Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Urteil vom 28.08.2001) |
Tenor
1. Das Verfahren wird auf Antrag des Generalbundesanwalts eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II 2 g wegen Bedrohung verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 28. August 2001
- dahin geändert, daß die Verurteilung wegen Bedrohung (Fall II 2 g der Urteilsgründe) entfällt,
mit den Feststellungen aufgehoben
aa) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
bb) soweit gegen den Angeklagten die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes, sexuellen Mißbrauchs von Kindern in fünf Fällen und wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es gegen ihn die Sicherungsverwahrung angeordnet.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts.
1. Soweit der Angeklagte im Fall II 2 g der Urteilsgründe wegen Bedrohung verurteilt worden ist, wird das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
2. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
a) Der Wegfall der im Fall II 2 g verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zehn Monaten führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe, da nicht auszuschließen ist, daß das Landgericht eine geringere als die festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hätte, wenn es seiner Beurteilung ausschließlich die nunmehr verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen zugrundegelegt hätte.
b) Die auf § 66 Abs. 2 StGB gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Annahme eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB darauf gestützt, daß zu den abgeurteilten Taten und den im Jahr 1997 abgeurteilten fünf Fällen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern hinzukomme, „daß es bereits in den achtziger Jahren wiederholt zu Verurteilungen wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern, wobei es sich nach den Angaben des Angeklagten vorwiegend um Fälle des Onanierens vor Kindern handelte, sowie wegen ebenfalls vor Kindern vorgenommenen exhibitionistischen Handlungen gekommen war” (UA 23). Die indizielle Verwertung dieser nach den Feststellungen bereits im Register getilgten früheren Verurteilungen verstößt gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG, das auch bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung gilt (vgl. BGHSt 25, 100 ff.; BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 7) und der Verwertung der getilgten Verurteilungen zum Nachteil des Angeklagten entgegensteht (zur Zulässigkeit der Verwertung getilgter früherer Verurteilungen, auf die sich der Angeklagte zu seiner Entlastung beruft, zum Vorteil des Angeklagten vgl. BGHSt 27, 108 ff.). Da nicht auszuschließen ist, daß die Strafkammer ohne die Verwertung der früheren getilgten Verurteilungen zu einer anderen Beurteilung der Voraussetzungen des § 66 StGB gelangt wäre, bedarf die Sache auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Hierbei wird mit Blick darauf, daß die abgeurteilten Taten überwiegend eher exhibitionistischen Charakter haben, die Verhältnismäßigkeit der Anordnung (§ 62 StGB) besonderer Prüfung bedürfen.
Unterschriften
Tepperwien, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović, Sost-Scheible
Fundstellen