Entscheidungsstichwort (Thema)

vorsätzliche Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzung. vorsätzliches Organisationsverschulden bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Pflicht der Tochtergesellschaft, Anlageinteressenten über die Hauptaktionärin einer AG vollständig und richtig zu informieren. Verjährung nach § 37a WpHG a.F.

 

Leitsatz (amtlich)

a) Die Verjährungsvorschrift des § 37a WpHG a.F. ist auf vorsätzliche Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen nicht anwendbar.

b) Ein vorsätzliches Organisationsverschulden liegt vor, wenn ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Kenntnis seiner Verpflichtung zur Aufklärung es gleichwohl unterlassen hat, seine als Berater tätigen Mitarbeiter anzuweisen, die Kunden entsprechend aufzuklären (im Anschluss an Senat, Urt. v. 30.10.2014 - III ZR 493/13).

 

Normenkette

BGB § 276; WpHG a.F. § 37a

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 26.06.2013; Aktenzeichen 3 U 4372/12)

LG Traunstein (Entscheidung vom 24.10.2012; Aktenzeichen 5 O 1060/12)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 3. Zivilsenats des OLG München vom 26.6.2013 - 3 U 4372/12 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 50.800 EUR

 

Gründe

Rz. 1

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

Rz. 2

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen ist, der die Beklagte zu einer objekt- und anlegergerechten Beratung verpflichtete. Der Umstand, dass die Beklagte zugleich über ihr namensgleiches Tochterunternehmen die Anlagegesellschaft beherrschte, steht dem nicht entgegen.

Rz. 3

2. Im Rahmen der geschuldeten Beratung hatte die Beklagte ihre Mitarbeiter anzuweisen, die Anlageinteressenten über die Hauptaktionärin der B. AG vollständig und richtig zu informieren (dazu Senat, Urt. v. 30.10.2014 - III ZR 493/13, juris Rz. 26). Die Beteiligungsverhältnisse an der B. AG mussten wahrheitsgemäß dargestellt und die Anleger darüber informiert werden, dass die Beklagte selbst keine Aktien hielt.

Rz. 4

3. Die zwischen der Beklagten und der B. AG bestehende Provisionsvereinbarung war ebenfalls offen zu legen.

Rz. 5

a) Die Beschwerde verkennt, dass es im vorliegenden Fall nicht um den für den Anleger regelmäßig erkennbaren Interessenkonflikt geht, der sich daraus ergibt, dass der Anlageberater vom Anleger keinerlei Entgelt oder Provision erhält, sondern darauf angewiesen ist, sein Geld mit Leistungen von Seiten des Kapitalsuchenden zu verdienen (dazu BGH, Urt. v. 15.4.2010 - III ZR 196/09, BGHZ 185, 185 Rz. 13; v. 3.3.2011 - III ZR 170/10, NJW-RR 2011, 913 Rz. 20). Denn die Beklagte ist gegenüber den Anlageinteressenten als Hauptaktionärin der B. AG aufgetreten, die als Investorin im eigenen Interesse weitere Mitaktionäre suchte. Bei dieser Konstellation lag es für einen Anleger nicht auf der Hand, dass die ihn beratende Beklagte ihr Geld durch Provisionszahlungen der B. AG verdiente.

Rz. 6

b) Die Provisionsvereinbarung war aber auch deshalb offen zu legen, weil sie dazu führte, dass das von der Beklagten (mittelbar) über ihre namensgleiche Tochtergesellschaft investierte Kapital in Form von Provisionen wieder an die Beklagte zurückfließen sollte. Dies widersprach den Angaben in dem sog. Businessplan (S. 8), wonach sich die Projektpartner auch mit eigenen Mitteln dauerhaft an der B. AG beteiligten und die Beklagte zu diesem Zweck bereits 2.150.000 EUR Grundkapital einbezahlt hatte (vgl. Senatsurteil vom 30.10.2014, a.a.O., Rz. 25).

Rz. 7

4. Aufzuklären war ferner darüber, dass die Aktien der B. AG, solange keine Börsennotierung vorlag, mangels eines funktionierenden (Zweit-)Markts faktisch unverkäuflich waren (vgl. OLG Stuttgart WM 2008, 1368, 1370 f.; s. auch BGH, Urt. v. 18.1.2007 - III ZR 44/06, NJW-RR 2007, 621 Rz. 16; v. 20.6.2013 - III ZR 293/12, BeckRS 2013, 11581 Rz. 7, 10).

Rz. 8

5. Die Frage, ob die von der B. AG ausgegebenen Aktien Wertpapiere i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG (in der zum Zeitpunkt des Aktienerwerbs maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998, BGBl. I, 2708) darstellen (dazu Senatsurteil vom 30.10.2014, a.a.O., Rz. 34), ist nicht entscheidungserheblich. Die bis zum 4.8.2009 geltende Sonderverjährungsvorschrift des § 37a WpHG ist auf vorsätzliche Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen, die das Berufungsgericht hier rechtsfehlerfrei festgestellt hat, sachlich nicht anwendbar (Senatsurteil vom 30.10.2014, a.a.O., Rz. 31; BGH, Urt. v. 8.3.2005 - XI ZR 170/04, BGHZ 162, 306, 312; v. 19.12.2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rz. 20). Dabei kommt es, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, auf eine vorsätzliche Pflichtverletzung durch die für die Beklagte tätig gewordenen Berater nicht an. Denn die Beklagte trifft jedenfalls der Vorwurf vorsätzlichen Organisationsverschuldens, da sie es in Kenntnis ihrer Verpflichtung zur Aufklärung gleichwohl unterlassen hat, ihre Mitarbeiter anzuweisen, die Kunden über die Beteiligungsverhältnisse an der B. AG, die getroffene Provisionsvereinbarung und die stark eingeschränkte Fungibilität der Aktien wahrheitsgemäß zu informieren (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.2009 - XI ZR 586/07, NJW 2009, 2298 Rz. 14).

Rz. 9

Von einer weiteren Begründung wird gem. § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 7538160

BB 2015, 1

DB 2015, 185

DB 2015, 7

DStR 2015, 10

EBE/BGH 2015

NJW-RR 2015, 368

NZG 2015, 273

WM 2015, 67

ZIP 2015, 229

AG 2015, 122

JZ 2015, 68

MDR 2015, 86

ZBB 2015, 71

CB 2015, 21

RdF 2015, 161

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