Leitsatz (amtlich)
Zur Ablehnung einer teleologischen Reduktion des Tatbestands des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
Normenkette
BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 02.11.2018; Aktenzeichen 336 Js 3436/17 2 KLs 15/18) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 2. November 2018 wird
- die Verfolgung im Fall II. 2 der Urteilsgründe auf den Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln beschränkt und
das vorgenannte Urteil
aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist, sowie
bb) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit bewaffnetem unerlaubten Sichverschaffen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge” zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt nach einer Verfahrensbeschränkung im Fall II. 2 der Urteilsgründe zu einer Änderung im Schuldspruch und der Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Nach den Feststellungen verfügte der Angeklagte am 11. April 2017 in seiner Wohnung über einen Vorrat an Betäubungsmitteln, die teilweise zur gewinnbringenden Weiterveräußerung und teilweise zum Eigenkonsum bestimmt waren. Bei der an diesem Tag durchgeführten Wohnungsdurchsuchung wurden 118 g Amphetamin, 9,5 g kristallines Ecstasy und 412 Ecstasy-Tabletten aufgefunden. Hiervon waren 80 g Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 18,2 % Amphetamin-Base sowie 8,55 g kristallines Ecstasy und 371 Ecstasy-Tabletten mit einer Gesamtwirkstoffmenge von 46,2 g MDMA-Hydrochlorid zur Veräußerung vorgesehen. Der Rest der vorgefundenen Betäubungsmittel diente dem Eigenkonsum. Zudem fanden sich im Zuge der Wohnungsdurchsuchung neben der Schrankwand im Wohnzimmer, in der ein Großteil der Ecstasy-Tabletten aufbewahrt wurden, ein Jagdmesser und ein ausgezogener Teleskopschlagstock, in einer Schublade im Büroschrank ein Springmesser und in einer Schublade des Schlafzimmerschrankes ein weiterer ausziehbarer Teleskopschlagstock. Darüber hinaus lagerte der Angeklagte am 11. April 2017 in einem Schrank im Büro der Wohnung eine in einem Originalkoffer verpackte, geladene und funktionsfähige halbautomatische Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalpistole der Marke Röhm, Modell RG 88, nebst Zubehör. Sämtliche Gegenstände befanden sich mit Wissen des Angeklagten für diesen ohne Weiteres zugriffsbereit in seiner Wohnung (Tat II. 1 der Urteilsgründe). Zeitgleich hatte der Angeklagte aus seiner Wohnung heraus bei seinem Lieferanten eine Bestellung von Betäubungsmitteln in Auftrag gegeben. Die bestellten Betäubungsmittel – 198 g Marihuana, 190 g Amphetamin und 106 Ecstasy-Tabletten – wurden vom Lieferanten noch am 11. April 2017 zum Wohnanwesen des Angeklagten gebracht, wo sie von der Polizei vor dem Haus beim Lieferanten aufgefunden und sichergestellt wurden. Der Angeklagte beabsichtigte, von den bestellten Betäubungsmitteln 168 g Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 12,05 % THC, 130 g Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 15,7 % Amphetamin-Base sowie 95 Ecstasy-Tabletten mit einer Wirkstoffmenge von insgesamt 17 g MDMA-Hydrochlorid gewinnbringend zu veräußern. Den Rest der bestellten Menge wollte er selbst konsumieren (Tat II. 2 der Urteilsgründe).
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
1. Der Senat hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen die Strafverfolgung im Fall II. 2 der Urteilsgründe mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln beschränkt.
Rz. 4
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG im Fall II. 2 der Urteilsgründe hält – abgesehen von der Bewertung des Konkurrenzverhältnisses zur Tat II. 1 der Urteilsgründe – einer rechtlichen Prüfung stand.
