Leitsatz (amtlich)

a) Die Wirksamkeit eines vor dem 1. Juli 1977 abgeschlossenen Vertrages, durch den die Durchführung des Versorgungsausgleichs ausgeschlossen wurde, hängt nach der Übergangsregelung des Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 1. EheRG nicht davon ab, daß der Verzichtende eine angemessene Abfindung oder Gegenleistung erhalten sollte (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 4. März 1981 – IVb ZB 662/80 – FamRZ 1981, 533).

b) Zum Umfang der Überprüfung der Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen im Verfahren der weiteren Beschwerde nach § 621e Abs. 2 ZPO.

 

Normenkette

1. EheRG Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 S. 2; ZPO § 621e Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart

AG Stuttgart

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 17. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. März 1993 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen,

Wert: 2.400 DM

 

Gründe

I.

Die Parteien haben am 26. November 1976 geheiratet. Am 25. November 1976 haben sie einen notariell beurkundeten Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in dem sie u.a. Gütertrennung vereinbart haben. Nr. III dieses Vertrages lautet:

„Für den Fall der Scheidung unserer morgen zu schließenden Ehe vereinbaren wir, soweit dies gesetzlich zulässig ist:

1. Beide Parteien verzichten für den Fall der rechtskräftigen Ehescheidung auf Unterhalt, einschließlich etwaiger Versorgungsansprüche und Anwartschaften für Vergangenheit und Zukunft, auch für den Fall der Not.

2. Im Fall des Getrenntlebens der Eheleute ruht der gegenseitige Unterhaltsanspruch in voller Höhe… Diese Bestimmung gilt erst nach Ablauf eines Monats des Getrenntlebens.”

Auf eine am 20. September 1990 zugestellte Antragsschrift der Ehefrau hin wurde die Ehe der Parteien durch Urteil des Familiengerichts vom 18. Juni 1991 geschieden. Gleichzeitig hat das Familiengericht die Scheidungsfolgesache Versorgungsausgleich zur gesonderten Entscheidung abgetrennt. Der Scheidungsausspruch ist seit dem 16. August 1991 rechtskräftig.

Mit Beschluß vom 17. Dezember 1991 hat das Familiengericht ausgesprochen, daß der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt wird. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Parteien hätten in dem notariellen Vertrag vom 25. November 1976 für den Fall der Scheidung auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs wirksam verzichtet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin gegen diese Entscheidung durch den angefochtenen Beschluß zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde, mit der die Antragstellerin erreichen will, daß der Versorgungsausgleich durchgeführt wird.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach §§ 621e Abs. 2 Satz 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthaft und auch sonst zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht führt aus, Nr. III 1 des notariellen Vertrages vom 25. November 1976 enthalte einen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Die Verwendung der Wörter „Versorgungsansprüche” und „Anwartschaften” lasse keine andere Auslegung zu. Die Bestimmungen des 1. EheRG, durch die der Versorgungsausgleich eingeführt worden sei, seien zwar erst am 1. Juli 1977 nach Abschluß des notariellen Vertrages in Kraft getreten; das Gesetz sei aber schon am 14. Juni 1976 verkündet worden, also ein knappes halbes Jahr vor Abschluß des Vertrages. Das neue Recht sei schon im Anschluß an die Verkündung des 1. EheRG in der Öffentlichkeit ausgiebig diskutiert worden. Es sei deshalb davon auszugehen, daß die Parteien bei Abschluß des notariellen Vertrages eine das neue Recht bereits berücksichtigende Regelung getroffen hätten.

Da die Ehe der Parteien vor dem Inkrafttreten des 1. EheRG geschlossen und nach dem Inkrafttreten geschieden worden sei, seien nach der Übergangsvorschrift des Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes die Vorschriften über den Versorgungsausgleich nicht anzuwenden, wenn die auszugleichenden Anwartschaften auf eine Versorgung Gegenstand eines vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossenen Vertrages gewesen seien. Obwohl der Antragsgegner zur Zeit des Vertragsschlusses höhere Versorgungsanwartschaften erworben gehabt habe als die Antragstellerin, habe der Verzicht auf einen künftigen Versorgungsausgleich auch Vorteile für die Antragstellerin gehabt. Der Antragsgegner sei nämlich in den Jahren vor der Eheschließung der Parteien immer wieder monatelang krank gewesen. Die Antragstellerin habe deshalb damit rechnen müssen, daß u.U. nicht sie, sondern der Antragsgegner im Falle einer späteren Scheidung ausgleichsberechtigt sein könne. Jedenfalls in einem solchen Falle sei ein gegenseitiger Verzicht auf den Versorgungsausgleich auch dann wirksam, wenn keine zusätzliche Gegenleistung vereinbart werde.

