Tenor
Die Revision der Beteiligten zu 1 gegen das Urteil des Senats für Baulandsachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Juli 1998 - U (Baul) 1/97 - wird nicht angenommen.
Die Beteiligte zu 1 trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 221 Abs. 1 BauGB).
Streitwert: 920.148 DM.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1, ein Kiesabbauunternehmen, das der Beteiligten zu 2 (Bundesstraßenverwaltung) zur Vermeidung der Enteignung für den Bau einer Autobahn gepachtete, auskiesungsfähige Grundstücke überlassen hat, verlangt im vorliegenden baulandgerichtlichen Verfahren eine höhere als die von der Enteignungsbehörde (Beteiligten zu 3) festgesetzte Enteignungsentschädigung. Landgericht (Kammer für Baulandsachen) und Oberlandesgericht (Senat für Baulandsachen) haben den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beteiligten zu 1.
II.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Entschädigungsbemessung des Berufungsgerichts, die – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – noch um 44.382,40 DM unter der (seitens der Beteiligten zu 2 nicht angefochtenen) Festsetzung der Enteignungsbehörde liegt, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die Revision bekämpft in erster Linie die Methode, mit der das Berufungsgericht den Wert der der Beteiligten zu 1 genommenen – gepachteten – Kiesabbauflächen ermittelt hat, jedoch zu Unrecht.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – der das Berufungsgericht folgt – kann im Falle der Enteignung der Pächter als Nebenberechtigter nicht vollen Ersatz des wirtschaftlichen Schadens beanspruchen, der sich als Folge der Grundstücksenteignung eingestellt haben mag, er muß sich im Grundsatz mit der Entschädigung für seinen „Substanzverlust” begnügen, also mit dem Ausgleich dessen, was er von seinem Recht hat abgeben müssen oder was ihm an vermögenswerter Rechtsposition genommen worden ist. Der Anspruch beschränkt sich im Grundsatz auf den Betrag, der den Pächter zur Zeit der Besitzaufgabe in den Stand setzt, ein entsprechendes Pachtverhältnis unter den nämlichen Vorteilen, Voraussetzungen und Bedingungen einzugehen, wobei ein rein objektiver Maßstab, der Wert für „jedermann”, anzulegen ist; der Reinertrag des Gewerbes, das der Pächter auf dem enteigneten Grundstück betrieben hat, kann nicht maßgebend sein – ebensowenig wie der Wert des Betriebes –, sondern nur die Summe, die den Betroffenen instand setzt, ein dem entzogenen Recht gleichwertiges zu erwerben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein gleichgeartetes Pachtrecht überhaupt auf dem Markt zu erwerben war oder zu erwerben ist. Vielmehr soll mit der Bemerkung, die Entschädigung sei nach dem Betrag zu bemessen, der für die Erlangung einer gleichgearteten Rechtsposition bezahlt werden müsse, lediglich gesagt werden, daß die Entschädigung dem vollen Wert des genommenen Rechts in der Hand eines jeden Inhabers entsprechen müsse (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 1989 - III ZR 6/87 - WM 1989, 1154, 1155). Hieraus kann sich dann ergeben: Zahlt der Pächter in etwa den marktüblichen Zins, wird ein eigener Substanzwert des enteigneten Pachtrechts nicht angenommen werden können. Der betroffene Pächter wird durch die ersparte marktübliche Pacht „bildhaft” in die Lage versetzt, sich ein entsprechendes Pachtobjekt zu beschaffen unabhängig davon, ob diese Möglichkeit tatsächlich besteht. Es kommt dann regelmäßig nur ein Ersatz des Zwischenzinses der durch die vorzeitige Räumung verursachten Kosten (als sog. Folgekosten) in Betracht. War die für das enteignete Objekt gezahlte Pacht dagegen niedriger als der marktübliche Zins, drückt sich darin ein besonderer Wert der Pachtrechtssubstanz aus. Der Pächter kann „bildhaft” nur mit der Möglichkeit rechnen, zu marktüblichen Preisen wieder ein entsprechendes Grundstücks nutzen zu können. Daher ist die Differenz zwischen dem bisher gezahlten günstigen und dem marktüblichen Zins zu entschädigen (Senatsurteil aaO). Im Streitfall hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß das Pachtentgelt der Beteiligten zu 1 für das Gelände Rossenray sich nicht im marktüblichen Rahmen bewegt hätte.