Rz. 5
a) Nach der Qualifikationsnorm des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG macht sich unter anderem strafbar, wer mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel treibt und dabei eine Schusswaffe oder einen seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegenstand mit sich führt. Für die Erfüllung des Tatbestandes reicht es aus, wenn dem Täter die Schusswaffe oder der gefährliche Gegenstand bei einem Teilakt der auf den Umsatz einer nicht geringen Betäubungsmittelmenge bezogenen Bewertungseinheit des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zur Verfügung steht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 10; vom 12. Januar 2017 – 1 StR 394/16, NStZ 2017, 714, 715; Beschluss vom 8. Mai 2019 – 4 StR 203/19, NStZ-RR 2019, 220, 221). Nicht erforderlich ist, dass der Täter zugleich auf die Schusswaffe oder den gefährlichen Gegenstand und die Betäubungsmittel zugreifen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 1999 – 3 StR 372/98, NJW 1999, 3206, 3207). Tatbestandlich erfasst werden vielmehr das Mitsichführen einer Schusswaffe oder eines seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegenstandes auch bei Teilakten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, die dem eigentlichen Güterumsatz vorausgehen oder nachfolgen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juni 1999 – 3 StR 372/98, aaO; vom 4. Februar 2003 – GSSt 1/02, BGHSt 48, 189, 195 f.; vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 12; Urteil vom 14. August 2018 – 1 StR 149/18, StV 2019, 341, 342). So macht sich wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auch derjenige strafbar, der etwa bei der Fahrt zur Abholung einer zuvor bestellten Betäubungsmittellieferung oder beim Transport von Rauschgifterlösen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 19 f.) eine Schusswaffe oder einen gefährlichen Gegenstand mit sich führt.
Rz. 6
b) Indem der Angeklagte, dem in seiner Wohnung eine Schusswaffe und mit den jeweils als Waffen im technischen Sinne zu qualifizierenden Teleskopschlagstöcken sowie dem Springmesser mehrere ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignete und bestimmte Gegenstände griffbereit zur Verfügung standen, aus der Wohnung heraus eine nicht geringe Handelsmenge an Betäubungsmitteln zur alsbaldigen Lieferung in seine Wohnung bestellte, hat er sich des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht. Dass er nach den Urteilsfeststellungen nicht vorhatte, die Schusswaffe oder die gefährlichen Gegenstände bei seinen Betäubungsmittelgeschäften zum Einsatz zu bringen, ist ohne Bedeutung. Denn der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt eine tatbezogene Verwendungsabsicht nicht voraus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 1996 – 3 StR 233/96, NStZ 1996, 498; vom 9. Oktober 1997 – 3 StR 465/97, BGHSt 43, 266, 270).
Rz. 7
c) Eine den Anwendungsbereich der Norm einschränkende Auslegung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist nicht geboten. Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht tragend erwogen worden ist, Fälle, in denen nach Lage der Dinge schlechterdings keine Gefahr für das geschützte Rechtsgut besteht, im Wege einer teleologischen Reduktion der Vorschrift von der Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auszunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2018 – 1 StR 149/18, StV 2019, 341, 342 f.; Beschluss vom 13. April 1999 – 1 ARs 3/99; vgl. auch Beschluss vom 3. April 2002 – 1 ARs 14/02, NStZ 2002, 600; offengelassen in Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 1/02, BGHSt 48, 189, 196 f.; vgl. Lenckner, NStZ 1998, 257; Hecker, NStZ 2000, 208, 209; Zaczyk, JR 1998, 256; Nestler, StV 2002, 504; Paeffgen in Festschrift 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. IV, S. 725; kritisch Altenhain, NStZ 2003, 435), folgt der Senat dem nicht.