Zwar enthalte der notarielle Vertrag einen nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 3, 1614 BGB unwirksamen Verzicht auf zukünftigen Trennungsunterhalt. Die Unwirksamkeit dieses Teils der Vereinbarung führe aber nicht nach § 139 BGB zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages. Die Parteien hätten ausdrücklich alle Regelungen von Abschnitt III unter den Vorbehalt gestellt: „… soweit dies gesetzlich zulässig ist.” Damit hätten sie zum Ausdruck gebracht, daß unwirksame Regelungen nicht Gegenstand des Vertrages werden und die übrigen Bestimmungen wirksam bleiben sollten.

Gegen diese Ausführungen wendet sich die weitere Beschwerde ohne Erfolg. Sie halten in allen Punkten einer rechtlichen Überprüfung stand.

2. Zu der Beurteilung, der von den Parteien abgeschlossene notarielle Vertrag enthalte einen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs und die Unwirksamkeit einer einzelnen Vertragsregelung (des Verzichts auf den Trennungsunterhalt) habe nach dem Willen der Parteien nicht die Unwirksamkeit der übrigen Bestimmungen des Vertrages zur Folge haben sollen, ist das Beschwerdegericht durch eine Auslegung des notariellen Vertrages gelangt. Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen ist Sache des Tatrichters. Sie kann von dem Gericht der weiteren Beschwerde (wie auch von dem Revisionsgericht: vgl. Zöller/Gummer ZPO 19. Aufl. § 550 Rdn. 10 m.N.) nur darauf überprüft werden, ob die Vorinstanz Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt hat, ob ihr im Zusammenhang mit der Auslegung Verfahrensfehler unterlaufen sind und ob sie wesentlichen Auslegungsstoff unberücksichtigt gelassen hat. Diese Einschränkung ergibt sich daraus, daß nach §§ 621e Abs. 2 Satz 3, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO in einer Versorgungsausgleichssache die weitere Beschwerde eine Rechtsbeschwerde ist und nur darauf gestützt werden kann, daß die angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. (vgl. zur Rechtsbeschwerde des § 27 Abs. 1 FGG Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 13. Aufl. § 27 Rdn. 48; Jansen, FGG 2. Aufl. § 27 Rdn. 20, jeweils m.N.).

Deshalb kann die weitere Beschwerde keinen Erfolg haben mit dem Versuch, eine andere Auslegung des Vertrages durchzusetzen. Die Auslegung des Beschwerdegerichts ist möglich und sogar naheliegend. Daß dem Beschwerdegericht in dem dargelegten Sinne relevante Auslegungsfehler unterlaufen sind, zeigt die weitere Beschwerde nicht auf.

3. Ohne Erfolg macht die weitere Beschwerde geltend, der vereinbarte Ausschluß des Versorgungsausgleichs sei unwirksam, weil die Ehefrau keine Gegenleistung für ihren Verzicht auf den Versorgungsausgleich erhalten habe und weil sie auch nicht auf andere Weise hinreichend gesichert sei. Zutreffend – und von der weiteren Beschwerde nicht beanstandet – führt das Beschwerdegericht aus, daß die Wirksamkeit der Vereinbarung nach der Übergangsregelung des Art. 12 Nr. 3 III Satz 2 des 1. EheRG zu beurteilen ist. Danach ist der ab dem 1. Juli 1977 eingeführte Versorgungsausgleich u.a. dann nicht durchzuführen, wenn die nach dem neuen Recht auszugleichenden Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung Gegenstand eines vor diesem Stichtag abgeschlossenen Vertrages gewesen sind. Der Senat hat bereits entschieden, daß Versorgungsanrechte i.S. dieser Regelung nicht nur dann Gegenstand des Vertrages sind, wenn sie durch den Vertrag – ähnlich wie beim Versorgungsausgleich – auf die Ehegatten verteilt werden, sondern auch dann, wenn – wie im vorliegenden Falle – durch den Vertrag die Durchführung des Versorgungsausgleichs insgesamt ausgeschlossen wird (Senatsbeschluß vom 4. März 1981 – IVb ZB 662/80 – FamRZ 1981, 533, 534).

In der Literatur wird (allerdings ohne nähere Begründung) die Ansicht vertreten, nach der Intention des Gesetzes sollten vor dem 1. Juli 1977 abgeschlossene Vereinbarungen unwirksam sein, wenn durch sie der Versorgungsausgleich ohne eine angemessene Abfindung oder Gegenleistung ausgeschlossen werde (Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich und steuerliche Folgen der Ehescheidung, 1977 Rdn. 608; Kniebes/Kniebes, DNotZ 1977, 269, 282, 283; jedenfalls im Grundsatz ebenso: Reinartz, NJW 1977, 81, 84; Soergel/Häberle, BGB 12. Aufl. Rdn. 7 zu Art. 12 des 1. EheRG). Der Senat (aaO) hat die Frage offengelassen und ausgeführt, der gänzliche Ausschluß des Versorgungsausgleichs in einem vor dem 1. Juli 1977 abgeschlossenen Vertrag sei jedenfalls dann wirksam, wenn der verzichtende Ehegatte durch eine Leistung, die er nach dem Vertrag zu erhalten habe, und durch eigene Einkünfte wirtschaftlich hinreichend gesichert sei.

