Tenor
Die Sache wird an das Bayerische Oberste Landesgericht zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben.
Gründe
I.
Der Betroffene, indischer Staatsangehöriger, wurde am 4. September 2000 in Nürnberg ohne gültige Papiere festgenommen. Nach seinen Angaben war er am 17. August 2000 von Neu Dehli kommend nach Frankreich eingereist. Ein „Agent” habe ihm das Visum für Frankreich beschafft. In Frankreich habe ihm eine Kontaktperson den Reisepaß abgenommen und ihn in ein Zimmer gesperrt. Erst am Tag vor seiner Festnahme sei er mit einem Lkw nach Deutschland gebracht worden.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen Abschiebungshaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG zunächst bis längstens zum 5. Dezember 2000 angeordnet und durch weiteren Beschluß vom 1. Dezember 2000 die Sicherungshaft bis zum 5. März 2001 verlängert.
Am 15. September 2000 stellte der Betroffene aus der Haft heraus einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28. September 2000 ist der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und die Abschiebung des Betroffenen angeordnet worden. Der Bescheid ist seit dem 12. Oktober 2000 bestandskräftig.
Seine sofortige Beschwerde gegen den die Sicherungshaft verlängernden Beschluß vom 1. Dezember 2000 hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, die das Bayerische Oberste Landesgericht zurückweisen möchte. Es sieht sich daran jedoch durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Januar 2000 (OLGR 2000, 107) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Juni 2000 (NVwZ Beilage 2000, 111, 112) gehindert und hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist nicht zulässig. Die Sache ist dem vorlegenden Gericht zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben.
1. Für die Feststellung der Zulässigkeit einer Vorlage nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG – hier in Verbindung mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG; § 3 Satz 2 FreihEntzG – ist der Bundesgerichtshof zwar an die für die Entscheidungserheblichkeit maßgebliche rechtliche Beurteilung des Falles durch das vorlegende Gericht gebunden (vgl. Senat, BGHZ 7, 339, 341; BGHZ 82, 34, 36; Senat, BGHZ 90, 181, 182; Senat, Beschl. v. 10. Februar 2000, V ZB 5/00, LM AuslG Nr. 13), zu prüfen ist aber, ob unter Zugrundelegung dieser Beurteilung neben einer Abweichung auch Entscheidungserheblichkeit gegeben ist. Danach ist die Vorlage insbesondere dann unzulässig, wenn schon aus dem Inhalt des vorgelegten Beschlusses – aus dem dort mitgeteilten Sachverhalt und der dort zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung – folgt, daß es der Klärung der Vorlagefrage nicht bedarf (vgl. Senat, Beschl. v. 1. Juli 1993, V ZB 19/93, NJW 1993, 3069; BGH, Beschl. v. 3. Mai 1968, IV ZB 502/68, LM § 28 FGG Nr. 21; Beschl. v. 5. Februar 1986, IVb ZB 1/86, NJW-RR 1986, 802; Beschl. v. 12. Oktober 1988, IVb ZB 37/88, NJW 1989, 668, 669; Beschl. v. 4. März 1996, II ZB 8/95, NJW 1996, 1473, insoweit in BGHZ 132, 141 nicht abgedruckt; Beschl. v. 16. Juli 1997, XII ZB 97/96, NJW-RR 1997, 1162; Beschl. v. 1. Juli 1998, XII ZB 181/97, NJW-RR 1998, 1457 f; BayObLGZ 1981, 270, 276; Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 28 FGG Rdn. 32). So liegt der Fall hier.
a) Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, bei einem erst aus der Haft heraus gestellten Asylantrag sei die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG durch § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG auch dann ermöglicht, wenn sich der Ausländer nach der unerlaubten Einreise zwar nicht länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten, entgegen § 13 Abs. 3 AsylVfG aber nicht unverzüglich um Asyl nachgesucht habe. Demgegenüber haben das Oberlandesgericht Düsseldorf und das Oberlandesgericht Karlsruhe in den genannten Beschlüssen die Auffassung vertreten, die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft aufgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG komme nach einem aus der Haft gestellten Asylantrag nur dann in Betracht, wenn der Ausländer sich nach der unerlaubten Einreise länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten habe. Von diesen Entscheidungen will das vorlegende Gericht abweichen.
b) Diese Abweichung ist für die beabsichtigte Entscheidung nicht erheblich.
Einen Ausländer, der, wie der Betroffene, unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist ist (§ 58 Abs. 1 AuslG), trifft nach § 42 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AuslG eine vollziehbare Ausreisepflicht. Stellt der Ausländer aber einen Asylantrag, so ist ihm zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet (§ 55 Abs. 1 AsylVfG). Da die Ausreisepflicht damit entfallen ist (vgl. Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 57 AuslG), fehlt es an einer Voraussetzung für die Anordnung von Sicherungshaft (vgl. BayObLGZ 1992, 256, 258). Trotz des zwingenden Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG könnte der Ausländer, weil die Haft nach Wegfall ihrer Voraussetzungen sofort zu beenden ist (vgl. Senat, BGHZ 139, 254, 257), nicht in Sicherungshaft verbleiben (vgl. GK-AuslR, § 57 Rdn. 137). Eine Entlassung aufgrund des mit der Asylantragstellung erlangten Bleiberechts soll durch § 14 Abs. 4 AsylVfG, der mit Wirkung zum 1. November 1997 angefügt worden ist (BGBl. I 1997, S. 2584), verhindert werden. Ziel ist es, mißbräuchlichen, offenkundig aussichtslosen Asylanträgen aus der Sicherungshaft zu begegnen, die nur in der Absicht gestellt werden, die Abschiebung zu verhindern (vgl. BT-Drs. 13/4948 S. 10). Im vorliegenden Fall stellt sich aber die Frage eines Bleiberechts des Betroffenen nicht, nachdem er – wie der Vorlagebeschluß ausführt – zwar einen Asylantrag gestellt hatte, dieser Antrag aber seit dem 12. Oktober 2000 bestandskräftig abgelehnt ist. Mit der Bestandskraft des den Asylantrag ablehnenden Bescheides erlosch, was das vorlegende Gericht nicht verkennt, auch die zunächst erlangte Aufenthaltsgestattung nach § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG (vgl. GK-AuslR, § 57 Rdn. 195).
Danach war dem Betroffenen aber schon bei Erlaß des – allein angefochtenen und verfahrensgegenständlichen – Beschlusses des Amtsgerichts vom 1. Dezember 2000 der Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 55 Abs. 1 AsylVfG nicht mehr gestattet. Fehlte es mithin von Anfang an an einem Bleiberecht, so konnte auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG trotz einer Aufenthaltsgestattung zugunsten des Betroffenen die Fortdauer der Sicherungshaft ermöglicht, selbst nach der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts keine Erheblichkeit erlangen.
Unterschriften
Tropf, Lambert-Lang, Krüger, Klein, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 547473 |
BGHR 2001, 341 |