Rz. 8
aa) Mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I., S. 3186), durch das die Strafvorschrift des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG in das Betäubungsmittelgesetz eingefügt worden ist, verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, im Betäubungsmittelstrafrecht Strafrahmen vorzusehen, mit denen der großen Gefährlichkeit solcher Taten entsprochen werden kann. Die Qualifikationsnorm des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, die den Schutz der Allgemeinheit vor bewaffneten Tätern bezweckt, soll der besonderen Gefährlichkeit Rechnung tragen, die darin besteht, dass Täter ihre Interessen beim unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln rücksichtslos durchsetzen und dabei die Schusswaffe oder die sonstigen von der Vorschrift erfassten gefährlichen Gegenstände einsetzen (vgl. Entwurf zum Verbrechensbekämpfungsgesetz BT-Drucks. 12/6853, S. 41; BGH, Urteil vom 10. April 1996 – 3 StR 5/96, BGHSt 42, 123, 126; Beschlüsse vom 4. Februar 2003 – GSSt 1/02, BGHSt 48, 189, 193; vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13). Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG schützt nicht nur das Rechtsgut der Volksgesundheit vor qualifizierten Angriffen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 11), sondern auch die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit von Personen, die in Kontakt mit Tätern von Betäubungsmittelstraftaten geraten (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16, aaO).
Rz. 9
Der Gesetzgeber hat die Qualifikationsnorm des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet (vgl. BGH, Urteile vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96, aaO, S. 12; vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12, NStZ-RR 2013, 150, 151) und den Tatbestand durch die Beschränkung auf bestimmte verkehrsrelevante Umgangsformen mit Betäubungsmitteln und das Erfordernis einer nicht geringen Betäubungsmittelmenge auf Tatmodalitäten begrenzt, bei denen nach seiner Bewertung das Führen von Schusswaffen oder sonstigen gefährlichen Gegenständen typischerweise zu einer besonderen Gefährlichkeit führt (BT-Drucks. 12/6853, S. 41). Bei der Schaffung dieser Norm war dem Gesetzgeber die weite Auslegung, die der Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs erfahren hat (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252), bekannt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 1999 – 3 StR 372/98, NJW 1999, 3206, 3207).
Rz. 10
bb) Für eine einschränkende Auslegung des Tatbestands im Wege einer teleologischen Reduktion ist nach Auffassung des Senats schon deshalb kein Raum, weil sich für die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Gefahr für das geschützte Rechtsgut nach Lage der Dinge gänzlich ausgeschlossen erscheint, vor dem Hintergrund des weiten Verständnisses des Handelsbegriffes im Betäubungsmittelstrafrecht und des Schutzzwecks des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG keine sachgerechten, abstrakt formulierbaren Kriterien finden lassen (vgl. Altenhain, NStZ 2003, 435).
Rz. 11
Überlegungen, die Strafbarkeit des bewaffneten Handeltreibens auf Konstellationen eines zeitgleichen Zugriffs des Täters auf Schusswaffe bzw. gefährlichen Gegenstand und die Betäubungsmittel zu beschränken, haben wegen der damit verbundenen Privilegierung bewaffneter, am eigentlichen Güterumsatz unmittelbar nicht beteiligter Hintermänner (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl., § 30a Rn. 157) in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Recht keine Zustimmung erfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 1999 – 3 StR 372/98, NJW 1999, 3206, 3207). Da die Strafnorm des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nach den Intentionen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 12/6853, S. 41) auf den Schutz der Allgemeinheit vor bewaffneten Tätern abzielt, umfasst ihr Schutzzweck nicht nur am Betäubungsmittelumsatz als Abnehmer oder Lieferanten Beteiligte, sondern alle Personen, die – sei es aus Tätersicht auch ungewollt oder zufällig – in Kontakt mit dem Täter geraten. Zu Letzteren gehören insbesondere auch offen oder verdeckt agierende Angehörige des Zolls oder der Polizei (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juni 2000 – 2 StR 123/00, Rn. 12; vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12, NStZ-RR 2013, 150, 151). Eine vom Täter intendierte Kontaktaufnahme mit Dritten scheidet deshalb als taugliches Kriterium für die Erfassung gänzlich ungefährlicher Fallkonstellationen aus (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 13). Ein Abstellen darauf, ob es beim Mit-sichführen der Schusswaffe oder des gefährlichen Gegenstandes tatsächlich zu einer potentiellen oder gar konkreten Gefahrenlage gekommen ist, lässt sich mit der Struktur der Strafvorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht in Einklang bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13). Der Gesetzgeber hat die Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gerade nicht vom festzustellenden Eintritt einer konkreten Gefahr oder einer Gefährdungseignung für die Sicherheit der Allgemeinheit abhängig gemacht. Eine abstrakt mögliche Gefahrensituation für andere wird aber im Einzelfall kaum jemals zweifelsfrei auszuschließen sein (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96, aaO; vgl. Altenhain, NStZ 2003, 435, 438). Dies zeigt auch der Sachverhalt im vorliegenden Verfahren, bei dem der bewaffnete Angeklagte aus seiner Wohnung heraus Betäubungsmittel zur alsbaldigen Lieferung in seine Wohnung bestellte und gegen ihn bereits zeitgleich mit der Lieferung der bestellten Betäubungsmittel offene polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen ergriffen wurden. Bei dieser Konstellation lässt sich die Frage eines gänzlichen Fehlens jedweder Gefahr für das geschützte Rechtsgut nicht plausibel beurteilen.
