Verfahrensgang

LG Kassel (Urteil vom 13.02.2008)

 

Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 13. Februar 2008 in den Strafaussprüchen betreffend die Verurteilungen wegen besonders schwerer Brandstiftung sowie in den Gesamtstrafenaussprüchen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher” besonders schwerer Brandstiftung und wegen „gemeinschaftlichen” versuchten Betruges in zwei Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erheben und mit einer Formalrüge einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK beanstanden. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind sie aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO offensichtlich unbegründet.

Rz. 2

Bei der Festsetzung der Einsatzstrafen von jeweils sieben Jahren und sechs Monaten wegen der von den Angeklagten gemeinschaftlich begangenen besonders schweren Brandstiftung hat die Kammer gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. Nach den Feststellungen wollten die Angeklagten das ihnen gehörende und einzig von ihnen bewohnte Haus durch die Brandlegung völlig zerstören, um anschließend Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Dabei nahmen sie das – so auch erfolgte – Abbrennen des an ihr Wohnhaus direkt angrenzenden Nachbarhauses billigend in Kauf. Letzteren Umstand bei der Strafzumessung zu Lasten der Angeklagten zu berücksichtigen (UA 63) war rechtsfehlerhaft:

Rz. 3

Die Angeklagten haben als alleinige Eigentümer und Bewohner ihrem Haus durch die Brandlegung im Wege einer sog. „Entwidmung” die Eigenschaft als Wohnhaus im Sinne des § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB genommen (BGH NStZ 2008, 99 mit Anm. Radtke). Der Schuldspruch nach der auf § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB aufbauenden Strafvorschrift des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB findet seine tatbestandliche Grundlage deshalb darin, dass die Angeklagten vorsätzlich auch das Wohnhaus ihrer Nachbarn in Brand setzten. Dann aber darf gemäß § 46 Abs. 3 StGB innerhalb des von § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB eröffneten Strafrahmens nicht der diesen Straftatbestand begründende Umstand strafschärfend gewertet werden, dass die Angeklagten mit bedingtem Vorsatz das Wohnhaus ihrer Nachbarn in Brand gesetzt haben. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils in den Aussprüchen über die Einsatz- und Gesamtstrafen.

Rz. 4

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass bei nicht gravierenden Verfahrensverzögerungen unter Umständen bereits die Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK eine ausreichende Kompensation darstellen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2008 – 4 StR 666/07 und vom 13. Juni 2008 – 2 StR 200/08).

 

Unterschriften

Rissing-van Saan, Rothfuß, Fischer, Appl, Cierniak

 

Fundstellen

Haufe-Index 2564413

NStZ 2009, 100

StV 2008, 641

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