grundschuld (Abt. III Nr. 1) i. H. v. 2.121.617 EUR (Grundschuldkapital 766.937,82 EUR nebst Zinsen und anderen Nebenleistungen) und aus einer weiteren Grundschuld (Abt. III Nr. 4) i. H. v. 4.969.755,77 EUR (Grundschuldkapital 1.840.650,77 EUR nebst Zinsen und anderen Nebenleistungen) die Zwangsversteigerung des Grundstücks, dessen Verkehrswert das AG Plön auf 5.606.000 EUR festgesetzt hat. Die Ersteherin meldete dingliche Ansprüche aus Grundschulden (Abt. III Nr. 2, 3 u. 5) i. H. v. insgesamt 1.968.846,12 EUR an, der Gläubiger L. einen persönlichen Anspruch über 911.850,68 EUR. Im Versteigerungstermin am 18.11.2002 meldete die Schuldnerin einen dinglichen Anspruch i. H. v. 1.000.000 EUR aus der am selben Tag zu ihren Gunsten auf ihrem Grundstück eingetragenen Grundschuld (Abt. III Nr. 6) an. Die Ersteherin blieb mit einem Bargebot von 2.930.000 EUR Meistbietende. Die Schuldnerin machte im Verhandlungstermin über den Zuschlag am 16.12.2002 zur Begründung ihres Antrags, den Zuschlag gem. § 74a ZVG zu versagen, geltend, die betreibende Gläubigerin habe ihre Forderungen insoweit falsch angemeldet, als ihre persönlichen Forderungen weit unter den dinglichen lägen. Mit Beschluß v. 23.12.2002 hat das AG den Grundbesitz der Meistbietenden zugeschlagen. Mit der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Schuldnerin vorgetragen, aus dem Darlehensverhältnis habe sie im Zeitpunkt des Versteigerungstermins nur noch einen Restbetrag von 2.187.457 EUR aufbringen müssen. Für die nicht mehr valutierten Grundschulden der Ersteherin hätten bereits Löschungsbewilligungen vorgelegen. Das LG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen "zur Klärung der Frage, inwieweit der Rechtspfleger dem behaupteten Zurückbleiben der persönlichen Forderung des betreibenden Gläubigers hinter der dinglichen nachgehen muss".
II.
Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen gem. § 575 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde der Schuldnerin hat keinen Erfolg.
1. Nach Auffassung des LG ist die Schuldnerin nicht berechtigt, gem. § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG die Versagung des Zuschlags zu beantragen, weil ihr Anspruch aus der Eigentümergrundschuld auch bei einem Gebot i. H. v. 7/10 des Verkehrswertes (3.924.200 EUR) nicht gedeckt wäre. Für die Frage, ob ein Berechtigter bei Erreichen der 7/10 Grenze i. S. v. § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG ganz oder teilweise Deckung hätte erlangen können, sei allein die dingliche Rechtsstellung, also die formale durch das Grundbuch belegte Berechtigung der in der Rangklasse 4 vollstreckenden Gläubigerin maßgeblich. Dem AG als Versteigerungsgericht sei es verwehrt und ohnehin nicht möglich, die materiell-rechtliche Berechtigung der angemeldeten und sich aus dem Grundbuch ergebenden Rechte und Ansprüche zuverlässig zu prüfen und seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.
Demgegenüber macht die Rechtsbeschwerde geltend, maßgeblich sei, in welcher Höhe die der betreibenden Gläubigerin zur Sicherung schuldrechtlicher Ansprüche bestellte Grundschuld noch valutiere. Das müsse jedenfalls dann gelten, wenn die Höhe der persönlichen Forderung unstreitig sei. Dies sei der Fall, weil das Vorbringen der Schuldnerin in der Beschwerdeinstanz nicht bestritten worden sei.