Rz. 12
Das Fehlen sachgerechter, abstrakt formulierbarer Kriterien für einen Ausschluss jedweder Rechtsgutsgefährdung hat aber zur Folge, dass sich die Fallgestaltungen, für welche eine teleologische Reduktion des Tatbestands in Betracht kommen soll, einer objektiv nachvollziehbaren und damit intersubjektiv zu vermittelnden Umschreibung entziehen.
Rz. 13
cc) Eine teleologische Reduktion der Strafnorm des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist schließlich auch unter Berücksichtigung der hohen, eine Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsehenden Strafandrohung der Vorschrift nicht erforderlich, um in atypischen Sachverhaltskonstellationen zu einer strafrechtlichen Ahndung zu gelangen, die dem Unrechts- und Schuldgehalt der betreffenden Handlungen in angemessener Weise gerecht wird. Denn solchen Sachverhaltsgestaltungen kann durch die Annahme eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG, der eine die Mindeststrafe für minder schwere Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 2 BtMG lediglich um drei Monate übersteigende Strafrahmenuntergrenze vorsieht, hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 1/02, BGHSt 48, 189, 197).
Rz. 14
3. Der Annahme von zwei selbständigen, real konkurrierenden Taten des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln durch das Landgericht begegnen dagegen durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Strafkammer hat bei ihrer konkurrenzrechtlichen Bewertung übersehen, dass sich die beiden Taten des bewaffneten Handeltreibens, die sich auf jeweils verschiedene Handelsmengen bezogen, durch das Bereithalten der Schusswaffe und der weiteren zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegenstände in der Wohnung des Angeklagten in ihren Ausführungshandlungen teilweise überschnitten. Dies hat zur Folge, dass beide Taten konkurrenzrechtlich zu Tateinheit verknüpft sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Dezember 2017 – 4 StR 562/17, Rn. 4; vom 21. August 2018 – 3 StR 615/17, Rn. 12; vom 27. Juni 2018 – 4 StR 116/18, NStZ 2019, 97; vom 8. Mai 2019 – 4 StR 203/19, NStZ-RR 2019, 220).
Rz. 15
4. Die Verfolgungsbeschränkung im Fall II. 2 der Urteilsgründe und die abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung führen zu einer Änderung des Schuldspruchs durch den Senat. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung entzieht dem Strafausspruch die Grundlage.
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Cierniak, Bender, Feilcke
Fundstellen
Haufe-Index 13702235 |
BGHSt 2020, 266 |
BGHSt |
NJW 2020, 10 |
NJW 2020, 1233 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 2020, 221 |
NStZ-RR 2020, 5 |
Kriminalistik 2020, 462 |
NJW-Spezial 2020, 216 |
StRR 2020, 26 |
StV 2020, 395 |
StraFo 2020, 216 |