Der Ansicht, Art. 12 Nr. 3 III Satz 2 1. EheRG lasse einen vertraglichen Verzicht auf den Versorgungsausgleich nur dann zu, wenn in dem Vertrag zugleich eine angemessene Abfindung oder Gegenleistung zugunsten des Verzichtenden vereinbart werde, ist nicht zu folgen. Weder der Text des 1. EheRG noch die Materialien zu diesem Gesetz enthalten einen Hinweis darauf, daß eine entsprechende vertragliche Vereinbarung einer besonderen Inhaltskontrolle unterworfen werden muß und daß es den Eheleuten verwehrt sein sollte, auch ohne jede Gegenleistung den Versorgungsausgleich vertraglich auszuschließen. Die Übergangsregelung des Art. 12 Nr. 3 III Satz 2 1. EheRG ist vom Rechtsausschuß des Bundestages in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden (damals Art. 13). In der Begründung des Rechtsausschusses heißt es, der Versorgungsausgleich solle nicht stattfinden, „wenn die Ehegatten einen Vertrag gleich welcher Art über die Versorgungsanrechte abgeschlossen haben, die an sich auszugleichen wären” (BT-Drucks. 7/4361 S. 79, 80).

Entscheidend gegen die Annahme, nach dem Übergangsrecht sei ein vertraglicher Ausschluß des Versorgungsausgleichs nur bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Gegenleistung oder Abfindung zulässig, sprechen auch die Regelungen des am 1. Juli 1977 in Kraft getretenen neuen Rechts. § 1408 Abs. 2 Satz 1 BGB bestimmt nämlich, daß die Ehegatten in einem Ehevertrag durch eine ausdrückliche Vereinbarung den Versorgungsausgleich ausschließen können. Nach dem neuen Recht ist die Vereinbarung einer Abfindung oder Gegenleistung nicht Voraussetzung für einen wirksamen Ausschluß des Versorgungsausgleichs. Es spricht nichts dafür, daß der Gesetzgeber in der Übergangsregelung des Art. 12 Nr. 3 III Satz 1 des 1. EheRG bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts strengere Anforderungen an einen wirksamen vertraglichen Ausschluß stellen wollte (wie hier Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht 2. Aufl. vor § 1587 Rdn. 34; von Maydell, FamRZ 1977, 172, 182; Zimmermann/Becker FamRZ 1983, 1, 12).

4. In der Literatur wird weiter die Ansicht vertreten, ein vor dem 1. Juli 1977 abgeschlossener Vertrag, der den Ausschluß des Versorgungsausgleichs ohne Abfindung oder Gegenleistung enthalte, sei jedenfalls nur dann wirksam, wenn er den Formerfordernissen genüge, die das am 1. Juli 1977 in Kraft getretene neue Recht in den §§ 1408 Abs. 2 Satz 1, 1410 BGB vorschreibe (vgl. Reinartz und Ruland/Tiemann aaO m.N.). Dagegen wird angeführt, Art. 12 Nr. 3 III Satz 2 des 1. EheRG enthalte keinen Verweis auf Formvorschriften und eine analoge Anwendung des § 1410 BGB scheide schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber in der Übergangsregelung die vertragliche Abwendung des Versorgungsausgleichs, mit dem die Ehegatten bei Eheschließung nicht hätten rechnen müssen, bewußt erleichtert habe (Johannsen/Henrich/Hahne aaO Rdn. 33). Bedenklich erscheint auch, daß die Formvorschrift eines am 1. Juli 1977 in Kraft getretenen Gesetzes rückwirkend die Formunwirksamkeit eines vor dem 1. Juli 1977 abgeschlossenen Vertrages zur Folge haben soll. Es ist jedoch nicht erforderlich, auf diese Problematik weiter einzugehen. Der Ehevertrag, den die Parteien abgeschlossen haben, erfüllt nämlich die Formerfordernisse des § 1410 BGB (und wäre auch im übrigen nach den Maßstäben des neuen Rechts uneingeschränkt wirksam). Es wäre ein unvertretbares Ergebnis, ihn nur deshalb als unwirksam anzusehen, weil er vor dem 1. Juli 1977 abgeschlossen worden ist.

Dementsprechend sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, daß die Parteien die gesetzliche Regelung über den Versorgungsausgleich rechtsverbindlich ausgeschlossen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609419

NJW 1995, 3251

FPR 1999, 301

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