aa) Die Revision stellt vor allem in Frage, ob diese Rechtsprechung auch für ein mitenteignetes Pachtrecht gilt, das zur vollständigen Nutzung eines – endlichen – Kiesvorkommens berechtigt hätte. Das Ansinnen der Revision läuft der Sache nach darauf hinaus, daß auch bei einem solchen Pachtrecht der Pächter – wie sonst der Eigentümer – für den Wert des Kiesvorkommens als solchen entschädigt werden müsse, weil im Verhältnis des Pächters zum Eigentümer ersterem die Kiesausbeute gebühre. Dem ist nicht zu folgen.
Wenn der Eigentümer eines Kiesgrundstücks enteignet wird, so wird allerdings in der Regel der Wert des (bloßen) Grundstücks und des Kiesvorkommens gesondert zu ermitteln sein. Regelmäßig wird der Reinertrag, d.h. der Rohertrag aus dem Vorkommen abzüglich Bewirtschaftungskosten einschließlich Werbungskosten und Zwischenzinsen unter Berücksichtigung der Zahl der Ausbeutungsjahre, kapitalisiert und führt zum festzustellenden Wert des Vorkommens (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 1978 - III ZR 6/77 - WM 1979, 314). Abgesehen davon, daß, wenn man zugunsten des mitenteigneten Pächters eines Grundstücks einen ähnlichen Kiesvorkommen-Wert annähme, allemal von vornherein der vom Pächter gezahlte oder zu zahlende Pachtzins abzusetzen wäre, so daß eine solche Berechnung nicht von vornherein immer günstiger für den Pächter sein müßte, sind jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Pachtverträge über Kiesgrundstücke bei der hier in Rede stehenden Frage nicht anders zu behandeln, als sonstige – etwa landwirtschaftliche oder aber gewerbliche – Pachtverträge. In dem Urteil vom 2. Februar 1984 - III ZR 170/82 - NJW 1984, 1878, 1879 hat der Senat – für den Fall eines enteignungsgleichen Eingriffs in ein gepachtetes Kiesgrundstück durch unberechtigten Kiesabbau – ausgeführt, bei der Bemessung der Entschädigung könne nicht der Sachwert zugrunde gelegt werden, den der abgebaute und beim Autobahnbau verwendete Kies und Sand hatte; denn der Pächter sei nie Eigentümer dieser Bodenbestandteile gewesen. Eingriffsobjekt sei nur „seine aufgrund des Pachtvertrages bestehende, rechtlich gesicherte Möglichkeit zum Abbau”. Daran ist festzuhalten (vgl. auch Senatsurteil vom 15. Februar 1996 - III ZR 49/95 - NVwZ 1996, 930, 933).
bb) Die mit dieser Rechtsprechung verbundenen Ergebnisse, die nur auf den ersten Blick darauf hindeuten könnten, der Pächter eines Kiesgrundstücks mit umfassendem Abbaurecht werde gegenüber dem Grundstückseigentümer benachteiligt, sind bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung angemessen. Denn der entscheidende Gedanke der Rechtsprechung geht dahin, daß dem (mit) enteigneten Nebenberechtigten nur das an Enteignungsentschädigung zustehen kann, was er („bildhaft”) benötigt, um sich ein gleichwertiges Recht zu beschaffen. Wie es wäre, wenn (generell) vergleichbare Kiesausbeutungsgrundstücke überhaupt nicht mehr zu bekommen wären, mag dahinstehen. Das wird so von der Revision nicht vorgebracht; es klingt im Vorbringen der Beteiligten zu 1 nur allgemein an, daß Kiesgrundstücke ein „knappes Gut” sind.