2. AG und Beschwerdegericht haben die Antragsberechtigung der Schuldnerin zu Recht verneint.
a) Nach § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG kann den Antrag auf Versagung des Zuschlags nur ein Berechtigter stellen, dessen Anspruch ganz oder teilweise durch das Meistgebot nicht gedeckt ist, aber bei einem Gebot i. H. v. 7/10 des Grundstückswertes ganz oder teilweise gedeckt sein würde. Bei der danach zur Prüfung der Antragsberechtigung erforderlichen hypothetischen Berechnung der Höhe der aus dem Versteigerungserlös vorrangig zu befriedigenden Ansprüche (vgl. Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 85a Rz. 23 ff; Böttcher, ZVG, 3. Aufl., § 74a Rz. 3: - "fiktiver Teilungsplan"; Steiner/Storz, ZVG, 9. Aufl., § 74a Rz. 34: - "fiktive Verteilung") ist aber bei einer Grundschuld entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auf deren Nominalbetrag (Kapital der Grundschuld, vgl. § 1191 Abs. 1, § 1194 BGB, nebst Zinsen und anderen Nebenleistungen, vgl. § 1191 Abs. 2, § 1194 BGB) abzustellen, nicht auf die Höhe der dem Grundschuldgläubiger noch zustehenden schuldrechtlichen Forderung. Demgemäß wäre der dingliche Anspruch der Schuldnerin aus der Eigentümergrundschuld auch bei einem Meistgebot i. H. v. 7/10 des Verkehrswertes des Grundstücks (3.924.200 EUR) ausgefallen. Der Anspruch ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht der Vierten, sondern der sechsten Rangklasse des § 10 Abs. 1 ZVG zuzuordnen, weil er gem. § 23 Abs. 1 S. 1 ZVG ggü. der betreibenden Gläubigerin und dem Beteiligten zu 2) (Gläubiger L. , Anspruch der Rangklasse 5) unwirksam ist (Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 10 Rz. 10.1). Schon die Nominalbeträge der nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 und, soweit es die älteren Rückstände wegen Zinsen und anderer Nebenleistungen betrifft, nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 (Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 10 Rz. 9.1 und 9.2) vorrangigen Grundschulden der betreibenden Gläubigerin übersteigen diesen Betrag deutlich.
b) Die Rechtsfrage, ob bei der nach § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG erforderlichen Berechnung bei einer Grundschuld auf deren Nominalbetrag oder die Höhe der dem Grundschuldgläubiger noch zustehenden Forderung (schuldrechtliche Lösung) abzustellen ist, stellt sich in gleicher Weise auch bei der nach § 85a Abs. 3 ZVG erforderlichen Berechnung des Ausfalls eines Meistbietenden, der zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigt ist. Sie kann für beide Vorschriften nur einheitlich beantwortet werden (vgl. Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 8. Aufl., D 4.3.1 [S. 535]). Der Versagungsgrund des § 74a ZVG soll ebenso der Gefahr von Grundstücksverschleuderungen begegnen wie der - im Gegensatz zu § 74a ZVG - von Amts wegen zu beachtende Versagungsgrund des § 85a ZVG. Allerdings dient die 7/10-Grenze des § 74a ZVG dem Schutz nachrangiger Gläubiger (vgl. bereits KG JW 1933, 2295; Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 74a Rz. 1.1, 1.4; Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht, 2. Aufl., § 17 III 1 [S. 207 f]), die 5/10-Grenze des § 85a Abs. 1 ZVG dagegen dem Schutz des Schuldners (vgl. BT-Drucks. 8/2152, 15; Steiner/Storz, ZVG, 9. Aufl., § 85a Rz. 1; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 85a Rz. 1). Beide Vorschriften stehen aber trotz der insoweit unterschiedlichen Zielsetzung in einem engen Zusammenhang. So darf der Zuschlag, wenn er nach einer der Vorschriften versagt worden ist, im neuen Versteigerungstermin weder nach der einen noch der anderen Vorschrift versagt werden (§ 74a Abs. 4, § 85a Abs. 2 S. 2 ZVG). Zudem kann der Zuschlag, wenn nach § 85a Abs. 3 ZVG der Versagungsgrund von Abs. 1 nicht anwendbar ist, in demselben Versteigerungstermin auf Antrag eines Berechtigten nach § 74a Abs. 1 ZVG zu versagen sein. Da es andernfalls zu Wertungswidersprüchen käme, können die §§ 74a, 85a ZVG, soweit es die Berücksichtigung einer Grundschuld bei den vorzunehmenden Berechnungen betrifft, nur einheitlich ausgelegt werden.
