Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 07.05.2002) |
Tenor
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und den Angeklagten M. wegen Vergewaltigung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen beide Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
1. Nach den Feststellungen hatten sich die Angeklagten am Abend des 12. August 2001 entschlossen, mit der Zeugin Mi. und der Nebenklägerin und Zeugin K. sexuelle Handlungen vorzunehmen. Sie trafen sich mit der Zeugin Mi., die – nicht ausschließbar – die Absichten der Angeklagten erkannte, und fuhren mit dieser zu der Wohnung der Nebenklägerin. Als diese die Angeklagten nicht in ihre Wohnung einlassen wollte, erzwang der Angeklagte M. durch Drohung mit einem Messer den Zutritt, was der Angeklagte T. billigte. In der folgenden Nacht nötigten die Angeklagten den beiden Frauen mehrfach gegen deren Willen Geschlechts- und Oralverkehr ab, wogegen diese wegen der vorangegangenen Bedrohung und des weiterhin bereitliegenden Messers keinen Widerstand wagten.
2. Das Urteil ist aufzuheben, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtlicher Prüfung nicht standhält. Die Würdigung der erhobenen Beweise obliegt zwar allein dem Tatrichter. Sie ist vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, auch wenn eine abweichende Würdigung möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte. Das Revisionsgericht ist allein auf die Prüfung beschränkt, ob die Überzeugungsbildung des Tatrichters frei von Rechtsfehlern ist (s. insg. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 337 Rdn. 26 ff. m. zahlr. Nachw.). Ein derartiger Rechtsfehler liegt hier indessen vor. Die Beweiswürdigung des Landgerichts enthält eine Lücke, die im Hinblick auf die hier gegebene besondere Beweissituation der Überzeugungsbildung des Landgerichts insgesamt die Grundlage entzieht.
Die Angeklagten haben die ihnen vorgeworfenen Taten in Abrede gestellt und behauptet, es sei einvernehmlich zu sexuellen Handlungen gekommen. Das Landgericht stützt seine Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen allein auf die Angaben der beiden Zeuginnen. In einer derartigen Konstellation, in der Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn – wie hier – die Belastungszeuginnen eine Vielzahl weiterer erzwungener Sexualhandlungen behaupten, von denen sich der Tatrichter wegen Widersprüchen in den Aussagen und Abweichungen zu den Angaben in früheren Vernehmungen nicht zu überzeugen vermag, und darüber hinaus eine der Zeuginnen (Mi.) nicht nur zu Umständen des Randgeschehens die Unwahrheit gesagt, sondern sich nach der Tat sogar bereit gezeigt hat, gegen Zahlung einer größeren Geldsumme ihre Aussage zu Gunsten der Angeklagten abzuändern (vgl. nur BGH NStZ 2001, 161, 162 m. w. N.).
Das Landgericht hat einen wesentlichen Punkt übersehen, der ebenfalls gegen die Richtigkeit der Angaben der Zeuginnen sprechen könnte. Nach den auf diesen Angaben beruhenden Feststellungen hatten die Angeklagten spätestens um 23.30 Uhr den Zutritt zu der Wohnung der Nebenklägerin erzwungen (UA S. 8). Während der Nacht führten sie zahlreiche längere Telefonate überwiegend ins Ausland, während sie den beiden Frauen das Telefonieren untersagten (UA S. 12). Bei der Erörterung der Frage, ob sich die Zeugin Mi. entgegen ihrer Behauptung und der Aussage der Nebenklägerin bereits in der Wohnung der Nebenklägerin befunden hatte, als die Angeklagten eintrafen, befaßt sich das Landgericht mit den Telefonaten, die nach der Liste der Verbindungsdaten am Tatabend vom Festnetzanschluß der Wohnung geführt wurden. Es stellt hierzu fest (UA S. 37/38), daß zwischen 18.41 Uhr und 0.01 Uhr sechsmal eine bestimmte Telefonnummer mit der Vorwahl 0179 angewählt worden war, wobei jeweils eine Verbindung zustande kam. Wurde aber um 0.01 Uhr eine Telefonnummer angewählt, die auch schon um 18.41 Uhr – und damit vor dem Eintreffen der Angeklagten – angerufen worden war, so deutet dies darauf hin, daß das um 0.01 Uhr abgehende Telefonat nicht von den Angeklagten geführt wurde; denn es liegt zumindest nicht nahe, daß einer von ihnen zufällig denselben Gesprächspartner anrief, mit dem die Nebenklägerin schon am frühen Abend telefoniert hatte. Wurde das Telefonat um 0.01 Uhr aber von der Nebenklägerin oder der Zeugin Mi. geführt, trifft ihre Behauptung nicht zu, die Angeklagten hätten ihnen untersagt zu telefonieren. Dies hat das Landgericht nicht bedacht.
Bei Berücksichtigung der sonstigen Umstände, die gegen die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben – insbesondere der Zeugin Mi. – sprechen, vermag der Senat nicht auszuschließen, daß das Landgericht zu einer abweichenden Überzeugungsbildung gelangt wäre, wenn es die dargestellte Problematik in seine Überlegungen miteinbezogen hätte. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben.
Unterschriften
Tolksdorf, Miebach, Winkler, Pfister, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 2558964 |
StV 2003, 543 |