Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.06.2020; Aktenzeichen 5/29 KLs 3/20) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juni 2020, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensbeanstandung, § 257c Abs. 5 StPO sei verletzt worden, Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); eines Eingehens auf die Sachbeschwerde bedarf es daher nicht.
Rz. 2
Der Generalbundesanwalt hat dazu zutreffend ausgeführt:
I. „Der Rüge liegt ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Zu Beginn der Hauptverhandlung am 14.05.2020 stellte der Vorsitzende fest, dass Erörterungen, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen waren, nicht stattgefunden hatten (SA Bd. VIII Bl. 1714). Nach ordnungsgemäßer Belehrung der Angeklagten regte der Verteidiger des Angeklagten ein Rechtsgespräch an, ein anderer Verteidiger beantragte die Aussetzung des Verfahrens. Nach einer Äußerung des Vorsitzenden wurde ein Einverständnis dahingehend erzielt, die Hauptverhandlung bis zum 25.05.2020 zu unterbrechen (SA Bd. VIII Bl. 1715).
Im Fortsetzungstermin gab der Vorsitzende bekannt, dass außerhalb der Hauptverhandlung Gespräche stattgefunden hatten, in denen die Möglichkeit einer Verständigung erörtert worden sei. Das Gericht unterbreitete sodann einen näher dargestellten Verständigungsvorschlag, dem der Verteidiger des Angeklagten im Namen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft zustimmten. Sodann wurde der Angeklagte gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO belehrt. Der Verteidiger des Angeklagten gab für diesen eine Erklärung zur Sache ab, deren Richtigkeit der Angeklagte bestätigte. Ergänzende Fragen wurden nicht beantwortet (SA Bl. IX Bl. 2041).
Am dritten Hauptverhandlungstag machte der Angeklagte Angaben zu seinem Lebenslauf (SA Bd. VIII Bl. 1836).
II. Ausweislich korrespondierender dienstlicher Stellungnahmen des Staatsanwalts (SA Bd. IX Bl. 2099 ff.) und des Vorsitzenden (SA Bd. IX Bl. 2103) soll das Protokoll unrichtig sein: Die Angeklagten seien vom Vorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass sie vorschnell ihre Zustimmung erklärt hätten, woraufhin der Vorsitzende sie zunächst ordnungsgemäß belehrt habe. Daraufhin hätten die Angeklagten erneut ihre Zustimmung zum Verständigungsvorschlag erklärt.
Dieses Verfahrensgeschehen ist der weiteren Prüfung der Rüge indes nicht zugrunde zu legen. Die Protokollführerin konnte sich nämlich nicht an den Ablauf der fraglichen Hauptverhandlung erinnern (SA Bd. IX Bl. 2133), so dass es nicht zu einer entsprechenden Protokollberichtigung kam. Die dienstliche Erklärung nur einer der Urkundspersonen lässt die formelle Beweiskraft des Protokolls zuungunsten des Angeklagten nicht entfallen (KK-StPO/Greger, StPO § 274 Rn. 11 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 10.02.2015 – 4 StR 595/14, NStZ 2015, 358).
III. Danach rügt die Revision die Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO zu Recht (vgl. Senat, Beschluss vom 04.03.2020 – 2 StR 352/19; BeckRS 2020, 10572). Denn der Angeklagte hätte bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlages über die in § 257c Absatz 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehrt werden müssen. Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Absatz 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG, NStZ 2014, 721; BGH, Beschluss vom 09.10.2018 – 1 StR 425/18, Rn. 3; MüKo-StPO/Jahn/Kudlich, § 257c Rn. 183).
IV. Es ist nicht auszuschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht.
1. Es kann letztlich nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte das der Verständigung nachfolgende Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte. […].
2. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Angeklagte auch ohne Belehrung gewusst hat, wann die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt.
3. Die Überzeugung der Strafkammer zu allen Fällen fußt ausweislich der Urteilsgründe insbesondere auf dem umfassenden Geständnis des Angeklagten (UA S. 42).”
Unterschriften
Franke, Krehl, Meyberg, RiBGH Dr. Grube ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Franke, Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 14534241 |
NStZ-RR 2021, 254 |