Leitsatz (amtlich)
Zur Ausgangskontrolle bei der Telefaxversendung von fristgebundenen Schriftsätzen.
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Beschluss vom 25.03.2014; Aktenzeichen 12 UF 233/13) |
AG Hamburg-Harburg (Beschluss vom 28.10.2013; Aktenzeichen 635 F 206/11) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Familiensenats des OLG Hamburg vom 25.3.2014 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Wert: 13.126 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Das AG hat den Antragsgegner durch Beschluss vom 28.10.2013 verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen und laufenden Trennungsunterhalt zu zahlen. Gegen den am 30.10.2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 2.12.2013 (Montag) Beschwerde eingelegt. Der an das OLG adressierte Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 30.12.2013 ist am gleichen Tage um 16:06 Uhr an das AG gefaxt worden. Das Original dieses Schriftsatzes ist am 31.12.2013, der von dem AG weitergeleitete Telefaxausdruck am 7.1.2014 bei der gemeinsamen Annahmestelle der Hamburger Justizbehörden eingegangen.
Rz. 2
Auf den vom OLG erteilten Hinweis auf die Fristversäumung hat der Antragsgegner durch Schriftsatz vom 31.1.2014 mit folgender Begründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt: Die Beschwerdebegründung sei versehentlich an das AG gefaxt worden. Mit der Überwachung des Fristablaufes und der Sicherstellung der rechtzeitigen Übermittlung des Schriftsatzes sei in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners die langjährig beschäftigte und äußerst zuverlässige Mitarbeiterin G. betraut worden, die eigens ihren Urlaub unterbrochen habe, um den Fristablauf am 30.12.2013 bearbeiten und überwachen zu können. Der zuvor diktierte Beschwerdebegründungsschriftsatz sei an diesem Tag von der Mitarbeiterin geschrieben und korrekt an das OLG adressiert worden. Die Verfahrensbevollmächtigte habe den ihr vorgelegten Schriftsatz auf inhaltliche Richtigkeit und korrekte Adressenangabe überprüft. Bei der Auswahl der auf dem Schriftsatz vermerkten Telefaxnummer sei der Mitarbeiterin G. ein bislang noch nie vorgekommener Fehler unterlaufen, weil sie versehentlich die Telefaxnummer des AG "aus dem PC gezogen" habe. Der Sendebericht sei darauf kontrolliert worden, ob sämtliche Seiten korrekt übermittelt worden seien, was der Fall gewesen sei. Der Sendebericht sei daraufhin in der Handakte abgeheftet und der Originalschriftsatz zur Post gegeben worden.
Rz. 3
Das OLG hat die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Beschwerde des Antragsgegners verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil der Antragsgegner nicht aufzuzeigen vermag, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre (§ 574 Abs. 2 ZPO). Es liegt keine Divergenz zur Rechtsprechung des BGH vor und die Entscheidung des Beschwerdegerichts verletzt auch den verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch des Antragsgegners auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) nicht.
Rz. 5
1. Die Beschwerdebegründung ist erst am 31.12.2013 und damit nach Ablauf der am 30.12.2013 endenden Frist zur Begründung der Beschwerde bei dem OLG eingegangen.
Rz. 6
2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor, denn der Antragsgegner hat die Beschwerdebegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Beschwerdegericht hat zutreffend erkannt, dass das Versäumnis jedenfalls auf einem Organisationsverschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten hinsichtlich der gebotenen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze beruht, welches sich der Antragsgegner nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
Rz. 7
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden. Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, z.B. bereits in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen, sondern der Abgleich hat anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle zu erfolgen, um auch etwaige Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können (vgl. BGH Beschlüsse vom 24.10.2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rz. 8; v. 10.9.2013 - VI ZB 61/12, NJW-RR 2013, 1467 Rz. 7; v. 7.11.2012 - IV ZB 20/12, NJW-RR 2013, 305 Rz. 9; v. 12.5.2010 - IV ZB 18/08, NJW 2010, 2811 Rz. 11; v. 4.2.2010 - I ZB 3/09, VersR 2011, 1543 Rz. 14, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Rz. 8
Das Beschwerdegericht konnte dem Vorbringen des Antragsgegners in seinem Wiedereinsetzungsgesuch und der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin G. lediglich entnehmen, dass der Sendebericht nach erfolgter Absendung des Telefaxes daraufhin zu kontrollieren war, ob sämtliche Seiten korrekt übermittelt worden sind. Die Rechtsbeschwerde macht schon selbst nicht geltend, dass in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners eine darüber hinausgehende organisatorische Regelung bestand, die einen nochmaligen selbständigen Abgleich der im Sendebericht ausgedruckten Telefaxnummer mit einer zuverlässigen Quelle vorsah.
Rz. 9
b) Allerdings kann dem Erfordernis, durch organisatorische Anweisungen Fehler bei der Ermittlung der Telefaxnummer auszuschließen, auch mit einer Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der auf dem versendeten Schriftstück niedergelegten Faxnummer zu vergleichen, wenn die schriftlich niedergelegte Faxnummer ihrerseits aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist (vgl. BGH Beschlüsse v. 24.10.2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rz. 8; v. 12.5.2010 - IV ZB 18/08, NJW 2010, 2811 Rz. 14).
Rz. 10
Auch dieser Gesichtspunkt vermag der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, wobei es unentschieden bleiben kann, ob eine "aus dem PC gezogene" Telefaxnummer ohne nähere Darlegungen generell die Gewähr dafür bietet, aus einer zuverlässigen Ausgangsquelle zu stammen. Denn auch wenn die Telefaxnummer zunächst einer zuverlässigen Quelle entnommen und auf dem Schriftsatz niedergelegt worden ist, ist ein Abgleich zwischen Sendebericht und zuverlässiger Ausgangsquelle nach der Versendung nur dann entbehrlich, wenn darüber hinaus die generelle Anordnung besteht, die erste Ermittlung der auf dem Schriftsatz niedergelegten Telefaxnummer vor der Versendung nochmals auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (BGH Beschlüsse v. 24.10.2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rz. 8; v. 12.5.2010 - IV ZB 18/08, NJW 2010, 2811 Rz. 14; vgl. auch Toussaint FD-ZVR 2014, 354392). Eine solche Büroorganisation in der Kanzlei seiner Verfahrensbevollmächtigten hat der Antragsgegner in seinem Wiedereinsetzungsgesuch nicht dargelegt. Das Vorbringen des Antragsgegners, wonach die Mitarbeiterin G. von seiner Verfahrensbevollmächtigten "mit der Übermittlung des Schriftsatzes per Telefax und der Überwachung des ordnungsgemäßen Sendeberichts beauftragt worden" sei, rechtfertigt auch nicht die Annahme, dass eine auf Überprüfung der Richtigkeit der auf dem Schriftsatz vermerkten Telefaxnummer zielende Einzelanweisung erteilt worden sein könnte (vgl. dazu BGH Beschl. v. 4.2.2010 - I ZB 3/09, VersR 2011, 1543 Rz. 16 f.).
Fundstellen
Haufe-Index 7281925 |
EBE/BGH 2014, 322 |
FuR 2014, 718 |
IBR 2014, 702 |
JurBüro 2015, 110 |
AnwBl 2014, 1058 |
MDR 2014, 1286 |
FamRB 2015, 17 |
RÜ 2014, 769 |
RENOpraxis 2014, 278 |
RENOpraxis 2015, 11 |
Mitt. 2015, 91 |