Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 23.07.1993) |
Tenor
Der Antrag der Beklagten, ihre Beschwer durch das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 23. Juli 1993 auf mehr als 60.000 DM festzusetzen, wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Parteien sind Geschwister und Miterben in ungeteilter Erbengemeinschaft zu je 1/2 nach ihrer am 19. April 1990 verstorbenen Mutter. Zum Nachlaß gehörte u.a. ein kleines Transportunternehmen in der Rechts form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, das ursprünglich der vorverstorbene Vater der Parteien und nach dessen Tod die Erblasserin betrieben hatten. Nach dem Erbfall führte der Kläger, der von Beruf Zahnarzt ist, das Unternehmen zunächst bis 31. Juli 1990 fort. Dann gründete er eine GmbH, die die Angestellten, das Inventar und die Fahrzeuge der Gesellschaft bürgerlichen Rechts übernahm; darüber hinaus wollte der Kläger die zum Nachlaß gehörende Güterfernverkehrsgenehmigung erwerben. Die Parteien streiten über die Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses.
Die Beklagte hat im Wege der Widerklage u.a. beantragt festzustellen, daß der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, daß die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ab 1. August 1990 keine Umsätze mehr erzielte und daß die Güterfernverkehrsgenehmigung deshalb nicht über den 31. Oktober 1992 hinaus verlängert worden ist (Widerklageanträge IV a und d). Insoweit hat das Berufungsgericht die Widerklage auf die Berufung des Klägers abgewiesen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Anschlußberufung der Beklagten insoweit zurückgewiesen, wie sie im Wege der Widerklage die Verurteilung des Klägers zur Auskunft darüber verlangt hat, welche Umsätze die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ab 1. August 1990 erzielt hat sowie wo und ab wann die ehemaligen Mitarbeiter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach ihrem Ausscheiden beschäftigt waren. Insgesamt hat das Berufungsgericht die Beschwer der Beklagten auf 33.000 DM festgesetzt.
Die Beklagte meint, damit sei die Beschwer für die Abweisung ihrer Widerklageanträge zu IV a und d nicht zutreffend erfaßt worden. Insoweit gehe es im wesentlichen um den entgangenen Gewinn, der mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hätte erzielt werden können. Nach den Angaben des Klägers habe das Unternehmen im Jahre 1989 bei einem Umsatz von circa 275.000 DM einen Gewinn von etwa 67.000 DM gemacht. Die Verhältnisse hätten sich im Jahr 1990 bis zum Erbfall nicht wesentlich geändert. Daher sei nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß schon bis Ende des Jahres 1992 in einem „durch den Nachlaß fortgeführten” Unternehmen ein Gewinn von mehr als 150.000 DM erzielt worden wäre. Hinzu komme der Schaden durch den Fortfall der Güterfernverkehrsgenehmigung für die Jahre ab 1992.
Dem ist nicht zu folgen. Gemäß § 3 ZPO ist vom Interesse der Beklagten an den Widerklageanträgen zu IV a und d auszugehen. Ihr Interesse an einer Fortführung des werbenden Geschäftsbetriebs der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und damit an der Erhaltung der Güterfernverkehrsgenehmigung wird indessen durch eine Addition der von der Beklagten erwarteten Gewinne einer beliebigen Vielzahl von Jahren nicht sachgerecht erfaßt. Vielmehr kommt es auf den Wert dieses Unternehmens an, der durch das Vorhandensein und den Fortbestand der Güterfernverkehrsgenehmigung mitbestimmt wurde.
Der Kläger hat eine Stellungnahme seines Steuerberaters vorgelegt, wonach die Entwicklung des Unternehmens rückläufig war; seit Anfang 1990 sei das Fehlen des Einflusses der Erblasserin spürbar geworden, die erkrankt war. Nach dem Erbfall habe das von den beiden Fahrern fortgeführte Unternehmen nur Umsätze erbracht, die nicht wesentlich über den Personalkosten lagen. Wenn das Unternehmen nicht von einem der Erben geleitet werde, sei es nicht lebensfähig, weil die Kosten für einen Geschäftsführer nach den gegebenen Wettbewerbsverhältnissen nicht zu erwirtschaften seien (GA II 227 ff.). Darauf hat die Beklagte entgegnet, eines Geschäftsführers habe es nicht bedurft; die beiden Fahrer hätten die Aufträge des einzigen Kunden entgegennehmen und bearbeiten können (GA II 262 f.).
Allein mit der Bezugnahme auf dieses Vorbringen hat die Beklagte jedoch nicht glaubhaft gemacht, daß die ihr zustehende Hälfte des Unternehmenswerts mit wesentlich mehr als 30.000 DM zu veranschlagen ist (vgl. BGH, Beschluß vom 9. März 1988 – IVa ZR 250/87 – BGHR ZPO § 546 Abs. 2, neue Tatsachen 1).
Unterschriften
Bundschuh, Dr. Zopfs, Römer, Dr. Schlichting, Terno
Fundstellen