c) Für die nach § 74a Abs. 1 S. 1 erforderliche Berechnung kann daher nichts Anderes gelten als für die Berechnung des Ausfalls des Meistbietenden nach § 85a Abs. 3 ZVG, bei der nach nunmehr überwiegend vertretener Auffassung auf den Nominalbetrag der Grundschuld abzustellen ist (vgl. LG München, mitgeteilt in Rpfleger 1985, 373 = KTS 1986, 83; LG Lüneburg v. 27.11.1985 - 4 T 317/85, Rpfleger 1986, 188; LG Frankfurt v. 27.7.1987 - 2/9 T 674/87, Rpfleger 1988, 35; LG Hanau v. 16.9.1987 - 3 T 251/87, Rpfleger 1988, 77; LG Landau v. 8.2.2001 - 3 T 2/01, Rpfleger 2001, 366 [367]; Böttcher, ZVG, 3. Aufl., § 85a, Rz. 9; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 85a Rz. 25; Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 8. Aufl, S. 535 ff.; Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 85a, Rz. 4, m. w. N.; Muth, Rpfleger 1985, 45 [47]; ders. 1987, 89 [96 f.]; Hennings, Rpfleger 1986, 234; Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht, 2. Aufl. § 17 I 2 [S. 201]; ders. KTS 1987, 617 [621]; Hintzen, Rpfleger 1991, 469). Die schuldrechtliche Lösung, die zu § 85a Abs. 3 ZVG vertreten wird (OLG Koblenz v. 27.6.1991 - 4 W 313/91, Rpfleger 1991, 468; LG Flensburg v. 22.1.1985 - 5 T 458/84, Rpfleger 1985, 372, bestätigt durch OLG Schleswig v. 10.6.1985 - 1 W 50/85, Rpfleger 1985, 372 = KTS 1986, 83; LG Trier v. 24.7.1985 - 4 T 34/85, Rpfleger 1985, 451 [452]; Scherer, Rpfleger 1984, 259; ders. Rpfleger 1985, 181; Ebeling, Rpfleger 1985, 279 [280]; ders. Rpfleger 1987, 123), ist weder mit Wortlaut und Systematik der §§ 74a, 85a ZVG noch mit den allgemeinen Grundsätzen des auch für das Zwangsversteigerungsverfahren geltenden Zwangsvollstreckungsrechts zu vereinbaren:
aa) Ob der Grenzwert des § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG (7/10 des Verkehrswertes) oder der des § 85a Abs. 1 ZVG (Hälfte des Verkehrswerts) erreicht ist, hängt nach beiden Vorschriften von der Höhe des abgegebenen Meistgebots "einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte" ab. Ist das bestehen bleibende Recht (§ 52 ZVG) eine Grundschuld, bestimmt sich ihr Kapitalwert nach ihrem Nominalbetrag (vgl. Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht, 2. Aufl., § 17 I 1 [S. 196]; Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 8. Aufl, S. 535), denn nach § 45 Abs. 1 S. 1 ZVG ist ein solches Recht bei der Feststellung des Anspruchs nach dem Inhalte des Grundbuchs zu berücksichtigen.