b) Die Revision kann für ihren Standpunkt, daß die Beteiligte zu 1 Anspruch auf einen „Substanzwert” im Sinne eines ihr genommenen Kieswertes habe, auch nichts aus dem Vertrag vom 18. Dezember 1985 u.a. zwischen der Beteiligten zu 1 und der R. AG herleiten, worin die Bundesstraßenverwaltung sich u.a. verpflichtet hat, „die Kieswerke K. KG” (Beteiligte zu 1) „wegen der dieser aus dem Pachtverhältnis zustehenden Ansprüche zu entschädigen und die Ruhrkohle von sämtlichen Ansprüchen hieraus freizustellen”. Über die Höhe der von der Beteiligten zu 2 an die Beteiligte zu 1 zu zahlenden Entschädigung wird hierin nichts gesagt und geregelt; diese Entschädigung schuldet die Beteiligte zu 2 der Beteiligten zu 1 auf der Grundlage des Bauerlaubnis- und Entschädigungsvertrages vom 7. September/26. August 1983, wobei die Entschädigung im Zweifel nach allgemeinen enteignungsrechtlichen Grundsätzen zu bemessen ist, an die sich das Berufungsgericht gehalten hat.
2. Ohne Erfolg greift die Revision das Berufungsurteil auch insoweit an, als dieses im Rahmen der weiteren Entschädigungsberechnung Gesichtspunkte des Vorteilsausgleichs (vgl. § 8 Abs. 3 EEG NW) zu Lasten der Beteiligten zu 1 berücksichtigt hat.
a) Im Kern geht es um folgendes: Ausgehend davon, daß bei enteignungsbedingten Eingriffen in ein Pachtverhältnis grundsätzlich auch die Kosten zu entschädigen sind, die durch die vorzeitige Beendigung des Pachtverhältnisses entstehen, jedoch dann, wenn Kosten für die Betriebsverlegung nach Ablauf des Pachtverhältnisses sowieso angefallen wären, dem Pächter grundsätzlich nur der Vorfinanzierungsaufwand in Form des Zwischenzinses ersetzt wird (zu letzterem vgl. BGHZ 123, 166, 172 m.w.N.), gelangt das Berufungsgericht hier nur zur Erstattung der Mehrkosten der Beteiligten zu 1 für eine Verlagerung ihres Betriebes an einen „bildhaft” gleichen Standort statt (erst) am 31. Dezember 1990 (schon) am 31. November 1990, also nur für einen Monat vorzeitige Betriebsverlagerung. Dieser Gedankengang ist entgegen der Revision durchaus folgerichtig und nicht widersprüchlich. Daß die Beteiligte zu 1 ihren Auskiesungsbetrieb, der auf dem „alten” Gelände zum 30. Juni 1988 ausgelaufen wäre, durch die Ausweitung der Auskiesung auf das sog. K.-Dreieck bis zum 30. November 1990 weiterführen konnte, beruhte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wesentlich darauf, daß – nach der Würdigung des Berufungsgerichts: „enteignungsbedingt”, also letztlich durch das Straßenausbauvorhaben und die damit verbundenen komplexen Veränderungen im Umfeld unter Mitwirkung verschiedener Beteiligter verursacht – im Zuge der gesamten Umgestaltungen ein 30 m breiter Streifen zwischen dem „alten” Abbaugelände der Beteiligten zu 1 und dem sog. K.-Dreieck, in dem die Graftstraße mit einer Druckrohrleitung der L. verlief, entwidmet und beseitigt wurde.
b) Gegen diese, weitgehend im tatrichterlichen Bereich liegende, Würdigung des Berufungsgerichts vermag die Revision durchgreifende rechtliche Bedenken nicht anzuführen.
3. Auch im übrigen läßt das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beteiligten zu 1 erkennen.
Unterschriften
Wurm, Streck, Schlick, Kapsa, Dörr
Fundstellen
Haufe-Index 538773 |
NJW 1999, 3630 |
BGHR |
NVwZ 1999, 1022 |
WM 1999, 2078 |
ZfBR 2000, 132 |
www.judicialis.de 1999 |