bb) Auch soweit bei der nach § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG fiktiv vorzunehmenden Erlösverteilung eine durch den Zuschlag erlöschende (§ 91 Abs. 1 ZVG) Grundschuld und bei der nach § 85a Abs. 3 ZVG erforderlichen Berechnung des Ausfalls des Meistbietenden dessen ebenfalls durch den Zuschlag erlöschende Grundschuld zu berücksichtigen sind, ist nach Wortlaut und Sinnzusammenhang der Regelungen der Nominalbetrag der Grundschuld maßgeblich. Ein solcher aus dem Grundbuch ersichtlicher Anspruch ist gem. § 114 Abs. 1 S. 1 ZVG nach dem Inhalte des Buches in den Teilungsplan aufzunehmen. Da die Grundschuld in ihrem dinglichen Bestand forderungslos ist (§ 1192 Abs. 1 BGB), ist es dabei unbeachtlich, ob eine durch die Grundschuld zu sichernde Forderung entstanden oder ob sie - teilweise - erloschen ist (vgl. Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 114 Rz. 7.2). Auch dann steht eine Grundschuld dem Gläubiger zu (BGH, Urt. v. 27.2.1981 - V ZR 9/80, MDR 1981, 742 = NJW 1981, 1505). Dies gilt auch für den ebenfalls abstrakten Anspruch auf Grundschuldzinsen (BGH, Urt. v. 27.2.1981 - V ZR 9/80, MDR 1981, 742 = NJW 1981, 1505). Ein schuldrechtlicher Rückgewähranspruch des Schuldners gegen den Grundschuldgläubiger aus dem der Grundschuldbestellung zu Grunde liegenden Sicherungsvertrag oder aus § 812 BGB (Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 114 Rz. 7.7) kann vom Schuldner nach § 115 Abs. 3 ZVG i. V. m. §§ 767,769, 770 ZPO nur bei dem Prozessgericht geltend gemacht werden. Hat sich ein nachrangiger Grundschuldgläubiger Rückgewähransprüche des Schuldners gegen vorrangige Grundschuldgläubiger abtreten lassen, steht dem nachrangigen Gläubiger zwar der Widerspruch gegen den Teilungsplan nach § 115 Abs. 1 ZVG i. V. m. § 878 ZPO zu (BGH, Urt. v. 20.12.2001 - IX ZR 419/98, MDR 2002, 603 = BGHReport 2002, 350 = NJW 2002, 1578 [1579], m. w. N.); dieser kann aber ebenfalls nur im Wege einer Klage bei dem Prozessgericht geltend gemacht werden.
cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann im Falle einer Grundschuld auch bei der vom Vollstreckungsgericht vor der Zuschlagserteilung vorzunehmenden Prüfung der Versagungsgründe der §§ 74a, 85a ZVG selbst dann nicht auf die gesicherte persönliche Forderung abgestellt werden, wenn deren Höhe unstreitig ist. Zwar würden sich dann nicht die mit der schuldrechtlichen Lösung grundsätzlich verbundenen erheblichen praktischen Probleme stellen (LG Lüneburg v. 27.11.1985 - 4 T 317/85, Rpfleger 1986, 188 [189]; LG Hanau v. 16.9.1987 - 3 T 251/87, Rpfleger 1988, 77 [78]; LG Landau v. 8.2.2001 - 3 T 2/01, Rpfleger 2001, 366 [367]; Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 85a, Rz. 4.4), die sich u. a. daraus ergeben, dass der Gläubiger nicht verpflichtet ist, dem Vollstreckungsgericht Auskunft über die Höhe der gesicherten Forderung zu erteilen (vgl. Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 85a Rz. 25; Muth, Rpfleger 1985, 45 [47]; Brendle, Rpfleger 1986, 61; a.A OLG Karlsruhe v. 10.4.1981 - 11 W 14/81, Rpfleger 1981, 407, allerdings für den Fall, dass der Sicherungsgeber nicht auch der Schuldner ist). Gleichwohl ist eine Grundschuld, die unstreitig nur teilweise valutiert, bei der Prüfung der Voraussetzungen der §§ 74a, 85a ZVG mit ihrem vollen Nominalbetrag zu berücksichtigen. Es gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Zwangsvollstreckungsrechts, zu dem auch das Zwangsversteigerungsrecht gehört (§ 866 Abs. 1, § 869 ZPO), dass die Vollstreckbarkeit eines Titels von dem Schicksal des sachlich-rechtlichen Anspruchs unabhängig ist (BGH v. 9.3.1990 - V ZR 260/88, BGHZ 110, 319 [322] = MDR 1990, 608). Einwendungen gegen einen durch Titel oder Grundbucheintragung belegten sachlich-rechtlichen Anspruch können nur außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens im Prozesswege geltend gemacht werden (BGH v. 9.3.1990 - V ZR 260/88, BGHZ 110, 319 [322] = MDR 1990, 608; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., vor § 704 Rz. 3, 13 f., m. w. N.). Mit dieser verfahrensrechtlich vorgegebenen Abgrenzung von Vollstreckungsverfahren und Erkenntnisverfahren lässt sich die nach der schuldrechtlichen Lösung erforderliche - aus den genannten Gründen systemwidrige - Befassung des Vollstreckungsgerichts mit den einer Grundschuld zu Grunde liegenden schuldrechtlichen Innenbeziehungen nicht vereinbaren (vgl. Eickmann, KTS 1987, 617 [621 f.]).
Wäre das Vollstreckungsgericht gehalten, im Zwangsversteigerungsverfahren bei der Prüfung der §§ 74a, 85a ZVG eine Grundschuld nicht mit dem Nominalbetrag zu berücksichtigen, sondern nur mit dem (noch) valutierten Teil, würde zudem der Unterschied zwischen der in ihrem dinglichen Bestand forderungslosen (abstrakten) Grundschuld (BGH, Urt. v. 27.2.1981 - V ZR 9/80, MDR 1981, 742 = NJW 1981, 1505) und der akzessorischen Hypothek verwischt (vgl. Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 85a Rz. 4.3).
dd) Die nach Wortlaut und Systematik der Vorschriften gebotene Berücksichtigung einer Grundschuld mit ihrem Nominalbetrag steht schließlich auch mit den Schutzzwecken der §§ 74a, 85a ZVG im Einklang. Beide Vorschriften gehören zum Zwangsversteigerungsverfahren und schützen einen nachrangigen Gläubiger oder den Schuldner nur in diesem Verfahren und nur einmal (§ 74a Abs. 4, § 85a Abs. 2 S. 2 ZVG) vor einer Verschleuderung des Grundstücks. Dass eine vorrangige Grundschuld im Rahmen des § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG mit ihrem Nominalbetrag zu berücksichtigen ist, obwohl sie nicht (mehr) oder nur (noch) zum Teil valutiert, ist ein für den nachrangigen Sicherungsnehmer typisches Realisierungsrisiko seines dinglichen Anspruchs. Es kann zudem durch entsprechende Vereinbarungen in der Sicherungsabrede oder durch Pfändung des Rückgewähranspruchs des Sicherungsgebers verringert werden. Eine Ausdehnung des Schutzbereichs des § 74a ZVG gegen Wortlaut und Systematik der Vorschrift ist deshalb nicht geboten. Entsprechendes gilt für § 85a Abs. 3 ZVG, dessen Schutzbereich das für den Geber einer nicht akzessorischen Sicherheit typische Realisierungsrisiko seiner Rückgewähransprüche gegen den meistbietenden Grundschuldgläubiger nicht umfasst (vgl. Eickmann, KTS 1987, 617 [621]). Der Schuldner hat insoweit die Möglichkeit, seine Rückgewähransprüche nach §§ 767, 769 ZPO geltend zu machen (OLG Köln v. 3.12.1979 - 15 W 92/79, ZIP 1980, 112; Muth, Rpfleger 1985, 45 [48]; Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 114 Rz. 7.10, § 115 Rz. 6.1, 6.2); zudem kann ihm ein Bereicherungsanspruch gegen den Grundschuldgläubiger zustehen (LG Hanau v. 16.9.1987 - 3 T 251/87, Rpfleger 1988, 77 [78]; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 85a Rz. 27; Böttcher, ZVG, 3. Aufl., § 85a Rz. 9; Storz, ZIP 1980, 506 [510]; Eickmann, KTS 1987, 617 [623 ff.]). Darüber hinaus ist er nach § 765a ZPO vor einer Verschleuderung des Grundstücks geschützt.
Fundstellen
Haufe-Index 1131029 |
BGHZ 2004, 159 |
NJW 2004, 1803 |
BGHR 2004, 915 |
EBE/BGH 2004, 2 |
WM 2004, 902 |
WuB 2004, 543 |
ZIP 2004, 874 |
ZfIR 2004, 558 |
InVo 2004, 428 |
MDR 2004, 771 |
Rpfleger 2004, 432 |
NJW-Spezial 2004, 99 |
ZBB 2004, 250 |
ZNotP 2004, 332 |